Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

und wenn der sehr richtig denkende Psalmist den
Herrn seinen Gott anschrie: Tausend Jahre sind
vor Dir wie ein Augenblick! so ist diese gut be¬
gründete Hypothese von hinten gelesen eine und
dieselbe Wahrheit: Ein Augenblick ist wie tausend
Jahre! Wir könnten noch tausendmal mehr
sehen und hören während dieses Hufschlages,
wenn wir nur das Zeug dazu in uns hätten,
lieber Mann! Doch alles Pressiren oder Zögern
hilft da nichts, Alles hat seine bequemliche Er¬
füllung und wir können uns ganz gemächlich Zeit
lassen mit unserem Traum, er ist was er ist und
dauert einen Schlag und nicht mehr noch min¬
der!" sagte das Pferd.

"Gut, so beantworte mir ohne Anstand noch
diese Frage!" erwiederte Heinrich, "ich muß mir
aber die Frage erst noch ein wenig zurechtlegen
und deutlich abfassen: denn ich weiß nicht recht,
wie ich mich ausdrücken soll. Bereite Dich in¬
dessen, da wir, wie Du sagst, ausreichende Trau¬
meszeit haben, recht gründlich auf die Beant¬
wortung vor!"

"Wie kann ich mich zur Antwort vorbereiten,

und wenn der ſehr richtig denkende Pſalmiſt den
Herrn ſeinen Gott anſchrie: Tauſend Jahre ſind
vor Dir wie ein Augenblick! ſo iſt dieſe gut be¬
gruͤndete Hypotheſe von hinten geleſen eine und
dieſelbe Wahrheit: Ein Augenblick iſt wie tauſend
Jahre! Wir koͤnnten noch tauſendmal mehr
ſehen und hoͤren waͤhrend dieſes Hufſchlages,
wenn wir nur das Zeug dazu in uns haͤtten,
lieber Mann! Doch alles Preſſiren oder Zoͤgern
hilft da nichts, Alles hat ſeine bequemliche Er¬
fuͤllung und wir koͤnnen uns ganz gemaͤchlich Zeit
laſſen mit unſerem Traum, er iſt was er iſt und
dauert einen Schlag und nicht mehr noch min¬
der!« ſagte das Pferd.

»Gut, ſo beantworte mir ohne Anſtand noch
dieſe Frage!« erwiederte Heinrich, »ich muß mir
aber die Frage erſt noch ein wenig zurechtlegen
und deutlich abfaſſen: denn ich weiß nicht recht,
wie ich mich ausdruͤcken ſoll. Bereite Dich in¬
deſſen, da wir, wie Du ſagſt, ausreichende Trau¬
meszeit haben, recht gruͤndlich auf die Beant¬
wortung vor!«

»Wie kann ich mich zur Antwort vorbereiten,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0257" n="247"/>
und wenn der &#x017F;ehr richtig denkende P&#x017F;almi&#x017F;t den<lb/>
Herrn &#x017F;einen Gott an&#x017F;chrie: Tau&#x017F;end Jahre &#x017F;ind<lb/>
vor Dir wie ein Augenblick! &#x017F;o i&#x017F;t die&#x017F;e gut be¬<lb/>
gru&#x0364;ndete Hypothe&#x017F;e von hinten gele&#x017F;en eine und<lb/>
die&#x017F;elbe Wahrheit: Ein Augenblick i&#x017F;t wie tau&#x017F;end<lb/>
Jahre! Wir ko&#x0364;nnten noch tau&#x017F;endmal mehr<lb/>
&#x017F;ehen und ho&#x0364;ren wa&#x0364;hrend die&#x017F;es Huf&#x017F;chlages,<lb/>
wenn wir nur das Zeug dazu in uns ha&#x0364;tten,<lb/>
lieber Mann! Doch alles Pre&#x017F;&#x017F;iren oder Zo&#x0364;gern<lb/>
hilft da nichts, Alles hat &#x017F;eine bequemliche Er¬<lb/>
fu&#x0364;llung und wir ko&#x0364;nnen uns ganz gema&#x0364;chlich Zeit<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en mit un&#x017F;erem Traum, er i&#x017F;t was er i&#x017F;t und<lb/>
dauert einen Schlag und nicht mehr noch min¬<lb/>
der!« &#x017F;agte das Pferd.</p><lb/>
        <p>»Gut, &#x017F;o beantworte mir ohne An&#x017F;tand noch<lb/>
die&#x017F;e Frage!« erwiederte Heinrich, »ich muß mir<lb/>
aber die Frage er&#x017F;t noch ein wenig zurechtlegen<lb/>
und deutlich abfa&#x017F;&#x017F;en: denn ich weiß nicht recht,<lb/>
wie ich mich ausdru&#x0364;cken &#x017F;oll. Bereite Dich in¬<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en, da wir, wie Du &#x017F;ag&#x017F;t, ausreichende Trau¬<lb/>
meszeit haben, recht gru&#x0364;ndlich auf die Beant¬<lb/>
wortung vor!«</p><lb/>
        <p>»Wie kann ich mich zur Antwort vorbereiten,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[247/0257] und wenn der ſehr richtig denkende Pſalmiſt den Herrn ſeinen Gott anſchrie: Tauſend Jahre ſind vor Dir wie ein Augenblick! ſo iſt dieſe gut be¬ gruͤndete Hypotheſe von hinten geleſen eine und dieſelbe Wahrheit: Ein Augenblick iſt wie tauſend Jahre! Wir koͤnnten noch tauſendmal mehr ſehen und hoͤren waͤhrend dieſes Hufſchlages, wenn wir nur das Zeug dazu in uns haͤtten, lieber Mann! Doch alles Preſſiren oder Zoͤgern hilft da nichts, Alles hat ſeine bequemliche Er¬ fuͤllung und wir koͤnnen uns ganz gemaͤchlich Zeit laſſen mit unſerem Traum, er iſt was er iſt und dauert einen Schlag und nicht mehr noch min¬ der!« ſagte das Pferd. »Gut, ſo beantworte mir ohne Anſtand noch dieſe Frage!« erwiederte Heinrich, »ich muß mir aber die Frage erſt noch ein wenig zurechtlegen und deutlich abfaſſen: denn ich weiß nicht recht, wie ich mich ausdruͤcken ſoll. Bereite Dich in¬ deſſen, da wir, wie Du ſagſt, ausreichende Trau¬ meszeit haben, recht gruͤndlich auf die Beant¬ wortung vor!« »Wie kann ich mich zur Antwort vorbereiten,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/257
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/257>, abgerufen am 24.04.2024.