über den Rhein gebracht hast. Mithin magst Du fernere Fragen Dir nur selbst beantworten aus der allerersten Hand!"
"Ha! Du widerspenstige Bestie!" schrie Hein¬ rich in anthropologischem Zorne und spornte das Pferd heftig, "um so mehr, undankbarer Klepper, bist Du mir zu Red' und Antwort verpflichtet, da ich Dich aus meinem so sauer ergänzten Blute erzeugen und diesen Traum lang speisen und unter¬ halten muß!"
"Hat auch was Rechtes auf sich!" erwiederte das Pferd ganz gelassen. "Dieses ganze Gespräch, überhaupt unsere ganze werthe Bekanntschaft ist das Werk und die Dauer von kaum zwei Secun¬ den und kostet doch wohl kaum einen Hauch von Deinem geehrten Körperlichen"
"Wie, zwei Secunden?" rief Heinrich und hielt das schöne Goldthier an, "ist es nicht wenig¬ stens eine Stunde, daß wir auf dieser endlosen Brücke reiten und uns umsehen in dem Ge¬ tümmel?"
"Gerade eine Secunde ist's," sagte der Gaul, "daß ein berittener Nachtwächter um die Straßen¬
uͤber den Rhein gebracht haſt. Mithin magſt Du fernere Fragen Dir nur ſelbſt beantworten aus der allererſten Hand!«
»Ha! Du widerſpenſtige Beſtie!« ſchrie Hein¬ rich in anthropologiſchem Zorne und ſpornte das Pferd heftig, »um ſo mehr, undankbarer Klepper, biſt Du mir zu Red' und Antwort verpflichtet, da ich Dich aus meinem ſo ſauer ergaͤnzten Blute erzeugen und dieſen Traum lang ſpeiſen und unter¬ halten muß!«
»Hat auch was Rechtes auf ſich!« erwiederte das Pferd ganz gelaſſen. »Dieſes ganze Geſpraͤch, uͤberhaupt unſere ganze werthe Bekanntſchaft iſt das Werk und die Dauer von kaum zwei Secun¬ den und koſtet doch wohl kaum einen Hauch von Deinem geehrten Koͤrperlichen«
»Wie, zwei Secunden?« rief Heinrich und hielt das ſchoͤne Goldthier an, »iſt es nicht wenig¬ ſtens eine Stunde, daß wir auf dieſer endloſen Bruͤcke reiten und uns umſehen in dem Ge¬ tuͤmmel?«
»Gerade eine Secunde iſt's,« ſagte der Gaul, »daß ein berittener Nachtwaͤchter um die Straßen¬
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uͤber den Rhein gebracht haſt. Mithin magſt
Du fernere Fragen Dir nur ſelbſt beantworten
aus der allererſten Hand!«
»Ha! Du widerſpenſtige Beſtie!« ſchrie Hein¬
rich in anthropologiſchem Zorne und ſpornte das
Pferd heftig, »um ſo mehr, undankbarer Klepper,
biſt Du mir zu Red' und Antwort verpflichtet,
da ich Dich aus meinem ſo ſauer ergaͤnzten Blute
erzeugen und dieſen Traum lang ſpeiſen und unter¬
halten muß!«
»Hat auch was Rechtes auf ſich!« erwiederte
das Pferd ganz gelaſſen. »Dieſes ganze Geſpraͤch,
uͤberhaupt unſere ganze werthe Bekanntſchaft iſt
das Werk und die Dauer von kaum zwei Secun¬
den und koſtet doch wohl kaum einen Hauch von
Deinem geehrten Koͤrperlichen«
»Wie, zwei Secunden?« rief Heinrich und
hielt das ſchoͤne Goldthier an, »iſt es nicht wenig¬
ſtens eine Stunde, daß wir auf dieſer endloſen
Bruͤcke reiten und uns umſehen in dem Ge¬
tuͤmmel?«
»Gerade eine Secunde iſt's,« ſagte der Gaul,
»daß ein berittener Nachtwaͤchter um die Straßen¬
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/255>, abgerufen am 19.04.2024.
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