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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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das geschehen, sah Heinrich, daß der Tyrann vom
Fenster eine große Zeichnung weggenommen hatte,
so daß der essende Heinrich in der Spelunke recht
sichtbar wurde, und er grüßte dabei mit seiner
Zipfelmütze grinsend nach allen Seiten, um die
Leute aufmerksam zu machen und herbeizuziehen.
Ueber dieses sonderbare Vergnügen des Männ¬
chens mußte endlich Heinrich so herzlich lachen,
daß er ganz aufgeweckt wurde und in seiner
Freude dem Alten die Zipfelmütze abriß und sich
selbst aufsetzte. Zugleich trat aber auf dem kah¬
len Schädel des Alten eine seltsame Erhöhung
oder runder Wulst zu Tage, ein hügelartiger
Auswuchs des Knochens, und auf dieser einsam
ragenden Extrakuppe ein stehen gebliebenes Wäld¬
chen grauer Haare, was einen höchst lächerlichen
Anblick gewährte. Die zornige Verlegenheit des
also Beschaffenen bewies, daß dieses sein Ge¬
heimniß und seine schwache Seite war; aber
Heinrich hatte ihm, als er dies gesehen, unwill¬
kürlich die Zipfelmütze so blitzschnell wieder auf¬
gesetzt und gerieth selbst in so harmlose Mitver¬
legenheit, daß der Alte sich halb schmunzelnd, halb

das geſchehen, ſah Heinrich, daß der Tyrann vom
Fenſter eine große Zeichnung weggenommen hatte,
ſo daß der eſſende Heinrich in der Spelunke recht
ſichtbar wurde, und er gruͤßte dabei mit ſeiner
Zipfelmuͤtze grinſend nach allen Seiten, um die
Leute aufmerkſam zu machen und herbeizuziehen.
Ueber dieſes ſonderbare Vergnuͤgen des Maͤnn¬
chens mußte endlich Heinrich ſo herzlich lachen,
daß er ganz aufgeweckt wurde und in ſeiner
Freude dem Alten die Zipfelmuͤtze abriß und ſich
ſelbſt aufſetzte. Zugleich trat aber auf dem kah¬
len Schaͤdel des Alten eine ſeltſame Erhoͤhung
oder runder Wulſt zu Tage, ein huͤgelartiger
Auswuchs des Knochens, und auf dieſer einſam
ragenden Extrakuppe ein ſtehen gebliebenes Waͤld¬
chen grauer Haare, was einen hoͤchſt laͤcherlichen
Anblick gewaͤhrte. Die zornige Verlegenheit des
alſo Beſchaffenen bewies, daß dieſes ſein Ge¬
heimniß und ſeine ſchwache Seite war; aber
Heinrich hatte ihm, als er dies geſehen, unwill¬
kuͤrlich die Zipfelmuͤtze ſo blitzſchnell wieder auf¬
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[183/0193] das geſchehen, ſah Heinrich, daß der Tyrann vom Fenſter eine große Zeichnung weggenommen hatte, ſo daß der eſſende Heinrich in der Spelunke recht ſichtbar wurde, und er gruͤßte dabei mit ſeiner Zipfelmuͤtze grinſend nach allen Seiten, um die Leute aufmerkſam zu machen und herbeizuziehen. Ueber dieſes ſonderbare Vergnuͤgen des Maͤnn¬ chens mußte endlich Heinrich ſo herzlich lachen, daß er ganz aufgeweckt wurde und in ſeiner Freude dem Alten die Zipfelmuͤtze abriß und ſich ſelbſt aufſetzte. Zugleich trat aber auf dem kah¬ len Schaͤdel des Alten eine ſeltſame Erhoͤhung oder runder Wulſt zu Tage, ein huͤgelartiger Auswuchs des Knochens, und auf dieſer einſam ragenden Extrakuppe ein ſtehen gebliebenes Waͤld¬ chen grauer Haare, was einen hoͤchſt laͤcherlichen Anblick gewaͤhrte. Die zornige Verlegenheit des alſo Beſchaffenen bewies, daß dieſes ſein Ge¬ heimniß und ſeine ſchwache Seite war; aber Heinrich hatte ihm, als er dies geſehen, unwill¬ kuͤrlich die Zipfelmuͤtze ſo blitzſchnell wieder auf¬ geſetzt und gerieth ſelbſt in ſo harmloſe Mitver¬ legenheit, daß der Alte ſich halb ſchmunzelnd, halb

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/193>, abgerufen am 29.03.2024.