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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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viel es sein muß, und ebenso diene Deinen Freun¬
den, ohne zu rechnen, und alsdann trachte, für
Deine Schulden aufzukommen, Verluste verschmer¬
zen oder zu dem Deinigen gelangen zu können,
ohne zu wanken und ohne schimpflichen Zank;
denn nicht nur der Schuldner, der seine Verpflich¬
tungen einhält, sondern auch der Gläubiger, der
ohne Zank dennoch zu dem Seinigen kommt,
beweist, daß er ein wohlbestellter Mann ist, wel¬
cher Ehrgefühl um sich verbreitet. Bitte Keinen
zweimal, der Dir nicht borgen will, und laß Dich
eben so wenig drängen; denke immer, daß Deine
Ehre an die Bezahlung der Schulden geknüpft
sei, oder vielmehr denke das nicht einmal, denke
an gar nichts, als daß so und so viel zu bezahlen
sei; aber hüte Dich, über einen Anderen, der Dir
ein gegebenes Versprechen nicht einhalten kann,
sogleich den Stab zu brechen und Dich auf seine
Ehre zu berufen Nach dem Maße aber, in wel¬
chem Du Dich in Verpflichtungen begiebst und
Deine in Dir selbst liegenden Kräfte dabei in
Erwägung ziehst, wirst Du erfahren, ob Du Dich
überhaupt unter- oder überschätzest, und wenn

viel es ſein muß, und ebenſo diene Deinen Freun¬
den, ohne zu rechnen, und alsdann trachte, fuͤr
Deine Schulden aufzukommen, Verluſte verſchmer¬
zen oder zu dem Deinigen gelangen zu koͤnnen,
ohne zu wanken und ohne ſchimpflichen Zank;
denn nicht nur der Schuldner, der ſeine Verpflich¬
tungen einhaͤlt, ſondern auch der Glaͤubiger, der
ohne Zank dennoch zu dem Seinigen kommt,
beweiſt, daß er ein wohlbeſtellter Mann iſt, wel¬
cher Ehrgefuͤhl um ſich verbreitet. Bitte Keinen
zweimal, der Dir nicht borgen will, und laß Dich
eben ſo wenig draͤngen; denke immer, daß Deine
Ehre an die Bezahlung der Schulden geknuͤpft
ſei, oder vielmehr denke das nicht einmal, denke
an gar nichts, als daß ſo und ſo viel zu bezahlen
ſei; aber huͤte Dich, uͤber einen Anderen, der Dir
ein gegebenes Verſprechen nicht einhalten kann,
ſogleich den Stab zu brechen und Dich auf ſeine
Ehre zu berufen Nach dem Maße aber, in wel¬
chem Du Dich in Verpflichtungen begiebſt und
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[137/0147] viel es ſein muß, und ebenſo diene Deinen Freun¬ den, ohne zu rechnen, und alsdann trachte, fuͤr Deine Schulden aufzukommen, Verluſte verſchmer¬ zen oder zu dem Deinigen gelangen zu koͤnnen, ohne zu wanken und ohne ſchimpflichen Zank; denn nicht nur der Schuldner, der ſeine Verpflich¬ tungen einhaͤlt, ſondern auch der Glaͤubiger, der ohne Zank dennoch zu dem Seinigen kommt, beweiſt, daß er ein wohlbeſtellter Mann iſt, wel¬ cher Ehrgefuͤhl um ſich verbreitet. Bitte Keinen zweimal, der Dir nicht borgen will, und laß Dich eben ſo wenig draͤngen; denke immer, daß Deine Ehre an die Bezahlung der Schulden geknuͤpft ſei, oder vielmehr denke das nicht einmal, denke an gar nichts, als daß ſo und ſo viel zu bezahlen ſei; aber huͤte Dich, uͤber einen Anderen, der Dir ein gegebenes Verſprechen nicht einhalten kann, ſogleich den Stab zu brechen und Dich auf ſeine Ehre zu berufen Nach dem Maße aber, in wel¬ chem Du Dich in Verpflichtungen begiebſt und Deine in Dir ſelbſt liegenden Kraͤfte dabei in Erwaͤgung ziehſt, wirſt Du erfahren, ob Du Dich uͤberhaupt unter- oder uͤberſchaͤtzeſt, und wenn

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/147>, abgerufen am 25.04.2024.