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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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Als er es entworfen hatte, ersuchte er einen
Künstler, welchem er vom Sehen einigermaßen
bekannt war, ihn einmal mit seinem Besuch zu
beehren und seines guten Rathes theilhaftig zu
machen. Der Künstler, ein stattlicher verheira¬
theter Mann mit einem ansehnlichen Leibe, war
einer von denen, die in der Wolle sitzen, und
er verdiente es auch vollkommen; denn er war ein
gesunder und meisterhafter Kumpan und schritt
mit seinen schön und energisch gemalten Bildern,
die von selbst eine glänzende Kritik alles Schwäch¬
lichen waren, rüstig über den krabbelnden und
kletternden Anspruch des gedankenlosen Haufens
hinweg. Sein Wahlspruch war: "Erst etwas
recht lernen und dann gute Musik machen! Nichts
trübseliger, als allerlei lernen und dann schlecht
musiciren!"

Es war seit Jahren das erste Mal, daß ein
erfahrener Meister wieder Heinrich's Arbeit berieth
und kritisirte, und dieser fand alle Ursache, über
sein eigenes Ungeschick zu erstaunen, als der Mann
in seinem Entwürfe herumwirthschaftete und den¬
selben so trefflich behandelte und zusammenrückte,

Als er es entworfen hatte, erſuchte er einen
Kuͤnſtler, welchem er vom Sehen einigermaßen
bekannt war, ihn einmal mit ſeinem Beſuch zu
beehren und ſeines guten Rathes theilhaftig zu
machen. Der Kuͤnſtler, ein ſtattlicher verheira¬
theter Mann mit einem anſehnlichen Leibe, war
einer von denen, die in der Wolle ſitzen, und
er verdiente es auch vollkommen; denn er war ein
geſunder und meiſterhafter Kumpan und ſchritt
mit ſeinen ſchoͤn und energiſch gemalten Bildern,
die von ſelbſt eine glaͤnzende Kritik alles Schwaͤch¬
lichen waren, ruͤſtig uͤber den krabbelnden und
kletternden Anſpruch des gedankenloſen Haufens
hinweg. Sein Wahlſpruch war: »Erſt etwas
recht lernen und dann gute Muſik machen! Nichts
truͤbſeliger, als allerlei lernen und dann ſchlecht
muſiciren!«

Es war ſeit Jahren das erſte Mal, daß ein
erfahrener Meiſter wieder Heinrich's Arbeit berieth
und kritiſirte, und dieſer fand alle Urſache, uͤber
ſein eigenes Ungeſchick zu erſtaunen, als der Mann
in ſeinem Entwuͤrfe herumwirthſchaftete und den¬
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[126/0136] Als er es entworfen hatte, erſuchte er einen Kuͤnſtler, welchem er vom Sehen einigermaßen bekannt war, ihn einmal mit ſeinem Beſuch zu beehren und ſeines guten Rathes theilhaftig zu machen. Der Kuͤnſtler, ein ſtattlicher verheira¬ theter Mann mit einem anſehnlichen Leibe, war einer von denen, die in der Wolle ſitzen, und er verdiente es auch vollkommen; denn er war ein geſunder und meiſterhafter Kumpan und ſchritt mit ſeinen ſchoͤn und energiſch gemalten Bildern, die von ſelbſt eine glaͤnzende Kritik alles Schwaͤch¬ lichen waren, ruͤſtig uͤber den krabbelnden und kletternden Anſpruch des gedankenloſen Haufens hinweg. Sein Wahlſpruch war: »Erſt etwas recht lernen und dann gute Muſik machen! Nichts truͤbſeliger, als allerlei lernen und dann ſchlecht muſiciren!« Es war ſeit Jahren das erſte Mal, daß ein erfahrener Meiſter wieder Heinrich's Arbeit berieth und kritiſirte, und dieſer fand alle Urſache, uͤber ſein eigenes Ungeſchick zu erſtaunen, als der Mann in ſeinem Entwuͤrfe herumwirthſchaftete und den¬ ſelben ſo trefflich behandelte und zuſammenruͤckte,

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/136>, abgerufen am 23.04.2024.