Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

und wenn man ganz absieht von seiner geistigen
Erbschaft, welche er der Welt hinterlassen, so muß
man erstaunen über die materielle Bewegung,
über den bloß leiblichen Nutzen, den er durch das
bloße treue Hervorkehren seines geistigen Ideales
hinterließ. So weit die deutsche Sprache reicht,
ist in den Städten kaum ein Haus, in welchem
nicht seine Werke ein- oder mehrfach auf Gesims
und Schränken stehen, und in Dörfern wenigstens
in einem oder zwei Häusern. Je weiter aber
die Bildung der Nation sich verbreitet, desto grö¬
ßer wird die jetzt schon ungeheure Vervielfältigung
dieser Werke werden und zuletzt in die niederste
Hütte dringen. Hundert Geschäftshungrige
lauern nur auf das Erlöschen des Privilegiums,
um die edle Lebensarbeit Schiller's so massenhaft
und wohlfeil zu verbreiten, wie die Bibel, und
der umfangreiche leibliche Erwerb, der während
der ersten Hälfte eines Jahrhunderts stattgefun¬
den, wird während der zweiten Hälfte derselben
um das Doppelte wachsen und vielleicht im kom¬
menden Jahrhundert noch einmal um das Dop¬
pelte. Welch' eine Menge von Papiermachern,

und wenn man ganz abſieht von ſeiner geiſtigen
Erbſchaft, welche er der Welt hinterlaſſen, ſo muß
man erſtaunen uͤber die materielle Bewegung,
uͤber den bloß leiblichen Nutzen, den er durch das
bloße treue Hervorkehren ſeines geiſtigen Ideales
hinterließ. So weit die deutſche Sprache reicht,
iſt in den Staͤdten kaum ein Haus, in welchem
nicht ſeine Werke ein- oder mehrfach auf Geſims
und Schraͤnken ſtehen, und in Doͤrfern wenigſtens
in einem oder zwei Haͤuſern. Je weiter aber
die Bildung der Nation ſich verbreitet, deſto groͤ¬
ßer wird die jetzt ſchon ungeheure Vervielfaͤltigung
dieſer Werke werden und zuletzt in die niederſte
Huͤtte dringen. Hundert Geſchaͤftshungrige
lauern nur auf das Erloͤſchen des Privilegiums,
um die edle Lebensarbeit Schiller's ſo maſſenhaft
und wohlfeil zu verbreiten, wie die Bibel, und
der umfangreiche leibliche Erwerb, der waͤhrend
der erſten Haͤlfte eines Jahrhunderts ſtattgefun¬
den, wird waͤhrend der zweiten Haͤlfte derſelben
um das Doppelte wachſen und vielleicht im kom¬
menden Jahrhundert noch einmal um das Dop¬
pelte. Welch' eine Menge von Papiermachern,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0130" n="120"/>
und wenn man ganz ab&#x017F;ieht von &#x017F;einer gei&#x017F;tigen<lb/>
Erb&#x017F;chaft, welche er der Welt hinterla&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o muß<lb/>
man er&#x017F;taunen u&#x0364;ber die materielle Bewegung,<lb/>
u&#x0364;ber den bloß leiblichen Nutzen, den er durch das<lb/>
bloße treue Hervorkehren &#x017F;eines gei&#x017F;tigen Ideales<lb/>
hinterließ. So weit die deut&#x017F;che Sprache reicht,<lb/>
i&#x017F;t in den Sta&#x0364;dten kaum ein Haus, in welchem<lb/>
nicht &#x017F;eine Werke ein- oder mehrfach auf Ge&#x017F;ims<lb/>
und Schra&#x0364;nken &#x017F;tehen, und in Do&#x0364;rfern wenig&#x017F;tens<lb/>
in einem oder zwei Ha&#x0364;u&#x017F;ern. Je weiter aber<lb/>
die Bildung der Nation &#x017F;ich verbreitet, de&#x017F;to gro&#x0364;¬<lb/>
ßer wird die jetzt &#x017F;chon ungeheure Vervielfa&#x0364;ltigung<lb/>
die&#x017F;er Werke werden und zuletzt in die nieder&#x017F;te<lb/>
Hu&#x0364;tte dringen. Hundert Ge&#x017F;cha&#x0364;ftshungrige<lb/>
lauern nur auf das Erlo&#x0364;&#x017F;chen des Privilegiums,<lb/>
um die edle Lebensarbeit Schiller's &#x017F;o ma&#x017F;&#x017F;enhaft<lb/>
und wohlfeil zu verbreiten, wie die Bibel, und<lb/>
der umfangreiche leibliche Erwerb, der wa&#x0364;hrend<lb/>
der er&#x017F;ten Ha&#x0364;lfte eines Jahrhunderts &#x017F;tattgefun¬<lb/>
den, wird wa&#x0364;hrend der zweiten Ha&#x0364;lfte der&#x017F;elben<lb/>
um das Doppelte wach&#x017F;en und vielleicht im kom¬<lb/>
menden Jahrhundert noch einmal um das Dop¬<lb/>
pelte. Welch' eine Menge von Papiermachern,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0130] und wenn man ganz abſieht von ſeiner geiſtigen Erbſchaft, welche er der Welt hinterlaſſen, ſo muß man erſtaunen uͤber die materielle Bewegung, uͤber den bloß leiblichen Nutzen, den er durch das bloße treue Hervorkehren ſeines geiſtigen Ideales hinterließ. So weit die deutſche Sprache reicht, iſt in den Staͤdten kaum ein Haus, in welchem nicht ſeine Werke ein- oder mehrfach auf Geſims und Schraͤnken ſtehen, und in Doͤrfern wenigſtens in einem oder zwei Haͤuſern. Je weiter aber die Bildung der Nation ſich verbreitet, deſto groͤ¬ ßer wird die jetzt ſchon ungeheure Vervielfaͤltigung dieſer Werke werden und zuletzt in die niederſte Huͤtte dringen. Hundert Geſchaͤftshungrige lauern nur auf das Erloͤſchen des Privilegiums, um die edle Lebensarbeit Schiller's ſo maſſenhaft und wohlfeil zu verbreiten, wie die Bibel, und der umfangreiche leibliche Erwerb, der waͤhrend der erſten Haͤlfte eines Jahrhunderts ſtattgefun¬ den, wird waͤhrend der zweiten Haͤlfte derſelben um das Doppelte wachſen und vielleicht im kom¬ menden Jahrhundert noch einmal um das Dop¬ pelte. Welch' eine Menge von Papiermachern,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/130
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/130>, abgerufen am 16.04.2024.