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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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nennen ihre Thätigkeit gewiß nicht minder Arbeit,
wenn sie aus ihrem Comptoir kommen, als ein
Rothschild die seinige. Hier sind der speculative
Einfall, oder was die Unternehmer wahrscheinlich
die Idee nennen, und die Mühe, die wirklichste
Arbeit verbunden; es wird gewirkt und genützt
im vollen Maße und wohl Niemandem was ge¬
schadet, und doch ist das Ganze ein scandalöser
Schwindel und sein Kern eine hohle Nuß, indem
die Hauptsache, der vorgegebene Zweck, die Ei¬
genschaft des Gegenstandes dieser ganzen Thätig¬
keit eine offenkundige Täuschung ist, und dessen¬
ungeachtet doch wieder der Chef dieser ungeheu¬
ren Blase der Zeit in seiner Umgebung so geach¬
tet und geschätzt, wie jeder andere Geschäftsmann.
Wo liegt hier die Ehre und wo die Schande?
Dies ist aber nur ein grobes Beispiel aus dem
gröberen Weltverkehr. Es wird Revalenta
arabica gemacht in Kunst und Wissenschaft, in
Theologie und Politik, in Philosophie und bür¬
gerlicher Ehre aller Art, nur mit dem Unterschied,
daß es nicht immer so unschädliches Bohnenmehl
ist, aber mit dergleichen räthselhafter Vermischung

nennen ihre Thaͤtigkeit gewiß nicht minder Arbeit,
wenn ſie aus ihrem Comptoir kommen, als ein
Rothſchild die ſeinige. Hier ſind der ſpeculative
Einfall, oder was die Unternehmer wahrſcheinlich
die Idee nennen, und die Muͤhe, die wirklichſte
Arbeit verbunden; es wird gewirkt und genuͤtzt
im vollen Maße und wohl Niemandem was ge¬
ſchadet, und doch iſt das Ganze ein ſcandaloͤſer
Schwindel und ſein Kern eine hohle Nuß, indem
die Hauptſache, der vorgegebene Zweck, die Ei¬
genſchaft des Gegenſtandes dieſer ganzen Thaͤtig¬
keit eine offenkundige Taͤuſchung iſt, und deſſen¬
ungeachtet doch wieder der Chef dieſer ungeheu¬
ren Blaſe der Zeit in ſeiner Umgebung ſo geach¬
tet und geſchaͤtzt, wie jeder andere Geſchaͤftsmann.
Wo liegt hier die Ehre und wo die Schande?
Dies iſt aber nur ein grobes Beiſpiel aus dem
groͤberen Weltverkehr. Es wird Revalenta
arabica gemacht in Kunſt und Wiſſenſchaft, in
Theologie und Politik, in Philoſophie und buͤr¬
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[117/0127] nennen ihre Thaͤtigkeit gewiß nicht minder Arbeit, wenn ſie aus ihrem Comptoir kommen, als ein Rothſchild die ſeinige. Hier ſind der ſpeculative Einfall, oder was die Unternehmer wahrſcheinlich die Idee nennen, und die Muͤhe, die wirklichſte Arbeit verbunden; es wird gewirkt und genuͤtzt im vollen Maße und wohl Niemandem was ge¬ ſchadet, und doch iſt das Ganze ein ſcandaloͤſer Schwindel und ſein Kern eine hohle Nuß, indem die Hauptſache, der vorgegebene Zweck, die Ei¬ genſchaft des Gegenſtandes dieſer ganzen Thaͤtig¬ keit eine offenkundige Taͤuſchung iſt, und deſſen¬ ungeachtet doch wieder der Chef dieſer ungeheu¬ ren Blaſe der Zeit in ſeiner Umgebung ſo geach¬ tet und geſchaͤtzt, wie jeder andere Geſchaͤftsmann. Wo liegt hier die Ehre und wo die Schande? Dies iſt aber nur ein grobes Beiſpiel aus dem groͤberen Weltverkehr. Es wird Revalenta arabica gemacht in Kunſt und Wiſſenſchaft, in Theologie und Politik, in Philoſophie und buͤr¬ gerlicher Ehre aller Art, nur mit dem Unterſchied, daß es nicht immer ſo unſchaͤdliches Bohnenmehl iſt, aber mit dergleichen raͤthſelhafter Vermiſchung

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/127>, abgerufen am 23.04.2024.