Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

der zwecklosen Unruh- und Zwietrachtserregung,
die ihr närrisches Gebahren hervorbringt!

Weil die Reformation ihrer Zeit und Mög¬
lichkeit nach eine Halbheit war, so entstand durch
ihre Bewegung sogleich der Jesuitismus, um den
leeren Raum zu füllen; oder vielmehr war er
selbst eine leere Löwenhaut, in welche sich, dem
wirklichen Löwen der Reformation gegenüber,
andere Thiere steckten, vom Esel an bis zum
Wolf und Tiger, und selbst wenn sich ein löwen¬
artiges Thier darin verbarg, so hob sich dieses
selbst wieder auf durch die doppelte Haut, wie
zwei Nein sich aufheben oder zwei Ja wirkungs¬
los und matt werden.

Diese Löwenhaut ist eben die Methode, die
Verfassung, die Weltverbreitung, das scheinbare
Gelingen der Jesuiten, und das tragikomische
Schicksal dieses gewaltigen Balges ohne ein ein¬
gewachsenes, eigenthümliches Thier hat ein neue¬
rer Schriftsteller wohl bezeichnet, wenn er sagt
"dadurch, daß der Jesuitismus in die weltliche
Gesellschaft eintritt und sich mit ihr vereinigt,
wird er unfähig, sich von ihr loszumachen,

der zweckloſen Unruh- und Zwietrachtserregung,
die ihr naͤrriſches Gebahren hervorbringt!

Weil die Reformation ihrer Zeit und Moͤg¬
lichkeit nach eine Halbheit war, ſo entſtand durch
ihre Bewegung ſogleich der Jeſuitismus, um den
leeren Raum zu fuͤllen; oder vielmehr war er
ſelbſt eine leere Loͤwenhaut, in welche ſich, dem
wirklichen Loͤwen der Reformation gegenuͤber,
andere Thiere ſteckten, vom Eſel an bis zum
Wolf und Tiger, und ſelbſt wenn ſich ein loͤwen¬
artiges Thier darin verbarg, ſo hob ſich dieſes
ſelbſt wieder auf durch die doppelte Haut, wie
zwei Nein ſich aufheben oder zwei Ja wirkungs¬
los und matt werden.

Dieſe Loͤwenhaut iſt eben die Methode, die
Verfaſſung, die Weltverbreitung, das ſcheinbare
Gelingen der Jeſuiten, und das tragikomiſche
Schickſal dieſes gewaltigen Balges ohne ein ein¬
gewachſenes, eigenthuͤmliches Thier hat ein neue¬
rer Schriftſteller wohl bezeichnet, wenn er ſagt
»dadurch, daß der Jeſuitismus in die weltliche
Geſellſchaft eintritt und ſich mit ihr vereinigt,
wird er unfaͤhig, ſich von ihr loszumachen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0104" n="94"/>
der zwecklo&#x017F;en Unruh- und Zwietrachtserregung,<lb/>
die ihr na&#x0364;rri&#x017F;ches Gebahren hervorbringt!</p><lb/>
        <p>Weil die Reformation ihrer Zeit und Mo&#x0364;<lb/>
lichkeit nach eine Halbheit war, &#x017F;o ent&#x017F;tand durch<lb/>
ihre Bewegung &#x017F;ogleich der Je&#x017F;uitismus, um den<lb/>
leeren Raum zu fu&#x0364;llen; oder vielmehr war er<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t eine leere Lo&#x0364;wenhaut, in welche &#x017F;ich, dem<lb/>
wirklichen Lo&#x0364;wen der Reformation gegenu&#x0364;ber,<lb/>
andere Thiere &#x017F;teckten, vom E&#x017F;el an bis zum<lb/>
Wolf und Tiger, und &#x017F;elb&#x017F;t wenn &#x017F;ich ein lo&#x0364;wen¬<lb/>
artiges Thier darin verbarg, &#x017F;o hob &#x017F;ich die&#x017F;es<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t wieder auf durch die doppelte Haut, wie<lb/>
zwei Nein &#x017F;ich aufheben oder zwei Ja wirkungs¬<lb/>
los und matt werden.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;e Lo&#x0364;wenhaut i&#x017F;t eben die Methode, die<lb/>
Verfa&#x017F;&#x017F;ung, die Weltverbreitung, das &#x017F;cheinbare<lb/>
Gelingen der Je&#x017F;uiten, und das tragikomi&#x017F;che<lb/>
Schick&#x017F;al die&#x017F;es gewaltigen Balges ohne ein ein¬<lb/>
gewach&#x017F;enes, eigenthu&#x0364;mliches Thier hat ein neue¬<lb/>
rer Schrift&#x017F;teller wohl bezeichnet, wenn er &#x017F;agt<lb/>
»dadurch, daß der Je&#x017F;uitismus in die weltliche<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft eintritt und &#x017F;ich mit ihr vereinigt,<lb/>
wird er unfa&#x0364;hig, &#x017F;ich von ihr loszumachen,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0104] der zweckloſen Unruh- und Zwietrachtserregung, die ihr naͤrriſches Gebahren hervorbringt! Weil die Reformation ihrer Zeit und Moͤg¬ lichkeit nach eine Halbheit war, ſo entſtand durch ihre Bewegung ſogleich der Jeſuitismus, um den leeren Raum zu fuͤllen; oder vielmehr war er ſelbſt eine leere Loͤwenhaut, in welche ſich, dem wirklichen Loͤwen der Reformation gegenuͤber, andere Thiere ſteckten, vom Eſel an bis zum Wolf und Tiger, und ſelbſt wenn ſich ein loͤwen¬ artiges Thier darin verbarg, ſo hob ſich dieſes ſelbſt wieder auf durch die doppelte Haut, wie zwei Nein ſich aufheben oder zwei Ja wirkungs¬ los und matt werden. Dieſe Loͤwenhaut iſt eben die Methode, die Verfaſſung, die Weltverbreitung, das ſcheinbare Gelingen der Jeſuiten, und das tragikomiſche Schickſal dieſes gewaltigen Balges ohne ein ein¬ gewachſenes, eigenthuͤmliches Thier hat ein neue¬ rer Schriftſteller wohl bezeichnet, wenn er ſagt »dadurch, daß der Jeſuitismus in die weltliche Geſellſchaft eintritt und ſich mit ihr vereinigt, wird er unfaͤhig, ſich von ihr loszumachen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/104
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/104>, abgerufen am 28.03.2024.