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Kant, Immanuel: Über Pädagogik. Königsberg, 1803.

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Baum aber, der auf dem Felde allein steht, wächst krumm, und breitet seine Aeste weit aus; ein Baum hingegen, der mitten im Walde stehet, wächst, weil die Bäume neben ihm widerstehen, gerade auf, und sucht Luft und Sonne über sich. So ist es auch mit den Fürsten. Doch ist es noch immer besser, daß sie von jemand aus der Zahl der Unterthanen erzogen werden, als wenn sie von Ihresgleichen erzogen würden: Das Gute dürfen wir also von oben her nur in dem Falle erwarten, daß die Erziehung dort, die vorzüglichere ist! Daher kommt es hier denn hauptsächlich auf Privatbemühungen an, und nicht sowohl auf das Zuthun der Fürsten, wie Basedow und Andere meynten, denn die Erfahrung lehrt es, daß sie zunächst nicht sowohl das Weltbeste, als vielmehr nur das Wohl ihres Staates zur Absicht haben, damit sie ihre Zwecke erreichen. Geben sie aber das Geld dazu her: so muß es ja ihnen auch anheimgestellt bleiben, dazu den Plan vorzuzeichnen. So ist es in Allem, was die Ausbildung des menschlichen Geistes, die Erweiterung menschlicher Kenntnisse betrifft. Macht und Geld schaffen es nicht, erleichtern es höchstens. Aber sie könnten es schaffen, wenn die Staatsöconomie nicht für die Reichskasse nur im Voraus die Zinsen berechnete. Auch Academieen thaten es bisher nicht, und daß sie es noch thun werden, dazu war der Anschein nie geringer, als jetzt.

Demnach sollte auch die Einrichtung der Schulen blos von dem Urtheile der aufgeklärtesten Kenner abhängen. Alle Kultur fängt von dem Privatmanne an, und breitet von daher sich aus. Blos durch die Bemühung der Personen von extendirten Neigungen, die Antheil an dem Weltbesten nehmen, und der Idee eines

Baum aber, der auf dem Felde allein steht, wächst krumm, und breitet seine Aeste weit aus; ein Baum hingegen, der mitten im Walde stehet, wächst, weil die Bäume neben ihm widerstehen, gerade auf, und sucht Luft und Sonne über sich. So ist es auch mit den Fürsten. Doch ist es noch immer besser, daß sie von jemand aus der Zahl der Unterthanen erzogen werden, als wenn sie von Ihresgleichen erzogen würden: Das Gute dürfen wir also von oben her nur in dem Falle erwarten, daß die Erziehung dort, die vorzüglichere ist! Daher kommt es hier denn hauptsächlich auf Privatbemühungen an, und nicht sowohl auf das Zuthun der Fürsten, wie Basedow und Andere meynten, denn die Erfahrung lehrt es, daß sie zunächst nicht sowohl das Weltbeste, als vielmehr nur das Wohl ihres Staates zur Absicht haben, damit sie ihre Zwecke erreichen. Geben sie aber das Geld dazu her: so muß es ja ihnen auch anheimgestellt bleiben, dazu den Plan vorzuzeichnen. So ist es in Allem, was die Ausbildung des menschlichen Geistes, die Erweiterung menschlicher Kenntnisse betrifft. Macht und Geld schaffen es nicht, erleichtern es höchstens. Aber sie könnten es schaffen, wenn die Staatsöconomie nicht für die Reichskasse nur im Voraus die Zinsen berechnete. Auch Academieen thaten es bisher nicht, und daß sie es noch thun werden, dazu war der Anschein nie geringer, als jetzt.

Demnach sollte auch die Einrichtung der Schulen blos von dem Urtheile der aufgeklärtesten Kenner abhängen. Alle Kultur fängt von dem Privatmanne an, und breitet von daher sich aus. Blos durch die Bemühung der Personen von extendirten Neigungen, die Antheil an dem Weltbesten nehmen, und der Idee eines

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[19/0019] Baum aber, der auf dem Felde allein steht, wächst krumm, und breitet seine Aeste weit aus; ein Baum hingegen, der mitten im Walde stehet, wächst, weil die Bäume neben ihm widerstehen, gerade auf, und sucht Luft und Sonne über sich. So ist es auch mit den Fürsten. Doch ist es noch immer besser, daß sie von jemand aus der Zahl der Unterthanen erzogen werden, als wenn sie von Ihresgleichen erzogen würden: Das Gute dürfen wir also von oben her nur in dem Falle erwarten, daß die Erziehung dort, die vorzüglichere ist! Daher kommt es hier denn hauptsächlich auf Privatbemühungen an, und nicht sowohl auf das Zuthun der Fürsten, wie Basedow und Andere meynten, denn die Erfahrung lehrt es, daß sie zunächst nicht sowohl das Weltbeste, als vielmehr nur das Wohl ihres Staates zur Absicht haben, damit sie ihre Zwecke erreichen. Geben sie aber das Geld dazu her: so muß es ja ihnen auch anheimgestellt bleiben, dazu den Plan vorzuzeichnen. So ist es in Allem, was die Ausbildung des menschlichen Geistes, die Erweiterung menschlicher Kenntnisse betrifft. Macht und Geld schaffen es nicht, erleichtern es höchstens. Aber sie könnten es schaffen, wenn die Staatsöconomie nicht für die Reichskasse nur im Voraus die Zinsen berechnete. Auch Academieen thaten es bisher nicht, und daß sie es noch thun werden, dazu war der Anschein nie geringer, als jetzt. Demnach sollte auch die Einrichtung der Schulen blos von dem Urtheile der aufgeklärtesten Kenner abhängen. Alle Kultur fängt von dem Privatmanne an, und breitet von daher sich aus. Blos durch die Bemühung der Personen von extendirten Neigungen, die Antheil an dem Weltbesten nehmen, und der Idee eines

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Über Pädagogik. Königsberg, 1803, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_paedagogik_1803/19>, abgerufen am 19.04.2024.