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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Der Admiral Adrian Pulido.
ebenso das in Litta's Werk mitgetheilte, welches der Graf Va-
lentini in Modena besass 1).

Von spätern Beziehungen unsers Malers zu dem Hof der
Este soll bei seiner zweiten italienischen Reise noch die Rede
sein.

Der Admiral Adrian Pulido.

Wo aber sind die Gestalten jener Spanier, die durch Tapfer-
keit und Grausamkeit, durch Hochmuth und Genie für Missregier-
ung einst der Schrecken der Völker waren, deren Hass nun über sie
kam? -- Es riecht im Werk des Velazquez weniger nach Pulver,
als man den Jahreszahlen nach erwarten sollte. Die brillantesten
Typen spanischer Generale und Gouverneure aus dieser Zeit, die
Leganes, Feria, Moncada, Bazan, Mirabel, Coloma, finden sich in
der Ikonographie van Dycks. Von den zahlreichen Figuren,
welche die kriegerischen Zeitläufte vorübergehend an die Ober-
fläche brachten, führte der Zufall nur wenige in das Atelier des
Hofmalers, und diese sind ziemlich obscure Personen, obwol einer
ein Grande ist.

Unstreitig das interessanteste Werk dieser Klasse ist das
Bildniss des Admirals Pulido, eins der äusserst seltenen Stücke,
die Velazquez bezeichnet und datirt hatte. Man ist dadurch in
den Stand gesetzt, über die Umstände seiner Entstehung Ver-
muthungen anzustellen. Das Jahr 1638 war so reich gewesen an
Erfolgen, dass das nachfolgende ganz mit deren Nachfeiern an-
gefüllt wurde, und unter den darauf bezüglichen Komödien in
Buen Retiro hiess eine: "Der Sieg von Fuenterrabia".

Der Versuch des Cardinal Richelieu, durch Wegnahme
eines Grenzplatzes den Krieg auf spanisches Gebiet hinüberzu-
spielen, und zwar ins unbesiegte Baskenland, versetzte den Hof
und die Nation in unbeschreibliche Aufregung. Der Einfall, sagt
der Jesuit Joseph Moret 2), wirkte wie ein starker Donnerschlag

1) Das Vorhandensein von Dokumenten über Velazquez im Archiv der Este
zu Modena hatte ich längst vermuthet und bei meiner Anwesenheit dort, im April
1875, dieselben auch durchforscht und kopirt, Dank der noch bei anderen Gelegenhei-
ten mir gewährten freundlichen Unterstützung des Sig. Cesare Foucard, Directors des
Archivs. Im Jahre 1881 erschien in der Nuova Antologia ein lesenswerther Artikel
von Prof. Adolfo Venturi, der auf diese Dokumente gegründet ist. Der Vermitt-
lung dieses verdienstvollen Kunstforschers verdanke ich auch eine schöne Zeichnung
des Porträts von Sig. Muzzioli, nach welcher der Holzschnitt gearbeitet ist.
2) Sitio de Fuente-Rabia que escribio en Latin el R. P. Joseph Moret C. J.

Der Admiral Adrian Pulido.
ebenso das in Litta’s Werk mitgetheilte, welches der Graf Va-
lentini in Modena besass 1).

Von spätern Beziehungen unsers Malers zu dem Hof der
Este soll bei seiner zweiten italienischen Reise noch die Rede
sein.

Der Admiral Adrian Pulido.

Wo aber sind die Gestalten jener Spanier, die durch Tapfer-
keit und Grausamkeit, durch Hochmuth und Genie für Missregier-
ung einst der Schrecken der Völker waren, deren Hass nun über sie
kam? — Es riecht im Werk des Velazquez weniger nach Pulver,
als man den Jahreszahlen nach erwarten sollte. Die brillantesten
Typen spanischer Generale und Gouverneure aus dieser Zeit, die
Leganés, Feria, Moncada, Bazan, Mirabel, Coloma, finden sich in
der Ikonographie van Dycks. Von den zahlreichen Figuren,
welche die kriegerischen Zeitläufte vorübergehend an die Ober-
fläche brachten, führte der Zufall nur wenige in das Atelier des
Hofmalers, und diese sind ziemlich obscure Personen, obwol einer
ein Grande ist.

Unstreitig das interessanteste Werk dieser Klasse ist das
Bildniss des Admirals Pulido, eins der äusserst seltenen Stücke,
die Velazquez bezeichnet und datirt hatte. Man ist dadurch in
den Stand gesetzt, über die Umstände seiner Entstehung Ver-
muthungen anzustellen. Das Jahr 1638 war so reich gewesen an
Erfolgen, dass das nachfolgende ganz mit deren Nachfeiern an-
gefüllt wurde, und unter den darauf bezüglichen Komödien in
Buen Retiro hiess eine: „Der Sieg von Fuenterrabia“.

Der Versuch des Cardinal Richelieu, durch Wegnahme
eines Grenzplatzes den Krieg auf spanisches Gebiet hinüberzu-
spielen, und zwar ins unbesiegte Baskenland, versetzte den Hof
und die Nation in unbeschreibliche Aufregung. Der Einfall, sagt
der Jesuit Joseph Moret 2), wirkte wie ein starker Donnerschlag

1) Das Vorhandensein von Dokumenten über Velazquez im Archiv der Este
zu Modena hatte ich längst vermuthet und bei meiner Anwesenheit dort, im April
1875, dieselben auch durchforscht und kopirt, Dank der noch bei anderen Gelegenhei-
ten mir gewährten freundlichen Unterstützung des Sig. Cesare Foucard, Directors des
Archivs. Im Jahre 1881 erschien in der Nuova Antologia ein lesenswerther Artikel
von Prof. Adolfo Venturi, der auf diese Dokumente gegründet ist. Der Vermitt-
lung dieses verdienstvollen Kunstforschers verdanke ich auch eine schöne Zeichnung
des Porträts von Sig. Muzzioli, nach welcher der Holzschnítt gearbeitet ist.
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[69/0089] Der Admiral Adrian Pulido. ebenso das in Litta’s Werk mitgetheilte, welches der Graf Va- lentini in Modena besass 1). Von spätern Beziehungen unsers Malers zu dem Hof der Este soll bei seiner zweiten italienischen Reise noch die Rede sein. Der Admiral Adrian Pulido. Wo aber sind die Gestalten jener Spanier, die durch Tapfer- keit und Grausamkeit, durch Hochmuth und Genie für Missregier- ung einst der Schrecken der Völker waren, deren Hass nun über sie kam? — Es riecht im Werk des Velazquez weniger nach Pulver, als man den Jahreszahlen nach erwarten sollte. Die brillantesten Typen spanischer Generale und Gouverneure aus dieser Zeit, die Leganés, Feria, Moncada, Bazan, Mirabel, Coloma, finden sich in der Ikonographie van Dycks. Von den zahlreichen Figuren, welche die kriegerischen Zeitläufte vorübergehend an die Ober- fläche brachten, führte der Zufall nur wenige in das Atelier des Hofmalers, und diese sind ziemlich obscure Personen, obwol einer ein Grande ist. Unstreitig das interessanteste Werk dieser Klasse ist das Bildniss des Admirals Pulido, eins der äusserst seltenen Stücke, die Velazquez bezeichnet und datirt hatte. Man ist dadurch in den Stand gesetzt, über die Umstände seiner Entstehung Ver- muthungen anzustellen. Das Jahr 1638 war so reich gewesen an Erfolgen, dass das nachfolgende ganz mit deren Nachfeiern an- gefüllt wurde, und unter den darauf bezüglichen Komödien in Buen Retiro hiess eine: „Der Sieg von Fuenterrabia“. Der Versuch des Cardinal Richelieu, durch Wegnahme eines Grenzplatzes den Krieg auf spanisches Gebiet hinüberzu- spielen, und zwar ins unbesiegte Baskenland, versetzte den Hof und die Nation in unbeschreibliche Aufregung. Der Einfall, sagt der Jesuit Joseph Moret 2), wirkte wie ein starker Donnerschlag 1) Das Vorhandensein von Dokumenten über Velazquez im Archiv der Este zu Modena hatte ich längst vermuthet und bei meiner Anwesenheit dort, im April 1875, dieselben auch durchforscht und kopirt, Dank der noch bei anderen Gelegenhei- ten mir gewährten freundlichen Unterstützung des Sig. Cesare Foucard, Directors des Archivs. Im Jahre 1881 erschien in der Nuova Antologia ein lesenswerther Artikel von Prof. Adolfo Venturi, der auf diese Dokumente gegründet ist. Der Vermitt- lung dieses verdienstvollen Kunstforschers verdanke ich auch eine schöne Zeichnung des Porträts von Sig. Muzzioli, nach welcher der Holzschnítt gearbeitet ist. 2) Sitio de Fuente-Rabia que escribio en Latin el R. P. Joseph Moret C. J.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/89>, abgerufen am 18.04.2024.