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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Der Herzog Franz von Este.

Hier scheint der Minister indess die Kunstliebe des Herzogs
nicht richtig taxirt zu haben. Nur für Olivares hat er ein Ge-
mälde mitgebracht. Er betrieb bereits die Erwerbung jener
Correggio's für seine Sammlung: der Hofmaler Boulanger von
Troyes erschien im selben Jahre im Minoritenkloster zu Correggio
(man hatte diess Fürstenthum so eben bekommen), mit dem Plan
die Madonna des h. Franciscus gegen eine Kopie einzu-
tauschen. Zwei Jahre später liess er die "Nacht" stehlen, 1649
eignete er sich die Madonna des h. Georg an. In demselben
Jahre war er in Venedig, Gemälde zu kaufen, "ohne dass er auf
den Preis sieht", wie der mediceische Agent, Paolo del Sera,
dem Grossherzog schreibt; der glaubt, dass diessmal auch der
Rest (die Widmanschen Sachen) "ausgetrocknet werden müsse" 1).

Der Herzog landete am 26. August in Barcelona. In Al-
cala empfing ihn der Marques de Torres, der ihm als erster Stall-
meister bestimmt war. Hier musste er elf Tage warten, weil man
sich über Punkte der Etikette nicht einigen konnte: Hoheit bean-
spruchte er, bloss Serenidad wollten die Granden gewähren. Am
23. September brach er nach der Hauptstadt auf, Olivares mit
den Herren des Hofs ritt ihm bis zum Bach Valnegral entgegen
und brachte ihn nach Buen Retiro, in die Ermita de la Mag-
dalena, wo er auch einen Marstall vorfand. In der Casa del
Tesoro wohnte damals die Prinzessin von Carignan. Der König
empfing ihn im Neuen Saal über dem Portal, vor einem grossen
Spiegel stehend, gelehnt an einen Sekretär von florentinischer
Mosaik. Don Francesco beugte das Knie, Philipp sagte: Como
venis, sobrino? levantaos
. (Wie geht es, Neffe; steht auf!) und ver-
barg die Hand im Wams, als jener sie zu küssen suchte. Wenn
sie zusammen ausgingen, legte er die Hand an seinen rechten
Arm. Der Eindruck war allgemein sehr günstig. Man sagte,
"das ist ein Spanier", weil er so schwarze Haare hatte (moreno).
"Er ist wirklich von schönem Aeussern, schreibt der toskanische
Minister, grossgewachsen, joviale Mienen, freundlich, lebhaft,
frank". Die alte Herzogin von Olivares "betete ihn an".

Nun drängte sich in wenigen Tagen alles zusammen, was
der Hof einem solchen Vetter zu zeigen hatte. Bei dem Ochsen-
fest auf der Plaza mayor erhielt er denselben bevorzugten Platz
wie der Prinz von Wales. Besonders bemerkt wurde als seltene

1) Correspondenz mit Ferdinand II. im medic. Archiv. Se ne diletta in estremo,
26. Dec. 1649.
II. 5
Der Herzog Franz von Este.

Hier scheint der Minister indess die Kunstliebe des Herzogs
nicht richtig taxirt zu haben. Nur für Olivares hat er ein Ge-
mälde mitgebracht. Er betrieb bereits die Erwerbung jener
Correggio’s für seine Sammlung: der Hofmaler Boulanger von
Troyes erschien im selben Jahre im Minoritenkloster zu Correggio
(man hatte diess Fürstenthum so eben bekommen), mit dem Plan
die Madonna des h. Franciscus gegen eine Kopie einzu-
tauschen. Zwei Jahre später liess er die „Nacht“ stehlen, 1649
eignete er sich die Madonna des h. Georg an. In demselben
Jahre war er in Venedig, Gemälde zu kaufen, „ohne dass er auf
den Preis sieht“, wie der mediceische Agent, Paolo del Sera,
dem Grossherzog schreibt; der glaubt, dass diessmal auch der
Rest (die Widmanschen Sachen) „ausgetrocknet werden müsse“ 1).

Der Herzog landete am 26. August in Barcelona. In Al-
calá empfing ihn der Marques de Torres, der ihm als erster Stall-
meister bestimmt war. Hier musste er elf Tage warten, weil man
sich über Punkte der Etikette nicht einigen konnte: Hoheit bean-
spruchte er, bloss Serenidad wollten die Granden gewähren. Am
23. September brach er nach der Hauptstadt auf, Olivares mit
den Herren des Hofs ritt ihm bis zum Bach Valnegral entgegen
und brachte ihn nach Buen Retiro, in die Ermita de la Mag-
dalena, wo er auch einen Marstall vorfand. In der Casa del
Tesoro wohnte damals die Prinzessin von Carignan. Der König
empfing ihn im Neuen Saal über dem Portal, vor einem grossen
Spiegel stehend, gelehnt an einen Sekretär von florentinischer
Mosaik. Don Francesco beugte das Knie, Philipp sagte: Como
venis, sobrino? levantaos
. (Wie geht es, Neffe; steht auf!) und ver-
barg die Hand im Wams, als jener sie zu küssen suchte. Wenn
sie zusammen ausgingen, legte er die Hand an seinen rechten
Arm. Der Eindruck war allgemein sehr günstig. Man sagte,
„das ist ein Spanier“, weil er so schwarze Haare hatte (moreno).
„Er ist wirklich von schönem Aeussern, schreibt der toskanische
Minister, grossgewachsen, joviale Mienen, freundlich, lebhaft,
frank“. Die alte Herzogin von Olivares „betete ihn an“.

Nun drängte sich in wenigen Tagen alles zusammen, was
der Hof einem solchen Vetter zu zeigen hatte. Bei dem Ochsen-
fest auf der Plaza mayor erhielt er denselben bevorzugten Platz
wie der Prinz von Wales. Besonders bemerkt wurde als seltene

1) Correspondenz mit Ferdinand II. im medic. Archiv. Se ne diletta in estremo,
26. Dec. 1649.
II. 5
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[65/0085] Der Herzog Franz von Este. Hier scheint der Minister indess die Kunstliebe des Herzogs nicht richtig taxirt zu haben. Nur für Olivares hat er ein Ge- mälde mitgebracht. Er betrieb bereits die Erwerbung jener Correggio’s für seine Sammlung: der Hofmaler Boulanger von Troyes erschien im selben Jahre im Minoritenkloster zu Correggio (man hatte diess Fürstenthum so eben bekommen), mit dem Plan die Madonna des h. Franciscus gegen eine Kopie einzu- tauschen. Zwei Jahre später liess er die „Nacht“ stehlen, 1649 eignete er sich die Madonna des h. Georg an. In demselben Jahre war er in Venedig, Gemälde zu kaufen, „ohne dass er auf den Preis sieht“, wie der mediceische Agent, Paolo del Sera, dem Grossherzog schreibt; der glaubt, dass diessmal auch der Rest (die Widmanschen Sachen) „ausgetrocknet werden müsse“ 1). Der Herzog landete am 26. August in Barcelona. In Al- calá empfing ihn der Marques de Torres, der ihm als erster Stall- meister bestimmt war. Hier musste er elf Tage warten, weil man sich über Punkte der Etikette nicht einigen konnte: Hoheit bean- spruchte er, bloss Serenidad wollten die Granden gewähren. Am 23. September brach er nach der Hauptstadt auf, Olivares mit den Herren des Hofs ritt ihm bis zum Bach Valnegral entgegen und brachte ihn nach Buen Retiro, in die Ermita de la Mag- dalena, wo er auch einen Marstall vorfand. In der Casa del Tesoro wohnte damals die Prinzessin von Carignan. Der König empfing ihn im Neuen Saal über dem Portal, vor einem grossen Spiegel stehend, gelehnt an einen Sekretär von florentinischer Mosaik. Don Francesco beugte das Knie, Philipp sagte: Como venis, sobrino? levantaos. (Wie geht es, Neffe; steht auf!) und ver- barg die Hand im Wams, als jener sie zu küssen suchte. Wenn sie zusammen ausgingen, legte er die Hand an seinen rechten Arm. Der Eindruck war allgemein sehr günstig. Man sagte, „das ist ein Spanier“, weil er so schwarze Haare hatte (moreno). „Er ist wirklich von schönem Aeussern, schreibt der toskanische Minister, grossgewachsen, joviale Mienen, freundlich, lebhaft, frank“. Die alte Herzogin von Olivares „betete ihn an“. Nun drängte sich in wenigen Tagen alles zusammen, was der Hof einem solchen Vetter zu zeigen hatte. Bei dem Ochsen- fest auf der Plaza mayor erhielt er denselben bevorzugten Platz wie der Prinz von Wales. Besonders bemerkt wurde als seltene 1) Correspondenz mit Ferdinand II. im medic. Archiv. Se ne diletta in estremo, 26. Dec. 1649. II. 5

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/85>, abgerufen am 25.04.2024.