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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Fünftes Buch.
Frankreich bestimmte catalonische Heer, oder Flandern, oder
Portugal, oder ein Flottenkommando. Ueberall hatte Testi Be-
denken und kam auf Neapel zurück; Olivares vertröstete: das
kommt dann später, als Ruheposten (Esto sara despues, por des-
canso
). Man entschied sich für die Flotte.

Der erfahrene Minister und Freund spielt nun die Rolle
des Polonius. Zunächst soll er das strengste Incognito bewahren;
ja gegen Niemanden von einer Einladung sprechen, wo möglich
ohne Wissen des Hofs abreisen. Die Reise ist sein selbsteigner
Einfall. Keine unruhigen Köpfe (cervelli torbidi) mitbringen,
mit französischen Neigungen, Spötter, Lästermäuler; hier kann
ein einziges Wort des ersten besten Lakaien alle Interessen für
immer ruiniren. Keine französischen Moden und Frisuren; um-
gelegte Kragen (valonas caydas), zwei einfache Campagneanzüge,
in Genua zu beschaffen, für Madrid ein schwarzes Sammtkleid;
in Knöpfen (jene Diamantknöpfe!) ist etwas Aufwand erlaubt.
Zwei Castorhüte, da kann die berühmte Diamantschnur ange-
bracht werden. Rüsten Sie sich aber auf viele Geschenke --
Ketten, Juwelen, Geld; denn dagegen hilft das Incognito nichts.

Vor allem aber soll er für den König Gemälde mitbringen,
am liebsten des Correggio, von dem sie hier noch nichts haben.
"Das grösste Geschenk das Sie S. M. machen könnten, schreibt
Testi am 5. Februar 1638, wäre die Nacht der [Kapelle der]
Pratonieri in [S. Prospero zu] Reggio, oder die Altartafel von
S. Pietro Martire in Modena [die Madonna des h. Georg]. Denn
bei einer Gelegenheit wie diese würden weder die Patrone der
ersten noch die Frati der zweiten Ihnen Nein sagen können, wenn
auch freilich die Zustimmung der Gemeinden ins Mittel treten
müsste. . . . . Wollen Sie diese beiden nicht, so lassen Sie sich
vom Bischof von Reggio jenes Bildniss geben, das unbedingt
eines der schönsten Gemälde in Italien ist: es ist das Conterfei eines
Arztes, ich sage diess, damit Sie sich nicht täuschen lassen; der-
selbe besitzt eine Asunta von Paul Veronese, etwas besseres kann
man sich nicht vorstellen; und wenn E. H. es ihm für den König
von Spanien abverlangt, wie könnte er es Ihnen verweigern? . . . .
Aber es gehört dazu noch etwas zur Gesellschaft: ein Guercino
oder Guido oder Dossi oder Girolamo da Carpi, oder was weiss
ich. Das sind Sachen die man leicht mitnehmen kann, und ob-
wol ich mir vorstelle, dass E. H. sich derselben ungern beraubt,
da auch Sie so grosses Vergnügen finden an der Malerei, so
muss man doch Geduld haben und denken, dass sie Zins tragen
müssen in weit grösseren Dingen."

Fünftes Buch.
Frankreich bestimmte catalonische Heer, oder Flandern, oder
Portugal, oder ein Flottenkommando. Ueberall hatte Testi Be-
denken und kam auf Neapel zurück; Olivares vertröstete: das
kommt dann später, als Ruheposten (Esto sará despues, por des-
canso
). Man entschied sich für die Flotte.

Der erfahrene Minister und Freund spielt nun die Rolle
des Polonius. Zunächst soll er das strengste Incognito bewahren;
ja gegen Niemanden von einer Einladung sprechen, wo möglich
ohne Wissen des Hofs abreisen. Die Reise ist sein selbsteigner
Einfall. Keine unruhigen Köpfe (cervelli torbidi) mitbringen,
mit französischen Neigungen, Spötter, Lästermäuler; hier kann
ein einziges Wort des ersten besten Lakaien alle Interessen für
immer ruiniren. Keine französischen Moden und Frisuren; um-
gelegte Kragen (valonas caydas), zwei einfache Campagneanzüge,
in Genua zu beschaffen, für Madrid ein schwarzes Sammtkleid;
in Knöpfen (jene Diamantknöpfe!) ist etwas Aufwand erlaubt.
Zwei Castorhüte, da kann die berühmte Diamantschnur ange-
bracht werden. Rüsten Sie sich aber auf viele Geschenke —
Ketten, Juwelen, Geld; denn dagegen hilft das Incognito nichts.

Vor allem aber soll er für den König Gemälde mitbringen,
am liebsten des Correggio, von dem sie hier noch nichts haben.
„Das grösste Geschenk das Sie S. M. machen könnten, schreibt
Testi am 5. Februar 1638, wäre die Nacht der [Kapelle der]
Pratonieri in [S. Prospero zu] Reggio, oder die Altartafel von
S. Pietro Martire in Modena [die Madonna des h. Georg]. Denn
bei einer Gelegenheit wie diese würden weder die Patrone der
ersten noch die Frati der zweiten Ihnen Nein sagen können, wenn
auch freilich die Zustimmung der Gemeinden ins Mittel treten
müsste. . . . . Wollen Sie diese beiden nicht, so lassen Sie sich
vom Bischof von Reggio jenes Bildniss geben, das unbedingt
eines der schönsten Gemälde in Italien ist: es ist das Conterfei eines
Arztes, ich sage diess, damit Sie sich nicht täuschen lassen; der-
selbe besitzt eine Asunta von Paul Veronese, etwas besseres kann
man sich nicht vorstellen; und wenn E. H. es ihm für den König
von Spanien abverlangt, wie könnte er es Ihnen verweigern? . . . .
Aber es gehört dazu noch etwas zur Gesellschaft: ein Guercino
oder Guido oder Dossi oder Girolamo da Carpi, oder was weiss
ich. Das sind Sachen die man leicht mitnehmen kann, und ob-
wol ich mir vorstelle, dass E. H. sich derselben ungern beraubt,
da auch Sie so grosses Vergnügen finden an der Malerei, so
muss man doch Geduld haben und denken, dass sie Zins tragen
müssen in weit grösseren Dingen.“

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[64/0084] Fünftes Buch. Frankreich bestimmte catalonische Heer, oder Flandern, oder Portugal, oder ein Flottenkommando. Ueberall hatte Testi Be- denken und kam auf Neapel zurück; Olivares vertröstete: das kommt dann später, als Ruheposten (Esto sará despues, por des- canso). Man entschied sich für die Flotte. Der erfahrene Minister und Freund spielt nun die Rolle des Polonius. Zunächst soll er das strengste Incognito bewahren; ja gegen Niemanden von einer Einladung sprechen, wo möglich ohne Wissen des Hofs abreisen. Die Reise ist sein selbsteigner Einfall. Keine unruhigen Köpfe (cervelli torbidi) mitbringen, mit französischen Neigungen, Spötter, Lästermäuler; hier kann ein einziges Wort des ersten besten Lakaien alle Interessen für immer ruiniren. Keine französischen Moden und Frisuren; um- gelegte Kragen (valonas caydas), zwei einfache Campagneanzüge, in Genua zu beschaffen, für Madrid ein schwarzes Sammtkleid; in Knöpfen (jene Diamantknöpfe!) ist etwas Aufwand erlaubt. Zwei Castorhüte, da kann die berühmte Diamantschnur ange- bracht werden. Rüsten Sie sich aber auf viele Geschenke — Ketten, Juwelen, Geld; denn dagegen hilft das Incognito nichts. Vor allem aber soll er für den König Gemälde mitbringen, am liebsten des Correggio, von dem sie hier noch nichts haben. „Das grösste Geschenk das Sie S. M. machen könnten, schreibt Testi am 5. Februar 1638, wäre die Nacht der [Kapelle der] Pratonieri in [S. Prospero zu] Reggio, oder die Altartafel von S. Pietro Martire in Modena [die Madonna des h. Georg]. Denn bei einer Gelegenheit wie diese würden weder die Patrone der ersten noch die Frati der zweiten Ihnen Nein sagen können, wenn auch freilich die Zustimmung der Gemeinden ins Mittel treten müsste. . . . . Wollen Sie diese beiden nicht, so lassen Sie sich vom Bischof von Reggio jenes Bildniss geben, das unbedingt eines der schönsten Gemälde in Italien ist: es ist das Conterfei eines Arztes, ich sage diess, damit Sie sich nicht täuschen lassen; der- selbe besitzt eine Asunta von Paul Veronese, etwas besseres kann man sich nicht vorstellen; und wenn E. H. es ihm für den König von Spanien abverlangt, wie könnte er es Ihnen verweigern? . . . . Aber es gehört dazu noch etwas zur Gesellschaft: ein Guercino oder Guido oder Dossi oder Girolamo da Carpi, oder was weiss ich. Das sind Sachen die man leicht mitnehmen kann, und ob- wol ich mir vorstelle, dass E. H. sich derselben ungern beraubt, da auch Sie so grosses Vergnügen finden an der Malerei, so muss man doch Geduld haben und denken, dass sie Zins tragen müssen in weit grösseren Dingen.“

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/84>, abgerufen am 24.04.2024.