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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Der Herzog Franz von Este.
lief sich auf 15000 Dukaten. Dafür hatten sie allein in Italien
Richelieu kein Gehör gegeben und seit 1625 in den Kriegen der
Lombardei wichtige Dienste geleistet. Im mantuanischen Erb-
folgekrieg suchte der junge Herzog neutral zu bleiben. Als aber
Savoyen und Parma Castelnuovo besetzten, verständigte er sich
mit Leganes, stiess mit seinen 7000 Mann vor dieser Festung
zu dem spanischen Heer, schlug die Truppen von Parma, welche
er bis unter die Mauern der Hauptstadt verfolgte und nahm den
Platz.

Um diese Bande durch Titel, Aemter und persönliche Be-
ziehungen noch fester zu schlingen, suchte Olivares den Herzog
nach Madrid zu bekommen. Der Gesandte, der Graf und Dichter
Fulvio Testi 1) ging ganz auf seinen Plan ein. Testi war bei Phi-
lipp IV persona gratissima -- der König interressirte sich sehr
für italienische Sprache, Literatur und Bühnenwesen. Einer
seiner Söhne war königlicher Page, ein anderer studirte in Sa-
lamanca.

Was man mit dem jungen Fürsten vorhabe, darüber liess
Don Gaspar nur geheimnissvolle, vielversprechende Andeutungen
hören. "Grosse Dinge sind im Werk; der Herzog ist der einzige
Fürst, den man verwenden kann . . . . Er ist jung und ehrgeizig,
und die Welt ist aus den Fugen." Testi wusste seinem Herzog
keine bessern Gründe zu geben als die des Spielers: Wer nicht
wagt, gewinnt nicht. Man wollte eben sich ihn erst in der Nähe
ansehn, das Maass seiner Fähigkeiten, seines Verstandes nehmen,
im Verkehr mit den Grossen des Hofs: in fractione panis.
Franz I ging mit grossem Widerstreben an diese Reise, gegen
den Wunsch seiner Räte. "Er wird nun bald kommen, schreibt
der Venezianer Giustiniani, um die Opfer seiner Sklaverei zu
feiern": so fühlten die Italiener. Er selbst hoffte die spa-
nische Garnison in Correggio los zu werden und den Beistand
des Kaisers in seinem Streit mit der Curie wegen Ferrara zu
erlangen. Endlich, bei einer Audienz, brach Olivares plötzlich
den bisherigen Gegenstand ab und rief: Nun also, worin wollen wir
den Herrn Herzog verwenden? Testi war nicht blöde: das Vice-
königthum von Neapel. Er muss kein grosser Politiker gewesen
sein. Neapel konnte man keinem Italiener geben. Olivares
schien ein Commando in Piemont lieber, -- oder das gegen

1) Sein Bildniss in der Brera (Nr. 125) von Franc. del Cairo und im Palast
Corsini zu Rom.

Der Herzog Franz von Este.
lief sich auf 15000 Dukaten. Dafür hatten sie allein in Italien
Richelieu kein Gehör gegeben und seit 1625 in den Kriegen der
Lombardei wichtige Dienste geleistet. Im mantuanischen Erb-
folgekrieg suchte der junge Herzog neutral zu bleiben. Als aber
Savoyen und Parma Castelnuovo besetzten, verständigte er sich
mit Leganes, stiess mit seinen 7000 Mann vor dieser Festung
zu dem spanischen Heer, schlug die Truppen von Parma, welche
er bis unter die Mauern der Hauptstadt verfolgte und nahm den
Platz.

Um diese Bande durch Titel, Aemter und persönliche Be-
ziehungen noch fester zu schlingen, suchte Olivares den Herzog
nach Madrid zu bekommen. Der Gesandte, der Graf und Dichter
Fulvio Testi 1) ging ganz auf seinen Plan ein. Testi war bei Phi-
lipp IV persona gratissima — der König interressirte sich sehr
für italienische Sprache, Literatur und Bühnenwesen. Einer
seiner Söhne war königlicher Page, ein anderer studirte in Sa-
lamanca.

Was man mit dem jungen Fürsten vorhabe, darüber liess
Don Gaspar nur geheimnissvolle, vielversprechende Andeutungen
hören. „Grosse Dinge sind im Werk; der Herzog ist der einzige
Fürst, den man verwenden kann . . . . Er ist jung und ehrgeizig,
und die Welt ist aus den Fugen.“ Testi wusste seinem Herzog
keine bessern Gründe zu geben als die des Spielers: Wer nicht
wagt, gewinnt nicht. Man wollte eben sich ihn erst in der Nähe
ansehn, das Maass seiner Fähigkeiten, seines Verstandes nehmen,
im Verkehr mit den Grossen des Hofs: in fractione panis.
Franz I ging mit grossem Widerstreben an diese Reise, gegen
den Wunsch seiner Räte. „Er wird nun bald kommen, schreibt
der Venezianer Giustiniani, um die Opfer seiner Sklaverei zu
feiern“: so fühlten die Italiener. Er selbst hoffte die spa-
nische Garnison in Correggio los zu werden und den Beistand
des Kaisers in seinem Streit mit der Curie wegen Ferrara zu
erlangen. Endlich, bei einer Audienz, brach Olivares plötzlich
den bisherigen Gegenstand ab und rief: Nun also, worin wollen wir
den Herrn Herzog verwenden? Testi war nicht blöde: das Vice-
königthum von Neapel. Er muss kein grosser Politiker gewesen
sein. Neapel konnte man keinem Italiener geben. Olivares
schien ein Commando in Piemont lieber, — oder das gegen

1) Sein Bildniss in der Brera (Nr. 125) von Franc. del Cairo und im Palast
Corsini zu Rom.
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[63/0083] Der Herzog Franz von Este. lief sich auf 15000 Dukaten. Dafür hatten sie allein in Italien Richelieu kein Gehör gegeben und seit 1625 in den Kriegen der Lombardei wichtige Dienste geleistet. Im mantuanischen Erb- folgekrieg suchte der junge Herzog neutral zu bleiben. Als aber Savoyen und Parma Castelnuovo besetzten, verständigte er sich mit Leganes, stiess mit seinen 7000 Mann vor dieser Festung zu dem spanischen Heer, schlug die Truppen von Parma, welche er bis unter die Mauern der Hauptstadt verfolgte und nahm den Platz. Um diese Bande durch Titel, Aemter und persönliche Be- ziehungen noch fester zu schlingen, suchte Olivares den Herzog nach Madrid zu bekommen. Der Gesandte, der Graf und Dichter Fulvio Testi 1) ging ganz auf seinen Plan ein. Testi war bei Phi- lipp IV persona gratissima — der König interressirte sich sehr für italienische Sprache, Literatur und Bühnenwesen. Einer seiner Söhne war königlicher Page, ein anderer studirte in Sa- lamanca. Was man mit dem jungen Fürsten vorhabe, darüber liess Don Gaspar nur geheimnissvolle, vielversprechende Andeutungen hören. „Grosse Dinge sind im Werk; der Herzog ist der einzige Fürst, den man verwenden kann . . . . Er ist jung und ehrgeizig, und die Welt ist aus den Fugen.“ Testi wusste seinem Herzog keine bessern Gründe zu geben als die des Spielers: Wer nicht wagt, gewinnt nicht. Man wollte eben sich ihn erst in der Nähe ansehn, das Maass seiner Fähigkeiten, seines Verstandes nehmen, im Verkehr mit den Grossen des Hofs: in fractione panis. Franz I ging mit grossem Widerstreben an diese Reise, gegen den Wunsch seiner Räte. „Er wird nun bald kommen, schreibt der Venezianer Giustiniani, um die Opfer seiner Sklaverei zu feiern“: so fühlten die Italiener. Er selbst hoffte die spa- nische Garnison in Correggio los zu werden und den Beistand des Kaisers in seinem Streit mit der Curie wegen Ferrara zu erlangen. Endlich, bei einer Audienz, brach Olivares plötzlich den bisherigen Gegenstand ab und rief: Nun also, worin wollen wir den Herrn Herzog verwenden? Testi war nicht blöde: das Vice- königthum von Neapel. Er muss kein grosser Politiker gewesen sein. Neapel konnte man keinem Italiener geben. Olivares schien ein Commando in Piemont lieber, — oder das gegen 1) Sein Bildniss in der Brera (Nr. 125) von Franc. del Cairo und im Palast Corsini zu Rom.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/83>, abgerufen am 20.04.2024.