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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Der Bildhauer Montannes.
fast drei Jahrhunderte lang dem Volke Südspaniens seine Heiligen
vergegenwärtigt haben. Vertrauenerweckend, ja ehrwürdig ist
der Eindruck dieses Mannes. Der Kopf stimmt ganz zu dem
Eindruck seiner Statuen: weder ein beobachtender noch ein
phantasievoller Künstler, aber ein Ymaginero von edlem Ge-
schmack, Ehrfurcht vor der Ueberlieferung, gleichmässigem Fleiss
und echtspanischer Empfindung.

Der Künstler trägt einen weiten schwarzen Rock mit Leder-
gürtel und einen schwarzseidenen Mantel: ein Anzug in dem ein
Bildhauer kaum modelliren wird, es sei denn, dass er eine sehr
vornehme Person vor sich habe. --

Seit Tizian und seinen Landsleuten haben sich Bildhauer
(anders als die Maler) gern darstellen lassen mit Produkten ihrer
Kunst beschäftigt, Statuetten in der Hand, und umgeben von
Werken der Plastik. Auch Spanien besass ein gutes Vorbild
in dem Bildniss des Pompeo Leoni mit der Marmorbüste Phi-
lipp II und dem Meissel, von dem venezianischen Greco, -- es
war 1879 im Landhause Sir W. Stirling's bei Keir.

In der Ikonographie van Dycks ist diess Bildhauerporträt
vertreten durch Hubert van den Eynden und Adrian Colyns de
Nole. Der erste stützt den Elnbogen vornehm nachlässig auf das
Haupt eines Entschlafenen; der andre legt die Rechte auf den
Scheitel eines überlebensgrossen antiken Kopfs. Beide wie es
scheint in lebhaftem Gespräch begriffen. Diese Motive sind dann
oft wiederholt worden, nur verwandeln sich die Künstler immermehr
in Schauspieler1). Nicolaus Coustou von Rigaud stützt die eine
Hand auf den Meissel wie auf einen Kommandostab, er legt die
andre auf den Colossalkopf eines Caracalla, wie ein Löwen-
bändiger, triumphirend das von der Perrücke umwallte Haupt
zurückwendend. "Wie sich die eitle Aftergrösse bläht", würde
Schiller gesagt haben; "packende Genialität" findet der heutige
Kunstrhetor darin.

Bei allen diesen Bildhauerporträts fragt man: was sie eigent-
lich machen und wollen. Bei Velazquez weiss man es. Er stellt

1) In der Ecole des Beaux-Arts finden sich viele übrigens geistreiche Porträts
dieser Art, z. B. Jacques Buiret 1661; Corn. van Cleve 1681; Rene Fremin 1701;
J. B. Lemoine 1738; Louis Claude Vasse 1751 u. a. Jean Thierry im Gemälde von
Largilliere legt dem Kopf die Hand mit der Reissfeder auf den Scheitel. In
Coustou's Porträt von Le Gros ruht die Hand mit dem Hammer auf der Stirn eines
grossen antiken Frauenkopfs.

Der Bildhauer Montañes.
fast drei Jahrhunderte lang dem Volke Südspaniens seine Heiligen
vergegenwärtigt haben. Vertrauenerweckend, ja ehrwürdig ist
der Eindruck dieses Mannes. Der Kopf stimmt ganz zu dem
Eindruck seiner Statuen: weder ein beobachtender noch ein
phantasievoller Künstler, aber ein Ymaginero von edlem Ge-
schmack, Ehrfurcht vor der Ueberlieferung, gleichmässigem Fleiss
und echtspanischer Empfindung.

Der Künstler trägt einen weiten schwarzen Rock mit Leder-
gürtel und einen schwarzseidenen Mantel: ein Anzug in dem ein
Bildhauer kaum modelliren wird, es sei denn, dass er eine sehr
vornehme Person vor sich habe. —

Seit Tizian und seinen Landsleuten haben sich Bildhauer
(anders als die Maler) gern darstellen lassen mit Produkten ihrer
Kunst beschäftigt, Statuetten in der Hand, und umgeben von
Werken der Plastik. Auch Spanien besass ein gutes Vorbild
in dem Bildniss des Pompeo Leoni mit der Marmorbüste Phi-
lipp II und dem Meissel, von dem venezianischen Greco, — es
war 1879 im Landhause Sir W. Stirling’s bei Keir.

In der Ikonographie van Dycks ist diess Bildhauerporträt
vertreten durch Hubert van den Eynden und Adrian Colyns de
Nole. Der erste stützt den Elnbogen vornehm nachlässig auf das
Haupt eines Entschlafenen; der andre legt die Rechte auf den
Scheitel eines überlebensgrossen antiken Kopfs. Beide wie es
scheint in lebhaftem Gespräch begriffen. Diese Motive sind dann
oft wiederholt worden, nur verwandeln sich die Künstler immermehr
in Schauspieler1). Nicolaus Coustou von Rigaud stützt die eine
Hand auf den Meissel wie auf einen Kommandostab, er legt die
andre auf den Colossalkopf eines Caracalla, wie ein Löwen-
bändiger, triumphirend das von der Perrücke umwallte Haupt
zurückwendend. „Wie sich die eitle Aftergrösse bläht“, würde
Schiller gesagt haben; „packende Genialität“ findet der heutige
Kunstrhetor darin.

Bei allen diesen Bildhauerporträts fragt man: was sie eigent-
lich machen und wollen. Bei Velazquez weiss man es. Er stellt

1) In der Ecole des Beaux-Arts finden sich viele übrigens geistreiche Porträts
dieser Art, z. B. Jacques Buiret 1661; Corn. van Cleve 1681; René Fremin 1701;
J. B. Lemoine 1738; Louis Claude Vassé 1751 u. a. Jean Thierry im Gemälde von
Largillière legt dem Kopf die Hand mit der Reissfeder auf den Scheitel. In
Coustou’s Porträt von Le Gros ruht die Hand mit dem Hammer auf der Stirn eines
grossen antiken Frauenkopfs.
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[53/0073] Der Bildhauer Montañes. fast drei Jahrhunderte lang dem Volke Südspaniens seine Heiligen vergegenwärtigt haben. Vertrauenerweckend, ja ehrwürdig ist der Eindruck dieses Mannes. Der Kopf stimmt ganz zu dem Eindruck seiner Statuen: weder ein beobachtender noch ein phantasievoller Künstler, aber ein Ymaginero von edlem Ge- schmack, Ehrfurcht vor der Ueberlieferung, gleichmässigem Fleiss und echtspanischer Empfindung. Der Künstler trägt einen weiten schwarzen Rock mit Leder- gürtel und einen schwarzseidenen Mantel: ein Anzug in dem ein Bildhauer kaum modelliren wird, es sei denn, dass er eine sehr vornehme Person vor sich habe. — Seit Tizian und seinen Landsleuten haben sich Bildhauer (anders als die Maler) gern darstellen lassen mit Produkten ihrer Kunst beschäftigt, Statuetten in der Hand, und umgeben von Werken der Plastik. Auch Spanien besass ein gutes Vorbild in dem Bildniss des Pompeo Leoni mit der Marmorbüste Phi- lipp II und dem Meissel, von dem venezianischen Greco, — es war 1879 im Landhause Sir W. Stirling’s bei Keir. In der Ikonographie van Dycks ist diess Bildhauerporträt vertreten durch Hubert van den Eynden und Adrian Colyns de Nole. Der erste stützt den Elnbogen vornehm nachlässig auf das Haupt eines Entschlafenen; der andre legt die Rechte auf den Scheitel eines überlebensgrossen antiken Kopfs. Beide wie es scheint in lebhaftem Gespräch begriffen. Diese Motive sind dann oft wiederholt worden, nur verwandeln sich die Künstler immermehr in Schauspieler 1). Nicolaus Coustou von Rigaud stützt die eine Hand auf den Meissel wie auf einen Kommandostab, er legt die andre auf den Colossalkopf eines Caracalla, wie ein Löwen- bändiger, triumphirend das von der Perrücke umwallte Haupt zurückwendend. „Wie sich die eitle Aftergrösse bläht“, würde Schiller gesagt haben; „packende Genialität“ findet der heutige Kunstrhetor darin. Bei allen diesen Bildhauerporträts fragt man: was sie eigent- lich machen und wollen. Bei Velazquez weiss man es. Er stellt 1) In der Ecole des Beaux-Arts finden sich viele übrigens geistreiche Porträts dieser Art, z. B. Jacques Buiret 1661; Corn. van Cleve 1681; René Fremin 1701; J. B. Lemoine 1738; Louis Claude Vassé 1751 u. a. Jean Thierry im Gemälde von Largillière legt dem Kopf die Hand mit der Reissfeder auf den Scheitel. In Coustou’s Porträt von Le Gros ruht die Hand mit dem Hammer auf der Stirn eines grossen antiken Frauenkopfs.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/73>, abgerufen am 19.04.2024.