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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Fünftes Buch.
dem Vorhandensein einer überlebensgrossen Büste Philipps in
Italien nie etwas verlautet ist, so ist die Thatsache doch ausser
allen Zweifel gestellt durch eine Bittschrift jenes Bildhauers an
das Handelsgericht beider Indien vom 19. September 1648, die
Cean Bermudez aus dessen Archiv mitgetheilt hat.

Darnach war Montannes durch ein Schreiben S. M. berufen
worden, "ein Bildniss ihrer Königlichen Person anzufertigen, das
dem Grossherzog von Florenz gesandt werden sollte, der es für
die Reiterstatue verlangt hatte. In Folge dessen habe er sein
Haus und seine Beschäftigung im Stich gelassen und mehr als
sieben Monate am Hofe zugebracht, auch seinen Auftrag erledigt,
und zwar so zur Zufriedenheit S. M., dass das Bildniss sofort
nach Florenz abgechickt wurde" 1).

Der König, in dessen Kasse damals völlige Ebbe gewesen
sein muss, hatte ihm statt Honorars eine Anweisung (cedula) aus-
fertigen lassen an das Handelstribunal zu Sevilla, auf ein von
ihm zu wählendes Kauffarteischiff (nao de visita) der Flotte von
Tierrafirme, das für ihn in Amerika Handelsgeschäfte machen
sollte. Da aber lange keine Schiffe disponibel waren, so hatte
er mit seiner Forderung zwölf Jahre lang gewartet. Auch jetzt,
wo er alt, kinderreich und bedürftig war, klopfte er vergebens
an; er starb bald darauf; erst zehn Jahr später (1658) glückte
es der Witwe, die Anweisung an einen Kaufmann gegen einen
Silberbarren von tausend Escudos Wert zu veräussern. --

Die Berufung an den Hof war wahrscheinlich auf Vorschlag
des Velazquez geschehn, der den Künstler als junger Maler in
Sevilla gekannt hatte, und durch den Schwiegervater von seinen
Verhältnissen unterichtet, ihm gern Ehre und Verdienst ver-
schafft hätte.

Schon im Jahre 1877 ist mir bei dem bekannten Bildnisse
im Museum zu Madrid, Alonso Cano genannt, die Vermutung
gekommen, dass diess Montannes sein könne. Zweifel an der
alten Benennung (mit welcher der Kopf auch auf die Tausend
Pesetas-Billets gestochen ist) waren schon geäussert worden.
Der alte Cano sah ganz anders aus: ein hagerer Langkopf, zu-
rückweichende Stirn mit starken Höckern über den Augen, der
Blick matt und dabei gereizt, der Mund fein 2). Diese Züge

1) Cean Bermudez, Diccionario III, 86 f.
2) Nach der einzig zuverlässigen Bleistiftzeichnung der Madrider National-
bibliothek. Das in Stirling's Annals II, 780 gestochene (aus der Galerie espagnole

Fünftes Buch.
dem Vorhandensein einer überlebensgrossen Büste Philipps in
Italien nie etwas verlautet ist, so ist die Thatsache doch ausser
allen Zweifel gestellt durch eine Bittschrift jenes Bildhauers an
das Handelsgericht beider Indien vom 19. September 1648, die
Cean Bermudez aus dessen Archiv mitgetheilt hat.

Darnach war Montañes durch ein Schreiben S. M. berufen
worden, „ein Bildniss ihrer Königlichen Person anzufertigen, das
dem Grossherzog von Florenz gesandt werden sollte, der es für
die Reiterstatue verlangt hatte. In Folge dessen habe er sein
Haus und seine Beschäftigung im Stich gelassen und mehr als
sieben Monate am Hofe zugebracht, auch seinen Auftrag erledigt,
und zwar so zur Zufriedenheit S. M., dass das Bildniss sofort
nach Florenz abgechickt wurde“ 1).

Der König, in dessen Kasse damals völlige Ebbe gewesen
sein muss, hatte ihm statt Honorars eine Anweisung (cédula) aus-
fertigen lassen an das Handelstribunal zu Sevilla, auf ein von
ihm zu wählendes Kauffarteischiff (nao de visita) der Flotte von
Tierrafirme, das für ihn in Amerika Handelsgeschäfte machen
sollte. Da aber lange keine Schiffe disponibel waren, so hatte
er mit seiner Forderung zwölf Jahre lang gewartet. Auch jetzt,
wo er alt, kinderreich und bedürftig war, klopfte er vergebens
an; er starb bald darauf; erst zehn Jahr später (1658) glückte
es der Witwe, die Anweisung an einen Kaufmann gegen einen
Silberbarren von tausend Escudos Wert zu veräussern. —

Die Berufung an den Hof war wahrscheinlich auf Vorschlag
des Velazquez geschehn, der den Künstler als junger Maler in
Sevilla gekannt hatte, und durch den Schwiegervater von seinen
Verhältnissen unterichtet, ihm gern Ehre und Verdienst ver-
schafft hätte.

Schon im Jahre 1877 ist mir bei dem bekannten Bildnisse
im Museum zu Madrid, Alonso Cano genannt, die Vermutung
gekommen, dass diess Montañes sein könne. Zweifel an der
alten Benennung (mit welcher der Kopf auch auf die Tausend
Pesetas-Billets gestochen ist) waren schon geäussert worden.
Der alte Cano sah ganz anders aus: ein hagerer Langkopf, zu-
rückweichende Stirn mit starken Höckern über den Augen, der
Blick matt und dabei gereizt, der Mund fein 2). Diese Züge

1) Cean Bermudez, Diccionario III, 86 f.
2) Nach der einzig zuverlässigen Bleistiftzeichnung der Madrider National-
bibliothek. Das in Stirling’s Annals II, 780 gestochene (aus der Galerie espagnole
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[50/0070] Fünftes Buch. dem Vorhandensein einer überlebensgrossen Büste Philipps in Italien nie etwas verlautet ist, so ist die Thatsache doch ausser allen Zweifel gestellt durch eine Bittschrift jenes Bildhauers an das Handelsgericht beider Indien vom 19. September 1648, die Cean Bermudez aus dessen Archiv mitgetheilt hat. Darnach war Montañes durch ein Schreiben S. M. berufen worden, „ein Bildniss ihrer Königlichen Person anzufertigen, das dem Grossherzog von Florenz gesandt werden sollte, der es für die Reiterstatue verlangt hatte. In Folge dessen habe er sein Haus und seine Beschäftigung im Stich gelassen und mehr als sieben Monate am Hofe zugebracht, auch seinen Auftrag erledigt, und zwar so zur Zufriedenheit S. M., dass das Bildniss sofort nach Florenz abgechickt wurde“ 1). Der König, in dessen Kasse damals völlige Ebbe gewesen sein muss, hatte ihm statt Honorars eine Anweisung (cédula) aus- fertigen lassen an das Handelstribunal zu Sevilla, auf ein von ihm zu wählendes Kauffarteischiff (nao de visita) der Flotte von Tierrafirme, das für ihn in Amerika Handelsgeschäfte machen sollte. Da aber lange keine Schiffe disponibel waren, so hatte er mit seiner Forderung zwölf Jahre lang gewartet. Auch jetzt, wo er alt, kinderreich und bedürftig war, klopfte er vergebens an; er starb bald darauf; erst zehn Jahr später (1658) glückte es der Witwe, die Anweisung an einen Kaufmann gegen einen Silberbarren von tausend Escudos Wert zu veräussern. — Die Berufung an den Hof war wahrscheinlich auf Vorschlag des Velazquez geschehn, der den Künstler als junger Maler in Sevilla gekannt hatte, und durch den Schwiegervater von seinen Verhältnissen unterichtet, ihm gern Ehre und Verdienst ver- schafft hätte. Schon im Jahre 1877 ist mir bei dem bekannten Bildnisse im Museum zu Madrid, Alonso Cano genannt, die Vermutung gekommen, dass diess Montañes sein könne. Zweifel an der alten Benennung (mit welcher der Kopf auch auf die Tausend Pesetas-Billets gestochen ist) waren schon geäussert worden. Der alte Cano sah ganz anders aus: ein hagerer Langkopf, zu- rückweichende Stirn mit starken Höckern über den Augen, der Blick matt und dabei gereizt, der Mund fein 2). Diese Züge 1) Cean Bermudez, Diccionario III, 86 f. 2) Nach der einzig zuverlässigen Bleistiftzeichnung der Madrider National- bibliothek. Das in Stirling’s Annals II, 780 gestochene (aus der Galerie espagnole

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/70>, abgerufen am 24.04.2024.