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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Quevedo.
Glück, mächtig an Stirn und Gedanken" 1). Da er nun auch lahm
war, mit nach hinten gekrümmten Beinen (el diablo cojuelo
nannte man ihn), so haben wir ja eine Disposition zum Satiriker
wie man sie nur wünschen kann. In der herzlos zermalmenden
Bitterkeit seines Spotts wie in der Mächtigkeit seines Verstands
gleicht er Jonathan Swift; auch in dem Schiffbruch seines Lebens,
nur dass bei ihm das Unglück bloss von aussen kam. Der Dean
von St. Patrick's verfehlte das Ziel seines Ehrgeizes, in Folge
einer ziemlich harmlosen Allegorie auf die drei Kirchenparteien,
welche die Gefühle der Königin Anna verletzte, Quevedo, dessen
gran tacanno mit grauenhaften Blasphemien gewürzt ist, hat nie
das Misstrauen der Inquisition ernstlich geweckt.

Sein Bild fehlt uns im Museum des Prado, unter der Ge-
sellschaft, auf die er einst sein scharfes, oft verletzendes Licht
ergoss, aber es existirt noch, echter als irgend eines der Dichter
seiner Zeit, in Farbe und in Thon. In der sorgfältigen Biogra-
phie von D. Aureliano Guerra y Orbe, die der ebenso meister-
haften Ausgabe seiner Werke in der Rivadeneira'schen Samm-
lung (Madrid, 3 Bände, 1859--77) vorausgeschickt ist, werden die
zahlreichen gestochenen Bildnisse kritisch besprochen und auf ein
kleines Medaillon in dem Titelkupfer des Parnaso espannol von
1648 als Quelle zurückgeführt, einem schwachen Stich von Juan de
Noort. Auf diesem Blatt, das nach dem Monogramm von Alonso
Cano gezeichnet, doch nicht erfunden ist 2), wird der Dichter von
Apollo in Gegenwart der neun Musen gekrönt, und in einer
Grotte liegt ein Satyr der jenes Medaillon, angeblich das authen-
tischte Bildniss des Dichters, vorzeigt.

Warum alle Stecher bis auf den berühmten Carmona dieses
dürftige, zwei Jahre nach des Mannes Tode gezeichnete, 34 Milli-
meter hohe Medaillon, mehr oder weniger frei kopirt haben
sollen, warum ihnen das von Palomino beschriebene Original-
gemälde des Velazquez, das bis in unser Jahrhundert in Spanien

1) Es hombre de bien, nacido para mal; hijo de algo, para ser hombre de
muchas fuerzas y de otras tantas flaquezas; ... es de buen entendimiento, pero
de no buena memoria; es corto de vista, como de ventura; hombre dado al
diablo, prestado al mundo, y encomendado a la carne; rasgado de ojos y de con-
ciencia, negro de cabello y de dicha, largo de frente y de razones.
2) D. J. A. Inv. [Formel 1] Iuan de Noort scu.
Guerra, Obras de Quevedo I, LXXIX. Einen Künstler Pedro Balta giebt es nicht.
Die Unterschrift des antwerpener Stichs lautet: Petrus Balthas. Bouttats.

Quevedo.
Glück, mächtig an Stirn und Gedanken“ 1). Da er nun auch lahm
war, mit nach hinten gekrümmten Beinen (el diablo cojuelo
nannte man ihn), so haben wir ja eine Disposition zum Satiriker
wie man sie nur wünschen kann. In der herzlos zermalmenden
Bitterkeit seines Spotts wie in der Mächtigkeit seines Verstands
gleicht er Jonathan Swift; auch in dem Schiffbruch seines Lebens,
nur dass bei ihm das Unglück bloss von aussen kam. Der Dean
von St. Patrick’s verfehlte das Ziel seines Ehrgeizes, in Folge
einer ziemlich harmlosen Allegorie auf die drei Kirchenparteien,
welche die Gefühle der Königin Anna verletzte, Quevedo, dessen
gran tacaño mit grauenhaften Blasphemien gewürzt ist, hat nie
das Misstrauen der Inquisition ernstlich geweckt.

Sein Bild fehlt uns im Museum des Prado, unter der Ge-
sellschaft, auf die er einst sein scharfes, oft verletzendes Licht
ergoss, aber es existirt noch, echter als irgend eines der Dichter
seiner Zeit, in Farbe und in Thon. In der sorgfältigen Biogra-
phie von D. Aureliano Guerra y Orbe, die der ebenso meister-
haften Ausgabe seiner Werke in der Rivadeneira’schen Samm-
lung (Madrid, 3 Bände, 1859—77) vorausgeschickt ist, werden die
zahlreichen gestochenen Bildnisse kritisch besprochen und auf ein
kleines Medaillon in dem Titelkupfer des Parnaso español von
1648 als Quelle zurückgeführt, einem schwachen Stich von Juan de
Noort. Auf diesem Blatt, das nach dem Monogramm von Alonso
Cano gezeichnet, doch nicht erfunden ist 2), wird der Dichter von
Apollo in Gegenwart der neun Musen gekrönt, und in einer
Grotte liegt ein Satyr der jenes Medaillon, angeblich das authen-
tischte Bildniss des Dichters, vorzeigt.

Warum alle Stecher bis auf den berühmten Carmona dieses
dürftige, zwei Jahre nach des Mannes Tode gezeichnete, 34 Milli-
meter hohe Medaillon, mehr oder weniger frei kopirt haben
sollen, warum ihnen das von Palomino beschriebene Original-
gemälde des Velazquez, das bis in unser Jahrhundert in Spanien

1) Es hombre de bien, nacido para mal; hijo de algo, para ser hombre de
muchas fuerzas y de otras tantas flaquezas; … es de buen entendimiento, pero
de no buena memoria; es corto de vista, como de ventura; hombre dado al
diablo, prestado al mundo, y encomendado á la carne; rasgado de ojos y de con-
ciencia, negro de cabello y de dicha, largo de frente y de razones.
2) D. J. A. Inv. [Formel 1] Iuan de Noort scu.
Guerra, Obras de Quevedo I, LXXIX. Einen Künstler Pedro Balta giebt es nicht.
Die Unterschrift des antwerpener Stichs lautet: Petrus Balthas. Bouttats.
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[43/0063] Quevedo. Glück, mächtig an Stirn und Gedanken“ 1). Da er nun auch lahm war, mit nach hinten gekrümmten Beinen (el diablo cojuelo nannte man ihn), so haben wir ja eine Disposition zum Satiriker wie man sie nur wünschen kann. In der herzlos zermalmenden Bitterkeit seines Spotts wie in der Mächtigkeit seines Verstands gleicht er Jonathan Swift; auch in dem Schiffbruch seines Lebens, nur dass bei ihm das Unglück bloss von aussen kam. Der Dean von St. Patrick’s verfehlte das Ziel seines Ehrgeizes, in Folge einer ziemlich harmlosen Allegorie auf die drei Kirchenparteien, welche die Gefühle der Königin Anna verletzte, Quevedo, dessen gran tacaño mit grauenhaften Blasphemien gewürzt ist, hat nie das Misstrauen der Inquisition ernstlich geweckt. Sein Bild fehlt uns im Museum des Prado, unter der Ge- sellschaft, auf die er einst sein scharfes, oft verletzendes Licht ergoss, aber es existirt noch, echter als irgend eines der Dichter seiner Zeit, in Farbe und in Thon. In der sorgfältigen Biogra- phie von D. Aureliano Guerra y Orbe, die der ebenso meister- haften Ausgabe seiner Werke in der Rivadeneira’schen Samm- lung (Madrid, 3 Bände, 1859—77) vorausgeschickt ist, werden die zahlreichen gestochenen Bildnisse kritisch besprochen und auf ein kleines Medaillon in dem Titelkupfer des Parnaso español von 1648 als Quelle zurückgeführt, einem schwachen Stich von Juan de Noort. Auf diesem Blatt, das nach dem Monogramm von Alonso Cano gezeichnet, doch nicht erfunden ist 2), wird der Dichter von Apollo in Gegenwart der neun Musen gekrönt, und in einer Grotte liegt ein Satyr der jenes Medaillon, angeblich das authen- tischte Bildniss des Dichters, vorzeigt. Warum alle Stecher bis auf den berühmten Carmona dieses dürftige, zwei Jahre nach des Mannes Tode gezeichnete, 34 Milli- meter hohe Medaillon, mehr oder weniger frei kopirt haben sollen, warum ihnen das von Palomino beschriebene Original- gemälde des Velazquez, das bis in unser Jahrhundert in Spanien 1) Es hombre de bien, nacido para mal; hijo de algo, para ser hombre de muchas fuerzas y de otras tantas flaquezas; … es de buen entendimiento, pero de no buena memoria; es corto de vista, como de ventura; hombre dado al diablo, prestado al mundo, y encomendado á la carne; rasgado de ojos y de con- ciencia, negro de cabello y de dicha, largo de frente y de razones. 2) D. J. A. Inv. [FORMEL] Iuan de Noort scu. Guerra, Obras de Quevedo I, LXXIX. Einen Künstler Pedro Balta giebt es nicht. Die Unterschrift des antwerpener Stichs lautet: Petrus Balthas. Bouttats.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/63>, abgerufen am 24.04.2024.