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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Fünftes Buch.
mälde giebt. "Sie war dick, weiss und sehr angenehm: schöne
Augen, sanfter geistvoller Ausdruck" 1). Nach den Zügen dürfte
sie in der Mitte der zwanzige stehen, Umgebung und Ross sind
viel später von Velazquez selbst übermalt worden. Aber nicht
nur der Stil sehr verschiedener Zeiten des Meisters, auch eine
fremde Hand springt unzweifelhaft in die Augen. Alles an der
Figur mit Ausnahme des Antlitzes, selbst die Hände, der Anzug,
die bis über die Mitte des Schienbeines des Pferds reichende
Schabracke, ist ohne Rücksicht auf Entfernung und freie Luft,
in der fleissig trocknen Art der früheren Hofporträtisten ausge-
führt. Der Schimmel hingegen, d. h. das allein unverdeckte
Vordertheil und die Füsse, ferner die ganze Landschaft wurde
mit breitem, fetten Pinsel und in sehr hellem Ton frühstens um
das Jahr 1640 neu darübergemalt. An der höher gerückten
linken Vorderhand des Schimmels ist ein pentimento bemerklich.
Ausser den breiten Leinwandstreifen an beiden Seiten ist in der
rechten Ecke ein viereckiges Stück angenäht, wo vielleicht eine
Inschrift gestanden hatte.

Das prächtige Thier, von Palomino einem Schwan ver-
glichen, mit bis aufs Knie herabfallender und die Linien des
Profils verschleiernder Mähne, geht im Schritt nach links, die
Reiterin wendet sich um. Ihre Züge haben mit dem bekannten
Kopf ihres Vaters keine Aehnlichkeit, sie artete mehr nach der
Mutter. Das Antlitz ist äusserst licht und zart gemalt, im
hellen Widerschein der breiten Tüllkrause. Die Hauptschönheit
sind die grossen braunen Augen, mit breitem Zwischenraum
und Nasenabgang. Die ziemlich hohe Stirn wird von den zu
einem feingekräuselten Schopf frisirten braunen Haaren frei-
gelassen. Hinten weht eine weisse Feder. Die Unterlippe ist etwas
breit, aber gut geformtt. Die unten anschwellenden Wangen
kommen schon auf einem grossen pariser Stich von L. Gaultier
vor, der sie als Prinzessin darstellt. Man sieht die Aermel einer
weissseidenen mit Silbersternen gestickten Jacke, ein eben sol-
cher, hoher Kragen ist über dem schweren, nussbraunen, gold-
gestickten Reitkleid befestigt, auf dem ihre Namenschiffre wieder-
holt ist. Es fällt bis zum Saum der Schabracke herab.

Weiss hat der Maler auch zum Grundton der Landschaft

1) Elle est a cheval, vetue de blanc, avec une fraise au cou, et un gardinfant.
Elle a un petit chapeau garni de pierreries, avec des plumes et une aigrette. Elle
etait grasse, blanche et tres-agreable: les yeux beaux, l'air doux et spirituel.

Fünftes Buch.
mälde giebt. „Sie war dick, weiss und sehr angenehm: schöne
Augen, sanfter geistvoller Ausdruck“ 1). Nach den Zügen dürfte
sie in der Mitte der zwanzige stehen, Umgebung und Ross sind
viel später von Velazquez selbst übermalt worden. Aber nicht
nur der Stil sehr verschiedener Zeiten des Meisters, auch eine
fremde Hand springt unzweifelhaft in die Augen. Alles an der
Figur mit Ausnahme des Antlitzes, selbst die Hände, der Anzug,
die bis über die Mitte des Schienbeines des Pferds reichende
Schabracke, ist ohne Rücksicht auf Entfernung und freie Luft,
in der fleissig trocknen Art der früheren Hofporträtisten ausge-
führt. Der Schimmel hingegen, d. h. das allein unverdeckte
Vordertheil und die Füsse, ferner die ganze Landschaft wurde
mit breitem, fetten Pinsel und in sehr hellem Ton frühstens um
das Jahr 1640 neu darübergemalt. An der höher gerückten
linken Vorderhand des Schimmels ist ein pentimento bemerklich.
Ausser den breiten Leinwandstreifen an beiden Seiten ist in der
rechten Ecke ein viereckiges Stück angenäht, wo vielleicht eine
Inschrift gestanden hatte.

Das prächtige Thier, von Palomino einem Schwan ver-
glichen, mit bis aufs Knie herabfallender und die Linien des
Profils verschleiernder Mähne, geht im Schritt nach links, die
Reiterin wendet sich um. Ihre Züge haben mit dem bekannten
Kopf ihres Vaters keine Aehnlichkeit, sie artete mehr nach der
Mutter. Das Antlitz ist äusserst licht und zart gemalt, im
hellen Widerschein der breiten Tüllkrause. Die Hauptschönheit
sind die grossen braunen Augen, mit breitem Zwischenraum
und Nasenabgang. Die ziemlich hohe Stirn wird von den zu
einem feingekräuselten Schopf frisirten braunen Haaren frei-
gelassen. Hinten weht eine weisse Feder. Die Unterlippe ist etwas
breit, aber gut geformtt. Die unten anschwellenden Wangen
kommen schon auf einem grossen pariser Stich von L. Gaultier
vor, der sie als Prinzessin darstellt. Man sieht die Aermel einer
weissseidenen mit Silbersternen gestickten Jacke, ein eben sol-
cher, hoher Kragen ist über dem schweren, nussbraunen, gold-
gestickten Reitkleid befestigt, auf dem ihre Namenschiffre wieder-
holt ist. Es fällt bis zum Saum der Schabracke herab.

Weiss hat der Maler auch zum Grundton der Landschaft

1) Elle est à cheval, vêtue de blanc, avec une fraise au cou, et un gardinfant.
Elle a un petit chapeau garni de pierreries, avec des plumes et une aigrette. Elle
était grasse, blanche et très-agréable: les yeux beaux, l’air doux et spirituel.
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[36/0056] Fünftes Buch. mälde giebt. „Sie war dick, weiss und sehr angenehm: schöne Augen, sanfter geistvoller Ausdruck“ 1). Nach den Zügen dürfte sie in der Mitte der zwanzige stehen, Umgebung und Ross sind viel später von Velazquez selbst übermalt worden. Aber nicht nur der Stil sehr verschiedener Zeiten des Meisters, auch eine fremde Hand springt unzweifelhaft in die Augen. Alles an der Figur mit Ausnahme des Antlitzes, selbst die Hände, der Anzug, die bis über die Mitte des Schienbeines des Pferds reichende Schabracke, ist ohne Rücksicht auf Entfernung und freie Luft, in der fleissig trocknen Art der früheren Hofporträtisten ausge- führt. Der Schimmel hingegen, d. h. das allein unverdeckte Vordertheil und die Füsse, ferner die ganze Landschaft wurde mit breitem, fetten Pinsel und in sehr hellem Ton frühstens um das Jahr 1640 neu darübergemalt. An der höher gerückten linken Vorderhand des Schimmels ist ein pentimento bemerklich. Ausser den breiten Leinwandstreifen an beiden Seiten ist in der rechten Ecke ein viereckiges Stück angenäht, wo vielleicht eine Inschrift gestanden hatte. Das prächtige Thier, von Palomino einem Schwan ver- glichen, mit bis aufs Knie herabfallender und die Linien des Profils verschleiernder Mähne, geht im Schritt nach links, die Reiterin wendet sich um. Ihre Züge haben mit dem bekannten Kopf ihres Vaters keine Aehnlichkeit, sie artete mehr nach der Mutter. Das Antlitz ist äusserst licht und zart gemalt, im hellen Widerschein der breiten Tüllkrause. Die Hauptschönheit sind die grossen braunen Augen, mit breitem Zwischenraum und Nasenabgang. Die ziemlich hohe Stirn wird von den zu einem feingekräuselten Schopf frisirten braunen Haaren frei- gelassen. Hinten weht eine weisse Feder. Die Unterlippe ist etwas breit, aber gut geformtt. Die unten anschwellenden Wangen kommen schon auf einem grossen pariser Stich von L. Gaultier vor, der sie als Prinzessin darstellt. Man sieht die Aermel einer weissseidenen mit Silbersternen gestickten Jacke, ein eben sol- cher, hoher Kragen ist über dem schweren, nussbraunen, gold- gestickten Reitkleid befestigt, auf dem ihre Namenschiffre wieder- holt ist. Es fällt bis zum Saum der Schabracke herab. Weiss hat der Maler auch zum Grundton der Landschaft 1) Elle est à cheval, vêtue de blanc, avec une fraise au cou, et un gardinfant. Elle a un petit chapeau garni de pierreries, avec des plumes et une aigrette. Elle était grasse, blanche et très-agréable: les yeux beaux, l’air doux et spirituel.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/56>, abgerufen am 19.04.2024.