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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Isabella von Bourbon.
gaben und Regententugenden, die freilich nur spät und kurz zur
Geltung kamen, ihr Schicksal, erheben sie weit über die andern 1).

Isabella war zwei Jahre älter als ihr Gemahl, dem sie 1615
angetraut wurde; ihr eheliches Zusammenleben begann erst einige
Jahre später. Die anmuthige äussere Erscheinung der jungen
Königin weckte in ihrer Jugend romantische Leidenschaften,
später gewann sie durch ihr öffentliches Auftreten die Vereh-
rung der Nation. Dazwischen lagen lange Jahre der Dunkel-
heit, Vernachlässigung und Unterdrückung. Bekannt ist aus den
Memoiren der Madame d'Aulnoy
die verwegene Schwärmerei, welche
sie dem geistreichen und durch
seine satirischen Verse berechtigten
Grafen von Villamediana einflösste.
Er erschien bei einem Carousel
in einem mit neuen Realstücken
besetzten Anzug und mit der De-
vise Mis amores son reales; er stif-
tete in seinem eigenen Palast eine
Feuersbrunst an, um die Königin
in seinen Armen retten zu kön-
nen. Er hat diese Thorheiten mit
dem Leben bezahlt. Schon die
achtzehnjährige nannte der man-

[Abbildung]

Isabella von Bourbon.

tuaner Orator eine Fürstin von hohem Geist (d' alti spiriti) 2),
und Bossuet in der Rede beim Tode ihrer Tochter Maria The-
resia bezeichnete sie als "die beste Königin und die am meisten
beklagte auf spanischem Thron". Olivares, der ihren Einfluss
auf den König fürchtete, mit dem sie anfangs "in einem Wett-
streit von Liebe und Eifersucht gelebt", hatte ihr nicht nur den
politischen Einfluss, sondern auch das Herz ihres Gatten gestoh-
len, dessen Sinnlichkeit er auf unwürdige Gegenstände ablenkte.
Ihr Unglück, an dem aber wohl der König selbst die Schuld trug,
war, dass alle ihre Kinder, vier Töchter, bis zum Jahre 1629 weg-
starben. Don Gaspar gab ihr seine bucklige Frau als Camarera

1) La mas bella,
la mas pura, mas fragrante
flor, la flor de lis, la reina
de las flores.
Calderon, Casa con dos puertas I.
2) Depesche Bonatti's vom 17. April 1621 im Archiv zu Mantua.
II. 3

Isabella von Bourbon.
gaben und Regententugenden, die freilich nur spät und kurz zur
Geltung kamen, ihr Schicksal, erheben sie weit über die andern 1).

Isabella war zwei Jahre älter als ihr Gemahl, dem sie 1615
angetraut wurde; ihr eheliches Zusammenleben begann erst einige
Jahre später. Die anmuthige äussere Erscheinung der jungen
Königin weckte in ihrer Jugend romantische Leidenschaften,
später gewann sie durch ihr öffentliches Auftreten die Vereh-
rung der Nation. Dazwischen lagen lange Jahre der Dunkel-
heit, Vernachlässigung und Unterdrückung. Bekannt ist aus den
Memoiren der Madame d’Aulnoy
die verwegene Schwärmerei, welche
sie dem geistreichen und durch
seine satirischen Verse berechtigten
Grafen von Villamediana einflösste.
Er erschien bei einem Carousel
in einem mit neuen Realstücken
besetzten Anzug und mit der De-
vise Mis amores son reales; er stif-
tete in seinem eigenen Palast eine
Feuersbrunst an, um die Königin
in seinen Armen retten zu kön-
nen. Er hat diese Thorheiten mit
dem Leben bezahlt. Schon die
achtzehnjährige nannte der man-

[Abbildung]

Isabella von Bourbon.

tuaner Orator eine Fürstin von hohem Geist (d’ alti spiriti) 2),
und Bossuet in der Rede beim Tode ihrer Tochter Maria The-
resia bezeichnete sie als „die beste Königin und die am meisten
beklagte auf spanischem Thron“. Olivares, der ihren Einfluss
auf den König fürchtete, mit dem sie anfangs „in einem Wett-
streit von Liebe und Eifersucht gelebt“, hatte ihr nicht nur den
politischen Einfluss, sondern auch das Herz ihres Gatten gestoh-
len, dessen Sinnlichkeit er auf unwürdige Gegenstände ablenkte.
Ihr Unglück, an dem aber wohl der König selbst die Schuld trug,
war, dass alle ihre Kinder, vier Töchter, bis zum Jahre 1629 weg-
starben. Don Gaspar gab ihr seine bucklige Frau als Camarera

1) La mas bella,
la mas pura, mas fragrante
flor, la flor de lis, la reina
de las flores.
Calderon, Casa con dos puertas I.
2) Depesche Bonatti’s vom 17. April 1621 im Archiv zu Mantua.
II. 3
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[33/0053] Isabella von Bourbon. gaben und Regententugenden, die freilich nur spät und kurz zur Geltung kamen, ihr Schicksal, erheben sie weit über die andern 1). Isabella war zwei Jahre älter als ihr Gemahl, dem sie 1615 angetraut wurde; ihr eheliches Zusammenleben begann erst einige Jahre später. Die anmuthige äussere Erscheinung der jungen Königin weckte in ihrer Jugend romantische Leidenschaften, später gewann sie durch ihr öffentliches Auftreten die Vereh- rung der Nation. Dazwischen lagen lange Jahre der Dunkel- heit, Vernachlässigung und Unterdrückung. Bekannt ist aus den Memoiren der Madame d’Aulnoy die verwegene Schwärmerei, welche sie dem geistreichen und durch seine satirischen Verse berechtigten Grafen von Villamediana einflösste. Er erschien bei einem Carousel in einem mit neuen Realstücken besetzten Anzug und mit der De- vise Mis amores son reales; er stif- tete in seinem eigenen Palast eine Feuersbrunst an, um die Königin in seinen Armen retten zu kön- nen. Er hat diese Thorheiten mit dem Leben bezahlt. Schon die achtzehnjährige nannte der man- [Abbildung Isabella von Bourbon.] tuaner Orator eine Fürstin von hohem Geist (d’ alti spiriti) 2), und Bossuet in der Rede beim Tode ihrer Tochter Maria The- resia bezeichnete sie als „die beste Königin und die am meisten beklagte auf spanischem Thron“. Olivares, der ihren Einfluss auf den König fürchtete, mit dem sie anfangs „in einem Wett- streit von Liebe und Eifersucht gelebt“, hatte ihr nicht nur den politischen Einfluss, sondern auch das Herz ihres Gatten gestoh- len, dessen Sinnlichkeit er auf unwürdige Gegenstände ablenkte. Ihr Unglück, an dem aber wohl der König selbst die Schuld trug, war, dass alle ihre Kinder, vier Töchter, bis zum Jahre 1629 weg- starben. Don Gaspar gab ihr seine bucklige Frau als Camarera 1) La mas bella, la mas pura, mas fragrante flor, la flor de lis, la reina de las flores. Calderon, Casa con dos puertas I. 2) Depesche Bonatti’s vom 17. April 1621 im Archiv zu Mantua. II. 3

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/53>, abgerufen am 29.03.2024.