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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Siebentes Buch.
Philipp II von Sanchez Coello, auf der Treppe der Nordgalerie.
Ihre Namen sind im Inventar zwar zum Theil angegeben, Seba-
stian de Morra (seit 1643), El Primo, Velazquillo el bufon, noch
1794 in Buen Retiro1), aber man weiss nicht welche Bilder damit
gemeint sind. Das Stück wurde 1700 zu 40 Dublonen taxirt.

Einer (Prado 1097) ist, nach dem Vorbild des Zwergs
Carl V von A. Mor, in ganzer Figur stehend gemalt, mit einem
Hunde am rothen Band, den er wol für eine königliche Jagd-
partie bereit hält (B. I. S. 384). Jener Vorgänger mit dem
trocknen alten Mopsgesicht war mehr kalt boshaft, dieser scheint
aufbrausend. Ein nicht übel gebauter Wicht, nach den drohend
rollenden Augen und der erhitzten Farbe von zornigem Tem-
perament. Er ist in beständiger Alarmirung und Aufwallung über
die Grossen, besonders über ihre vornehm stattlichen Nasen,
denn die seinige ist äusserst niedlich, wie die seines Kollegen
am Hofe Ludwig XIV, des berühmten Duc de Roquelaure.
Drollig ist der Kontrast des stürmischen kleinen Manns zu der
stillen Grösse der mächtigen schwarzen Hündin mit der weissen
Stirn, Schnauze und Brust, ähnlich dem Jagdhund in der Hirschjagd.

Das Recht zu diesem Stolz giebt ihm der Anzug, -- tanto
la gala te hincho
(Moreto). -- Es ist der eines vlämischen Grand-
seigneur, wahrscheinlich parodirt er irgend einen. Lange blonde
Perrücke mit rother Schleife; breiter Spitzenkragen und -man-
schette, goldgesticktes Wams und Hose; in der Hand hält er
den breiten Hut mit einer Lawine von Straussenfedern u. s. w.

Das Bildniss ist das bestgemalte der Serie, und zwar in
seiner letzten Manier, in einem goldnen Ton. Der Katalog
nennt ihn Don Antonio den Engländer; anderen schien der Typus
spanisch; auf den sogenannten Malern im Louvre ist ein ähn-
licher Kopf (der achte).2) (1,42 x 1,07.)

Das sinistre Wesen der Zwerge ist zu trotziger Tücke
gesteigert in dem schwarzen an der Erde sitzenden Pessi-
misten, auf gut Glück Sebastian de Morra getauft (Prado 1096).

1) Ein Bildniss dieses Velazquillo und seiner Frau befand sich bis 1868 in dem
Kloster des S. Pedro Regalado bei Aguilera; es stammte aus der Zeit der Reise
Philipp IV im Jahre 1660. Madoz, Diccion. geograf. Art. Aguilera.
2) Ein angeblich gleichwerthiges Original im Berliner Museum, in Spanien
entdeckt von einem Maler, ist eine geringe alte Kopie, ohne Haltung, Modellirung
und den so charakteristischen Ausdruck des Gesichts, das nur ein stumpfer fuchsiger
Fleck ist. Sollte es jenes Gemälde des Velazquillo aus Aguilera sein? Er ist der-
jenige unter den fünfen, welcher einen Ehemann am besten vorstellen könnte.

Siebentes Buch.
Philipp II von Sanchez Coello, auf der Treppe der Nordgalerie.
Ihre Namen sind im Inventar zwar zum Theil angegeben, Seba-
stian de Morra (seit 1643), El Primo, Velazquillo el bufon, noch
1794 in Buen Retiro1), aber man weiss nicht welche Bilder damit
gemeint sind. Das Stück wurde 1700 zu 40 Dublonen taxirt.

Einer (Prado 1097) ist, nach dem Vorbild des Zwergs
Carl V von A. Mor, in ganzer Figur stehend gemalt, mit einem
Hunde am rothen Band, den er wol für eine königliche Jagd-
partie bereit hält (B. I. S. 384). Jener Vorgänger mit dem
trocknen alten Mopsgesicht war mehr kalt boshaft, dieser scheint
aufbrausend. Ein nicht übel gebauter Wicht, nach den drohend
rollenden Augen und der erhitzten Farbe von zornigem Tem-
perament. Er ist in beständiger Alarmirung und Aufwallung über
die Grossen, besonders über ihre vornehm stattlichen Nasen,
denn die seinige ist äusserst niedlich, wie die seines Kollegen
am Hofe Ludwig XIV, des berühmten Duc de Roquelaure.
Drollig ist der Kontrast des stürmischen kleinen Manns zu der
stillen Grösse der mächtigen schwarzen Hündin mit der weissen
Stirn, Schnauze und Brust, ähnlich dem Jagdhund in der Hirschjagd.

Das Recht zu diesem Stolz giebt ihm der Anzug, — tanto
la gala te hinchó
(Moreto). — Es ist der eines vlämischen Grand-
seigneur, wahrscheinlich parodirt er irgend einen. Lange blonde
Perrücke mit rother Schleife; breiter Spitzenkragen und -man-
schette, goldgesticktes Wams und Hose; in der Hand hält er
den breiten Hut mit einer Lawine von Straussenfedern u. s. w.

Das Bildniss ist das bestgemalte der Serie, und zwar in
seiner letzten Manier, in einem goldnen Ton. Der Katalog
nennt ihn Don Antonio den Engländer; anderen schien der Typus
spanisch; auf den sogenannten Malern im Louvre ist ein ähn-
licher Kopf (der achte).2) (1,42 × 1,07.)

Das sinistre Wesen der Zwerge ist zu trotziger Tücke
gesteigert in dem schwarzen an der Erde sitzenden Pessi-
misten, auf gut Glück Sebastian de Morra getauft (Prado 1096).

1) Ein Bildniss dieses Velazquillo und seiner Frau befand sich bis 1868 in dem
Kloster des S. Pedro Regalado bei Aguilera; es stammte aus der Zeit der Reise
Philipp IV im Jahre 1660. Madoz, Diccion. geográf. Art. Aguilera.
2) Ein angeblich gleichwerthiges Original im Berliner Museum, in Spanien
entdeckt von einem Maler, ist eine geringe alte Kopie, ohne Haltung, Modellirung
und den so charakteristischen Ausdruck des Gesichts, das nur ein stumpfer fuchsiger
Fleck ist. Sollte es jenes Gemälde des Velazquillo aus Aguilera sein? Er ist der-
jenige unter den fünfen, welcher einen Ehemann am besten vorstellen könnte.
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[354/0378] Siebentes Buch. Philipp II von Sanchez Coello, auf der Treppe der Nordgalerie. Ihre Namen sind im Inventar zwar zum Theil angegeben, Seba- stian de Morra (seit 1643), El Primo, Velazquillo el bufon, noch 1794 in Buen Retiro 1), aber man weiss nicht welche Bilder damit gemeint sind. Das Stück wurde 1700 zu 40 Dublonen taxirt. Einer (Prado 1097) ist, nach dem Vorbild des Zwergs Carl V von A. Mor, in ganzer Figur stehend gemalt, mit einem Hunde am rothen Band, den er wol für eine königliche Jagd- partie bereit hält (B. I. S. 384). Jener Vorgänger mit dem trocknen alten Mopsgesicht war mehr kalt boshaft, dieser scheint aufbrausend. Ein nicht übel gebauter Wicht, nach den drohend rollenden Augen und der erhitzten Farbe von zornigem Tem- perament. Er ist in beständiger Alarmirung und Aufwallung über die Grossen, besonders über ihre vornehm stattlichen Nasen, denn die seinige ist äusserst niedlich, wie die seines Kollegen am Hofe Ludwig XIV, des berühmten Duc de Roquelaure. Drollig ist der Kontrast des stürmischen kleinen Manns zu der stillen Grösse der mächtigen schwarzen Hündin mit der weissen Stirn, Schnauze und Brust, ähnlich dem Jagdhund in der Hirschjagd. Das Recht zu diesem Stolz giebt ihm der Anzug, — tanto la gala te hinchó (Moreto). — Es ist der eines vlämischen Grand- seigneur, wahrscheinlich parodirt er irgend einen. Lange blonde Perrücke mit rother Schleife; breiter Spitzenkragen und -man- schette, goldgesticktes Wams und Hose; in der Hand hält er den breiten Hut mit einer Lawine von Straussenfedern u. s. w. Das Bildniss ist das bestgemalte der Serie, und zwar in seiner letzten Manier, in einem goldnen Ton. Der Katalog nennt ihn Don Antonio den Engländer; anderen schien der Typus spanisch; auf den sogenannten Malern im Louvre ist ein ähn- licher Kopf (der achte). 2) (1,42 × 1,07.) Das sinistre Wesen der Zwerge ist zu trotziger Tücke gesteigert in dem schwarzen an der Erde sitzenden Pessi- misten, auf gut Glück Sebastian de Morra getauft (Prado 1096). 1) Ein Bildniss dieses Velazquillo und seiner Frau befand sich bis 1868 in dem Kloster des S. Pedro Regalado bei Aguilera; es stammte aus der Zeit der Reise Philipp IV im Jahre 1660. Madoz, Diccion. geográf. Art. Aguilera. 2) Ein angeblich gleichwerthiges Original im Berliner Museum, in Spanien entdeckt von einem Maler, ist eine geringe alte Kopie, ohne Haltung, Modellirung und den so charakteristischen Ausdruck des Gesichts, das nur ein stumpfer fuchsiger Fleck ist. Sollte es jenes Gemälde des Velazquillo aus Aguilera sein? Er ist der- jenige unter den fünfen, welcher einen Ehemann am besten vorstellen könnte.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/378>, abgerufen am 25.04.2024.