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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Siebentes Buch.
mächern des Cuarto de la Reina, in den Schranken unerbittlichen
Cerimoniells. Die Memoiren der Mad. de Motteville schildern
einen Besuch an der Schwelle des Zimmers der Infantin Maria
Theresia. "Sie wird mit grosser Ehrerbietung bedient, wenige
haben Zutritt, und es war eine besondre Vergünstigung, dass
wir in der Thür ihres Gemachs verweilen durften. Wenn sie
trinken will, so bringt eine Page (menin) das Glas einer Dame,
welche niederkniet, ebenso wie der Page; und auf der andern
Seite ist ebenfalls eine Knieende, die ihr die Serviette reicht,
gegenüber steht eine Ehrendame". Liest sich diese Stelle nicht
wie eine Beschreibung unsers Gemäldes? Hier ist das damals
fünf Jahre zählende, stets von dienenden Elfen, getreuen Eckarts,
unterwürfigen Gnomen umringte kleine Idol als Centrum, als
Sonne seiner Sphäre dargestellt, wo dann Licht und Schatten,
Schönheit und Ungestalt einträchtig zusammenwirken ihm zu
dienen.

Das Gemälde führt in Spanien den Namen Las Meninas.
Und nicht ohne Grund. Diese Edelfräulein waren jedenfalls für
den Spanier die anziehendsten Figuren des Ganzen, denn es sind
dunkelaugige Kinder seiner Rasse, schöne jugendliche Blüten
altcastilischer Stammbäume. Schönheiten wurden überhaupt für
dieses Amt ausgesucht. Mad. d'Aulnoy, die sie im Jahre 1680
sah, nennt sie plus belles que l'on ne peint l'amour. In ihren
Verbeugungen, Kniebeugungen, liegt eine angeborene Grazie,
die selbst über die unförmliche Tracht siegt.

Das Bild war so angesehen, dass die Namen des sämmtlichen
Personals aufbewahrt wurden. Die Kniende im Profil ist Donna
Maria Agostina, Tochter des Don Diego Sarmiento; sie reicht der
Infantin auf goldner Schale Wasser in einem rothen Schälchen
von bucaro, einem feinen wolriechenden Thon, der aus Ostindien
kam. Die andre, welche leicht knixend ihr gegenüber steht, ist
Donna Isabel de Velasco, Tochter des Don Bernardino Lopez de
Ayala y Velasco, Grafen von Fuensalida. Sie blühte auf zu
seltener Schönheit, starb aber schon nach drei Jahren.

Diese Meninas warteten der Königin und den Infantinnen
auf vom Kindesalter ab bis zur Zeit des Frauenpantoffels (chapin);
sie trugen niedrige Schuhe und eine Art Sandalen mit hohem
Absatz, in die man den beschuhten Fuss steckte; weder im Pa-
last noch aussen Mantel und Hut.

Zur Rechten dieses zierlichen Kleeblatts, weiter vorn, stehn
zwei ganz andre Gespielen, mit dem monumentalen, würdevoll

Siebentes Buch.
mächern des Cuarto de la Reina, in den Schranken unerbittlichen
Cerimoniells. Die Memoiren der Mad. de Motteville schildern
einen Besuch an der Schwelle des Zimmers der Infantin Maria
Theresia. „Sie wird mit grosser Ehrerbietung bedient, wenige
haben Zutritt, und es war eine besondre Vergünstigung, dass
wir in der Thür ihres Gemachs verweilen durften. Wenn sie
trinken will, so bringt eine Page (menin) das Glas einer Dame,
welche niederkniet, ebenso wie der Page; und auf der andern
Seite ist ebenfalls eine Knieende, die ihr die Serviette reicht,
gegenüber steht eine Ehrendame“. Liest sich diese Stelle nicht
wie eine Beschreibung unsers Gemäldes? Hier ist das damals
fünf Jahre zählende, stets von dienenden Elfen, getreuen Eckarts,
unterwürfigen Gnomen umringte kleine Idol als Centrum, als
Sonne seiner Sphäre dargestellt, wo dann Licht und Schatten,
Schönheit und Ungestalt einträchtig zusammenwirken ihm zu
dienen.

Das Gemälde führt in Spanien den Namen Las Meninas.
Und nicht ohne Grund. Diese Edelfräulein waren jedenfalls für
den Spanier die anziehendsten Figuren des Ganzen, denn es sind
dunkelaugige Kinder seiner Rasse, schöne jugendliche Blüten
altcastilischer Stammbäume. Schönheiten wurden überhaupt für
dieses Amt ausgesucht. Mad. d’Aulnoy, die sie im Jahre 1680
sah, nennt sie plus belles que l’on ne peint l’amour. In ihren
Verbeugungen, Kniebeugungen, liegt eine angeborene Grazie,
die selbst über die unförmliche Tracht siegt.

Das Bild war so angesehen, dass die Namen des sämmtlichen
Personals aufbewahrt wurden. Die Kniende im Profil ist Doña
Maria Agostina, Tochter des Don Diego Sarmiento; sie reicht der
Infantin auf goldner Schale Wasser in einem rothen Schälchen
von bucaro, einem feinen wolriechenden Thon, der aus Ostindien
kam. Die andre, welche leicht knixend ihr gegenüber steht, ist
Doña Isabel de Velasco, Tochter des Don Bernardino Lopez de
Ayala y Velasco, Grafen von Fuensalida. Sie blühte auf zu
seltener Schönheit, starb aber schon nach drei Jahren.

Diese Meninas warteten der Königin und den Infantinnen
auf vom Kindesalter ab bis zur Zeit des Frauenpantoffels (chapin);
sie trugen niedrige Schuhe und eine Art Sandalen mit hohem
Absatz, in die man den beschuhten Fuss steckte; weder im Pa-
last noch aussen Mantel und Hut.

Zur Rechten dieses zierlichen Kleeblatts, weiter vorn, stehn
zwei ganz andre Gespielen, mit dem monumentalen, würdevoll

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[312/0332] Siebentes Buch. mächern des Cuarto de la Reina, in den Schranken unerbittlichen Cerimoniells. Die Memoiren der Mad. de Motteville schildern einen Besuch an der Schwelle des Zimmers der Infantin Maria Theresia. „Sie wird mit grosser Ehrerbietung bedient, wenige haben Zutritt, und es war eine besondre Vergünstigung, dass wir in der Thür ihres Gemachs verweilen durften. Wenn sie trinken will, so bringt eine Page (menin) das Glas einer Dame, welche niederkniet, ebenso wie der Page; und auf der andern Seite ist ebenfalls eine Knieende, die ihr die Serviette reicht, gegenüber steht eine Ehrendame“. Liest sich diese Stelle nicht wie eine Beschreibung unsers Gemäldes? Hier ist das damals fünf Jahre zählende, stets von dienenden Elfen, getreuen Eckarts, unterwürfigen Gnomen umringte kleine Idol als Centrum, als Sonne seiner Sphäre dargestellt, wo dann Licht und Schatten, Schönheit und Ungestalt einträchtig zusammenwirken ihm zu dienen. Das Gemälde führt in Spanien den Namen Las Meninas. Und nicht ohne Grund. Diese Edelfräulein waren jedenfalls für den Spanier die anziehendsten Figuren des Ganzen, denn es sind dunkelaugige Kinder seiner Rasse, schöne jugendliche Blüten altcastilischer Stammbäume. Schönheiten wurden überhaupt für dieses Amt ausgesucht. Mad. d’Aulnoy, die sie im Jahre 1680 sah, nennt sie plus belles que l’on ne peint l’amour. In ihren Verbeugungen, Kniebeugungen, liegt eine angeborene Grazie, die selbst über die unförmliche Tracht siegt. Das Bild war so angesehen, dass die Namen des sämmtlichen Personals aufbewahrt wurden. Die Kniende im Profil ist Doña Maria Agostina, Tochter des Don Diego Sarmiento; sie reicht der Infantin auf goldner Schale Wasser in einem rothen Schälchen von bucaro, einem feinen wolriechenden Thon, der aus Ostindien kam. Die andre, welche leicht knixend ihr gegenüber steht, ist Doña Isabel de Velasco, Tochter des Don Bernardino Lopez de Ayala y Velasco, Grafen von Fuensalida. Sie blühte auf zu seltener Schönheit, starb aber schon nach drei Jahren. Diese Meninas warteten der Königin und den Infantinnen auf vom Kindesalter ab bis zur Zeit des Frauenpantoffels (chapin); sie trugen niedrige Schuhe und eine Art Sandalen mit hohem Absatz, in die man den beschuhten Fuss steckte; weder im Pa- last noch aussen Mantel und Hut. Zur Rechten dieses zierlichen Kleeblatts, weiter vorn, stehn zwei ganz andre Gespielen, mit dem monumentalen, würdevoll

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/332>, abgerufen am 25.04.2024.