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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Maria Theresia.
Ministers Haro, des Medina de las Torres, Onnate's, die damals
werthvolle Gemälde enthielten, wurden besichtigt. Bei der Ab-
reise liess der Herzog unsrem Maler durch D. Christobal de Ga-
viria eine reiche goldne Uhr überreichen.

Dabei mögen die Herren, wenn es gestattet ist auch in
Memoiren noch zwischen den Zeilen zu lesen, an die Vergangen-
heit und an die Zukunft gedacht haben. An die Vergangenheit
vor jenem gewaltigen Ahnenbild Carl V, der einst im Nordwest-
thurm dieses Alcazar ihren König gefangen gehalten hatte; an
die Zukunft beim Anblick der beiden welken Sprossen des Hauses,
auf dessen Erbschaft sie durch diese Heirath die Hand gelegt
hatten.

Unsre Infantin machte auch auf die Damen einen günstigen
Eindruck; dem Botschafter fiel auf, dass seine Beredsamkeit ihr
nichts als einige stereotype "sacramentale" Höflichkeitsformeln
entlocken konnte 1). Bei der Zusammenkunft im Saal der Fasanen-
insel des Bidasoa sah sie, von der Thür aus, zum erstenmale,
incognito, der zweiundzwanzigjährige König. Er entsetzte sich
über ihren Anzug, fand aber dann "dass sie doch viel Schönheit
besitze und dass es ihm leicht fallen werde, sie zu lieben." Phi-
lipp war entzückt über seinen hübschen Schwiegersohn (lindo
yerno
).

Maria Theresia bewahrte ihrem Gemahl die Hingebung,
welche sie ihm längst aus weiter Ferne gewidmet; sie hatte
"keinen Willen als den seinigen, keinen Wunsch als den, ihm
zu gefallen". Allein die Spanierin vermochte Ludwig neben
den lebhaften und geistreichen Damen jenes Hofs (wie
der Nichte Mazarin's) nicht zu fesseln. Ihr Geist war zu be-
schränkt, zu wenig beweglich; ihre Bildung erhob sich nicht
über das Niveau der gemeinen Spanierin. Ihre klösterliche
Devotion, ihre kindisch einfältige Empfindlichkeit erregte dort
Lächeln, und da ihr Wesen so sanft und rein war, Mitleid. Sie
hat Ludwig XIV von Anfang an gelangweilt, obwol er bei ihrem
Tod gesagt hat, das sei der erste Schmerz, den sie ihm ver-
ursacht.

Die Infantin Margarita.

Der Verbindung Philipp IV mit seiner Nichte Marianna
entspross ein liebliches Töchterchen, Margaretha (geb. 12. Juli

1) Como esta la reina mi tia? -- Decid a la reina mi tia, que yo estare siempre
muy rendida a su voluntad.

Maria Theresia.
Ministers Haro, des Medina de las Torres, Oñate’s, die damals
werthvolle Gemälde enthielten, wurden besichtigt. Bei der Ab-
reise liess der Herzog unsrem Maler durch D. Christóbal de Ga-
viria eine reiche goldne Uhr überreichen.

Dabei mögen die Herren, wenn es gestattet ist auch in
Memoiren noch zwischen den Zeilen zu lesen, an die Vergangen-
heit und an die Zukunft gedacht haben. An die Vergangenheit
vor jenem gewaltigen Ahnenbild Carl V, der einst im Nordwest-
thurm dieses Alcazar ihren König gefangen gehalten hatte; an
die Zukunft beim Anblick der beiden welken Sprossen des Hauses,
auf dessen Erbschaft sie durch diese Heirath die Hand gelegt
hatten.

Unsre Infantin machte auch auf die Damen einen günstigen
Eindruck; dem Botschafter fiel auf, dass seine Beredsamkeit ihr
nichts als einige stereotype „sacramentale“ Höflichkeitsformeln
entlocken konnte 1). Bei der Zusammenkunft im Saal der Fasanen-
insel des Bidasoa sah sie, von der Thür aus, zum erstenmale,
incognito, der zweiundzwanzigjährige König. Er entsetzte sich
über ihren Anzug, fand aber dann „dass sie doch viel Schönheit
besitze und dass es ihm leicht fallen werde, sie zu lieben.“ Phi-
lipp war entzückt über seinen hübschen Schwiegersohn (lindo
yerno
).

Maria Theresia bewahrte ihrem Gemahl die Hingebung,
welche sie ihm längst aus weiter Ferne gewidmet; sie hatte
„keinen Willen als den seinigen, keinen Wunsch als den, ihm
zu gefallen“. Allein die Spanierin vermochte Ludwig neben
den lebhaften und geistreichen Damen jenes Hofs (wie
der Nichte Mazarin’s) nicht zu fesseln. Ihr Geist war zu be-
schränkt, zu wenig beweglich; ihre Bildung erhob sich nicht
über das Niveau der gemeinen Spanierin. Ihre klösterliche
Devotion, ihre kindisch einfältige Empfindlichkeit erregte dort
Lächeln, und da ihr Wesen so sanft und rein war, Mitleid. Sie
hat Ludwig XIV von Anfang an gelangweilt, obwol er bei ihrem
Tod gesagt hat, das sei der erste Schmerz, den sie ihm ver-
ursacht.

Die Infantin Margarita.

Der Verbindung Philipp IV mit seiner Nichte Marianna
entspross ein liebliches Töchterchen, Margaretha (geb. 12. Juli

1) Como está la reina mi tia? — Decid á la reina mi tia, que yo estaré siempre
muy rendida á su voluntad.
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[301/0321] Maria Theresia. Ministers Haro, des Medina de las Torres, Oñate’s, die damals werthvolle Gemälde enthielten, wurden besichtigt. Bei der Ab- reise liess der Herzog unsrem Maler durch D. Christóbal de Ga- viria eine reiche goldne Uhr überreichen. Dabei mögen die Herren, wenn es gestattet ist auch in Memoiren noch zwischen den Zeilen zu lesen, an die Vergangen- heit und an die Zukunft gedacht haben. An die Vergangenheit vor jenem gewaltigen Ahnenbild Carl V, der einst im Nordwest- thurm dieses Alcazar ihren König gefangen gehalten hatte; an die Zukunft beim Anblick der beiden welken Sprossen des Hauses, auf dessen Erbschaft sie durch diese Heirath die Hand gelegt hatten. Unsre Infantin machte auch auf die Damen einen günstigen Eindruck; dem Botschafter fiel auf, dass seine Beredsamkeit ihr nichts als einige stereotype „sacramentale“ Höflichkeitsformeln entlocken konnte 1). Bei der Zusammenkunft im Saal der Fasanen- insel des Bidasoa sah sie, von der Thür aus, zum erstenmale, incognito, der zweiundzwanzigjährige König. Er entsetzte sich über ihren Anzug, fand aber dann „dass sie doch viel Schönheit besitze und dass es ihm leicht fallen werde, sie zu lieben.“ Phi- lipp war entzückt über seinen hübschen Schwiegersohn (lindo yerno). Maria Theresia bewahrte ihrem Gemahl die Hingebung, welche sie ihm längst aus weiter Ferne gewidmet; sie hatte „keinen Willen als den seinigen, keinen Wunsch als den, ihm zu gefallen“. Allein die Spanierin vermochte Ludwig neben den lebhaften und geistreichen Damen jenes Hofs (wie der Nichte Mazarin’s) nicht zu fesseln. Ihr Geist war zu be- schränkt, zu wenig beweglich; ihre Bildung erhob sich nicht über das Niveau der gemeinen Spanierin. Ihre klösterliche Devotion, ihre kindisch einfältige Empfindlichkeit erregte dort Lächeln, und da ihr Wesen so sanft und rein war, Mitleid. Sie hat Ludwig XIV von Anfang an gelangweilt, obwol er bei ihrem Tod gesagt hat, das sei der erste Schmerz, den sie ihm ver- ursacht. Die Infantin Margarita. Der Verbindung Philipp IV mit seiner Nichte Marianna entspross ein liebliches Töchterchen, Margaretha (geb. 12. Juli 1) Como está la reina mi tia? — Decid á la reina mi tia, que yo estaré siempre muy rendida á su voluntad.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/321>, abgerufen am 28.03.2024.