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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Die Königin Marianne.
Auch die Farbenzusammenstellung der Bilder wird ernster,
dunkler.

So sieht man sie in den drei grossen Gemälden des Museums
des Prado, welche den letzten Jahren des Meisters angehören
müssen; sie zählte fünfundzwanzig Jahre, als er starb. Diess
sind wohl die reizlosesten Bilder die er hat malen müssen.

Das beste scheint ein Einzelbild (1078), in ganzer Figur; es
ist bis auf die Nebensachen (z. B. die Umrisse des Taschentuchs)
genau wiederholt in dem Gegenstück zu ihrem Gemahl in Rü-
stung (1079). Sie trägt ein schwarzes Kleid, mit breiten silber-
gestickten Borten an Leibchen, Schooss und unterm Rand.
Rosa Vorhang, Sessel, Tisch (mit vergoldeter Standuhr) auf grün-
lich grauem Grund, sind durch bräunliche Halbtöne gedämpft.
Einen Unterschied des Pinsels kann man nicht entdecken; nur
sind in Nr. 1078 die Hände weicher modellirt und die Harmonie
um eine Idee besser. Dieselbe Aufnahme liegt der Halbfigur zu
Grunde, welche in Manchester war, und aus der Sammlung Hugh
Baillie an Hercules B. Brabazon kam. In dem Bild des Prado
(1082), wo sie dem König gegenüber vor einem breiten Betpult
kniet, scheint sie älter, die Augen wie leidend. Diese Gestalt
steht auf tiefrothem Grund, den ein schwerer Vorhang um-
rahmt. Er ist von demselben Stoff wie die weit sich ausbreitende
Decke des reclinatorio: orange- und perlfarbiger Silberbrokat
mit orientalischen Mustern. Die das Brevier fassenden Hände
sind etwas unglücklich gekrümmt. -- Das letztere Paar ist
für den Escorial gemalt worden.

Neuerdings ist ein merkwürdiges Bildniss in Wien (Nr. 618)
zum Vorschein gekommen. Es muss nicht lange vor dem Tod
des Königs gemalt sein und nach dem Tode des Velazquez, von
dessen Auffassung und Farbengefühl es ganz abweicht, aber
diessmal nicht zu seinem Nachtheil. Aus dem Gesicht ist die
Schminke, aus den Haaren die brennendrothe Bänderzier ver-
schwunden; der feine schwarze Spitzenbesatz der Säume macht
sich gut auf dem hellrothen gesteppten Kleid, das wieder zur
Glockenform zurückgekehrt ist. Das warme, bernsteinartige Re-
flexlicht, hier im Einklang mit den Formen der vollen, noch an-
ziehenden Gestalt, stimmt vortrefflich zu dem dämmerigen gold-
brochirten rothen Vorhang dahinter. Ueber den Augen liegt ein
zarter Goldton wie ein Schleier, und dazu stimmt ein Zug
von Melancholie. Sie trägt einen überaus reichen Perlenschmuck,
zwei Hauptexemplare über den Schläfen und an der Brust,

Die Königin Marianne.
Auch die Farbenzusammenstellung der Bilder wird ernster,
dunkler.

So sieht man sie in den drei grossen Gemälden des Museums
des Prado, welche den letzten Jahren des Meisters angehören
müssen; sie zählte fünfundzwanzig Jahre, als er starb. Diess
sind wohl die reizlosesten Bilder die er hat malen müssen.

Das beste scheint ein Einzelbild (1078), in ganzer Figur; es
ist bis auf die Nebensachen (z. B. die Umrisse des Taschentuchs)
genau wiederholt in dem Gegenstück zu ihrem Gemahl in Rü-
stung (1079). Sie trägt ein schwarzes Kleid, mit breiten silber-
gestickten Borten an Leibchen, Schooss und unterm Rand.
Rosa Vorhang, Sessel, Tisch (mit vergoldeter Standuhr) auf grün-
lich grauem Grund, sind durch bräunliche Halbtöne gedämpft.
Einen Unterschied des Pinsels kann man nicht entdecken; nur
sind in Nr. 1078 die Hände weicher modellirt und die Harmonie
um eine Idee besser. Dieselbe Aufnahme liegt der Halbfigur zu
Grunde, welche in Manchester war, und aus der Sammlung Hugh
Baillie an Hercules B. Brabazon kam. In dem Bild des Prado
(1082), wo sie dem König gegenüber vor einem breiten Betpult
kniet, scheint sie älter, die Augen wie leidend. Diese Gestalt
steht auf tiefrothem Grund, den ein schwerer Vorhang um-
rahmt. Er ist von demselben Stoff wie die weit sich ausbreitende
Decke des reclinatorio: orange- und perlfarbiger Silberbrokat
mit orientalischen Mustern. Die das Brevier fassenden Hände
sind etwas unglücklich gekrümmt. — Das letztere Paar ist
für den Escorial gemalt worden.

Neuerdings ist ein merkwürdiges Bildniss in Wien (Nr. 618)
zum Vorschein gekommen. Es muss nicht lange vor dem Tod
des Königs gemalt sein und nach dem Tode des Velazquez, von
dessen Auffassung und Farbengefühl es ganz abweicht, aber
diessmal nicht zu seinem Nachtheil. Aus dem Gesicht ist die
Schminke, aus den Haaren die brennendrothe Bänderzier ver-
schwunden; der feine schwarze Spitzenbesatz der Säume macht
sich gut auf dem hellrothen gesteppten Kleid, das wieder zur
Glockenform zurückgekehrt ist. Das warme, bernsteinartige Re-
flexlicht, hier im Einklang mit den Formen der vollen, noch an-
ziehenden Gestalt, stimmt vortrefflich zu dem dämmerigen gold-
brochirten rothen Vorhang dahinter. Ueber den Augen liegt ein
zarter Goldton wie ein Schleier, und dazu stimmt ein Zug
von Melancholie. Sie trägt einen überaus reichen Perlenschmuck,
zwei Hauptexemplare über den Schläfen und an der Brust,

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[293/0313] Die Königin Marianne. Auch die Farbenzusammenstellung der Bilder wird ernster, dunkler. So sieht man sie in den drei grossen Gemälden des Museums des Prado, welche den letzten Jahren des Meisters angehören müssen; sie zählte fünfundzwanzig Jahre, als er starb. Diess sind wohl die reizlosesten Bilder die er hat malen müssen. Das beste scheint ein Einzelbild (1078), in ganzer Figur; es ist bis auf die Nebensachen (z. B. die Umrisse des Taschentuchs) genau wiederholt in dem Gegenstück zu ihrem Gemahl in Rü- stung (1079). Sie trägt ein schwarzes Kleid, mit breiten silber- gestickten Borten an Leibchen, Schooss und unterm Rand. Rosa Vorhang, Sessel, Tisch (mit vergoldeter Standuhr) auf grün- lich grauem Grund, sind durch bräunliche Halbtöne gedämpft. Einen Unterschied des Pinsels kann man nicht entdecken; nur sind in Nr. 1078 die Hände weicher modellirt und die Harmonie um eine Idee besser. Dieselbe Aufnahme liegt der Halbfigur zu Grunde, welche in Manchester war, und aus der Sammlung Hugh Baillie an Hercules B. Brabazon kam. In dem Bild des Prado (1082), wo sie dem König gegenüber vor einem breiten Betpult kniet, scheint sie älter, die Augen wie leidend. Diese Gestalt steht auf tiefrothem Grund, den ein schwerer Vorhang um- rahmt. Er ist von demselben Stoff wie die weit sich ausbreitende Decke des reclinatorio: orange- und perlfarbiger Silberbrokat mit orientalischen Mustern. Die das Brevier fassenden Hände sind etwas unglücklich gekrümmt. — Das letztere Paar ist für den Escorial gemalt worden. Neuerdings ist ein merkwürdiges Bildniss in Wien (Nr. 618) zum Vorschein gekommen. Es muss nicht lange vor dem Tod des Königs gemalt sein und nach dem Tode des Velazquez, von dessen Auffassung und Farbengefühl es ganz abweicht, aber diessmal nicht zu seinem Nachtheil. Aus dem Gesicht ist die Schminke, aus den Haaren die brennendrothe Bänderzier ver- schwunden; der feine schwarze Spitzenbesatz der Säume macht sich gut auf dem hellrothen gesteppten Kleid, das wieder zur Glockenform zurückgekehrt ist. Das warme, bernsteinartige Re- flexlicht, hier im Einklang mit den Formen der vollen, noch an- ziehenden Gestalt, stimmt vortrefflich zu dem dämmerigen gold- brochirten rothen Vorhang dahinter. Ueber den Augen liegt ein zarter Goldton wie ein Schleier, und dazu stimmt ein Zug von Melancholie. Sie trägt einen überaus reichen Perlenschmuck, zwei Hauptexemplare über den Schläfen und an der Brust,

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/313>, abgerufen am 28.03.2024.