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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Siebentes Buch.
bekannter sein, denn er war ohne Zweifel der beste spanische
Landschaftsmaler. Von der Klarheit und Weite, der Dünnheit
der Bodenbekleidung und dem kühlen Silber- oder Staubton des
Velazquez sind sie weit entfernt; sie gravitiren mehr nach den
Flamändern, wie Jacques d'Arthois, als nach der heroischen Land-
schaft der Franzosen und Italiener, der romantische Zug des
Spaniers verläugnet sich auch hier nicht. Die Figürchen zeigen
Erzählungstalent und Leichtigkeit der Erfindung.

Mazo hatte wahrscheinlich grossen Antheil an mehreren
landschaftlichen Bildern, Parkansichten u. a., die in den Inven-
taren und auch noch im Katalog des Museums seinem Lehrer zuge-
schrieben werden (S. Band I, 351 ff.). Ihre Uebereinstimmung mit
seinen sichern Arbeiten in Formen, Farben und Staffage ist ebenso
auffallend wie ihre Verschiedenheit von den Hintergründen in
den Reiterbildern. Es ist der Mühe werth die Aufmerksamkeit
auf diese Frage zu lenken, da man oft den Landschaftsstil des
Velazquez ganz unzutreffend nach Mazo's Werken beschrieben
hat1). Trübe, braune Laubmassen, gelbe Sonnenblicke durch die
Zweige, undeutlich skizzirte Figuren verrathen die Hand des
Schülers.

Einige Landschaftsbilder sind dem Velazquez wol nur zu-
geschrieben worden, weil sie klassische Ruinen enthielten, obwol
sie noch im vorigen Jahrhundert für Mazo galten2).

Das Ruinenstück Nr. 1114 lässt in einen schmalen und hohen
gewölbten Gang blicken, dessen Kreislinie, sowie eine mächtige
Schale aus Travertinquadern an das Colosseum erinnern. Wahr-
scheinlich liegt dem Gemälde ein Prospekt des Hieronymus
Cock zu Grunde (Collosei. ro. prospectus).

Das Gegenstück (Nr. 1113) zeigt die Fassade eines mäch-
tigen Baus, auf dessen verfallenem, von Gras und Gesträuch
überwuchertem Gesims noch eine Bildsäule aufrecht steht. In
dem von zwei Säulenpaaren flankirten Thor steht eine Priesterin,
der sich von allen Seiten Paare mit Geschenken nähern, eine
Knieende überreicht ihr ein goldnes Gefäss. Den Schlüssel

1) Z. B. Ch. Blanc in der Histoire des peintres, Vel. S. 6. Er spricht von
kühnen brutalen Borstenpinseln, hartem Strich, rohen Zusammenstellungen, von
Entwirrung und Harmonisirung bei Fernsicht, während in der Nähe die Massen
von Boden, Baumschlag, Himmel ineinander fliessen.
2) Aranjuez, Ultima pieza de guardaropa. Ruinas de arquitectura. 4' x 5 1/2'
Ruinas de templo con columnas con una figura a la puerta de el, otra de rodillas
ofreciendo, y varias en distintas aptitudes. 800 Realen. Inventar von 1789.

Siebentes Buch.
bekannter sein, denn er war ohne Zweifel der beste spanische
Landschaftsmaler. Von der Klarheit und Weite, der Dünnheit
der Bodenbekleidung und dem kühlen Silber- oder Staubton des
Velazquez sind sie weit entfernt; sie gravitiren mehr nach den
Flamändern, wie Jacques d’Arthois, als nach der heroischen Land-
schaft der Franzosen und Italiener, der romantische Zug des
Spaniers verläugnet sich auch hier nicht. Die Figürchen zeigen
Erzählungstalent und Leichtigkeit der Erfindung.

Mazo hatte wahrscheinlich grossen Antheil an mehreren
landschaftlichen Bildern, Parkansichten u. a., die in den Inven-
taren und auch noch im Katalog des Museums seinem Lehrer zuge-
schrieben werden (S. Band I, 351 ff.). Ihre Uebereinstimmung mit
seinen sichern Arbeiten in Formen, Farben und Staffage ist ebenso
auffallend wie ihre Verschiedenheit von den Hintergründen in
den Reiterbildern. Es ist der Mühe werth die Aufmerksamkeit
auf diese Frage zu lenken, da man oft den Landschaftsstil des
Velazquez ganz unzutreffend nach Mazo’s Werken beschrieben
hat1). Trübe, braune Laubmassen, gelbe Sonnenblicke durch die
Zweige, undeutlich skizzirte Figuren verrathen die Hand des
Schülers.

Einige Landschaftsbilder sind dem Velazquez wol nur zu-
geschrieben worden, weil sie klassische Ruinen enthielten, obwol
sie noch im vorigen Jahrhundert für Mazo galten2).

Das Ruinenstück Nr. 1114 lässt in einen schmalen und hohen
gewölbten Gang blicken, dessen Kreislinie, sowie eine mächtige
Schale aus Travertinquadern an das Colosseum erinnern. Wahr-
scheinlich liegt dem Gemälde ein Prospekt des Hieronymus
Cock zu Grunde (Collosei. ro. prospectus).

Das Gegenstück (Nr. 1113) zeigt die Fassade eines mäch-
tigen Baus, auf dessen verfallenem, von Gras und Gesträuch
überwuchertem Gesims noch eine Bildsäule aufrecht steht. In
dem von zwei Säulenpaaren flankirten Thor steht eine Priesterin,
der sich von allen Seiten Paare mit Geschenken nähern, eine
Knieende überreicht ihr ein goldnes Gefäss. Den Schlüssel

1) Z. B. Ch. Blanc in der Histoire des peintres, Vel. S. 6. Er spricht von
kühnen brutalen Borstenpinseln, hartem Strich, rohen Zusammenstellungen, von
Entwirrung und Harmonisirung bei Fernsicht, während in der Nähe die Massen
von Boden, Baumschlag, Himmel ineinander fliessen.
2) Aranjuez, Ultima pieza de guardaropa. Ruinas de arquitectura. 4' × 5 ½'
Ruinas de templo con columnas con una figura á la puerta de él, otra de rodillas
ofreciendo, y varias en distintas aptitudes. 800 Realen. Inventar von 1789.
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[266/0286] Siebentes Buch. bekannter sein, denn er war ohne Zweifel der beste spanische Landschaftsmaler. Von der Klarheit und Weite, der Dünnheit der Bodenbekleidung und dem kühlen Silber- oder Staubton des Velazquez sind sie weit entfernt; sie gravitiren mehr nach den Flamändern, wie Jacques d’Arthois, als nach der heroischen Land- schaft der Franzosen und Italiener, der romantische Zug des Spaniers verläugnet sich auch hier nicht. Die Figürchen zeigen Erzählungstalent und Leichtigkeit der Erfindung. Mazo hatte wahrscheinlich grossen Antheil an mehreren landschaftlichen Bildern, Parkansichten u. a., die in den Inven- taren und auch noch im Katalog des Museums seinem Lehrer zuge- schrieben werden (S. Band I, 351 ff.). Ihre Uebereinstimmung mit seinen sichern Arbeiten in Formen, Farben und Staffage ist ebenso auffallend wie ihre Verschiedenheit von den Hintergründen in den Reiterbildern. Es ist der Mühe werth die Aufmerksamkeit auf diese Frage zu lenken, da man oft den Landschaftsstil des Velazquez ganz unzutreffend nach Mazo’s Werken beschrieben hat 1). Trübe, braune Laubmassen, gelbe Sonnenblicke durch die Zweige, undeutlich skizzirte Figuren verrathen die Hand des Schülers. Einige Landschaftsbilder sind dem Velazquez wol nur zu- geschrieben worden, weil sie klassische Ruinen enthielten, obwol sie noch im vorigen Jahrhundert für Mazo galten 2). Das Ruinenstück Nr. 1114 lässt in einen schmalen und hohen gewölbten Gang blicken, dessen Kreislinie, sowie eine mächtige Schale aus Travertinquadern an das Colosseum erinnern. Wahr- scheinlich liegt dem Gemälde ein Prospekt des Hieronymus Cock zu Grunde (Collosei. ro. prospectus). Das Gegenstück (Nr. 1113) zeigt die Fassade eines mäch- tigen Baus, auf dessen verfallenem, von Gras und Gesträuch überwuchertem Gesims noch eine Bildsäule aufrecht steht. In dem von zwei Säulenpaaren flankirten Thor steht eine Priesterin, der sich von allen Seiten Paare mit Geschenken nähern, eine Knieende überreicht ihr ein goldnes Gefäss. Den Schlüssel 1) Z. B. Ch. Blanc in der Histoire des peintres, Vel. S. 6. Er spricht von kühnen brutalen Borstenpinseln, hartem Strich, rohen Zusammenstellungen, von Entwirrung und Harmonisirung bei Fernsicht, während in der Nähe die Massen von Boden, Baumschlag, Himmel ineinander fliessen. 2) Aranjuez, Ultima pieza de guardaropa. Ruinas de arquitectura. 4' × 5 ½' Ruinas de templo con columnas con una figura á la puerta de él, otra de rodillas ofreciendo, y varias en distintas aptitudes. 800 Realen. Inventar von 1789.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/286>, abgerufen am 28.03.2024.