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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Die Schüler.
worden ist. Ihm fielen die traurigen Gestalten dieser dunkelsten
Zeit der spanischen Geschichte zu: der alte König, gebrochen
und verdüstert, das Antlitz abgemagert und verfallen; seine
Witwe im Nonnenkleid, die Infantin Margaretha im frühzeitigen
Verfall ihrer Schönheit1).

Näher besehn fallen diese Arbeiten doch merklich ab von
ihren Vorbildern; man sieht, er hat eine ihm fertig entgegen-
gebrachte Manier gelernt, ohne die Vorstudien, durch welche ihr
Urheber sie gefunden hatte. Das verräth sich an der unsichern
und nachlässigen Zeichnung, den misslungenen Verkürzungen,
dem Mangel an Haltung, den perspektivischen Fehlern, der
Nachdunklung in Folge unsolider Technik. Deshalb hat sich
Mazo nie auf Historienmalerei eingelassen.

Nur wo er bloss mit der Farbe operiren kann, in Mobiliar,
Blumensträussen, Figurenstaffage und Landschaften zeigt er
unverkennbare Begabung, gebildet durch das Studium der gros-
sen Coloristen. Sein Pinsel ist hier blühender und pastoser,
freilich auch hastiger und fleckiger als der des Meisters, dem der
Strich oft täuschend ähnelt. Der Ton fällt ins grüngelbliche.

Zu seinen vorzüglichsten Werken gehören ausser dem Fa-
milienbild, die Infantin Margaretha in Wien (Nr. 620), das Kind
in Kardinalstracht in der Galerie Harrach. Diess ist ein nicht
ohne Humor gemalter vierjähriger Knabe mit braunen Eulen-
augen, kleinen Hängebäckchen, voll vom Behagen strotzender
Gesundheit und dem Vergnügen seines purpurnen Masken-
kleids; ganz ähnlich den Kindern in jenem Familienbilde. Der
Blick aus dem Balkonfenster zeigt die Ufer des Mansanares an
der Westseite des Schlosses, mit einer Gesellschaft im Grünen.
Der Kopf hat nichts von dem Typus der königlichen Familie,
auch gab es damals keinen Cardinal in kindlichem Alter; viel-
leicht ist es das Söhnchen eines grossen Herrn, wo nicht des
Malers selbst, das dem geistlichen Stand bestimmt war.

Eigenthümlich und sehr abweichend vom Stil des Meisters
war Mazo in Landschaften. Sie sind zahlreich: Veduten, wie
die von Saragossa, sieben Ansichten des Escorial, Lust-
schlösser und Parks, Jagden; besonders aber sehr umfang-
reiche Stücke mit epischer und mythologischer Staffage. Wären
sie nicht stark nachgedunkelt, so würde Mazo's Name viel

1) Philipp IV. im Prado 1117, Galerie Louis-Philippe 77, später H. Huth;
Marianne in Castle Howard; Margarethe im Prado 790 Gal. La Caze 89.

Die Schüler.
worden ist. Ihm fielen die traurigen Gestalten dieser dunkelsten
Zeit der spanischen Geschichte zu: der alte König, gebrochen
und verdüstert, das Antlitz abgemagert und verfallen; seine
Witwe im Nonnenkleid, die Infantin Margaretha im frühzeitigen
Verfall ihrer Schönheit1).

Näher besehn fallen diese Arbeiten doch merklich ab von
ihren Vorbildern; man sieht, er hat eine ihm fertig entgegen-
gebrachte Manier gelernt, ohne die Vorstudien, durch welche ihr
Urheber sie gefunden hatte. Das verräth sich an der unsichern
und nachlässigen Zeichnung, den misslungenen Verkürzungen,
dem Mangel an Haltung, den perspektivischen Fehlern, der
Nachdunklung in Folge unsolider Technik. Deshalb hat sich
Mazo nie auf Historienmalerei eingelassen.

Nur wo er bloss mit der Farbe operiren kann, in Mobiliar,
Blumensträussen, Figurenstaffage und Landschaften zeigt er
unverkennbare Begabung, gebildet durch das Studium der gros-
sen Coloristen. Sein Pinsel ist hier blühender und pastoser,
freilich auch hastiger und fleckiger als der des Meisters, dem der
Strich oft täuschend ähnelt. Der Ton fällt ins grüngelbliche.

Zu seinen vorzüglichsten Werken gehören ausser dem Fa-
milienbild, die Infantin Margaretha in Wien (Nr. 620), das Kind
in Kardinalstracht in der Galerie Harrach. Diess ist ein nicht
ohne Humor gemalter vierjähriger Knabe mit braunen Eulen-
augen, kleinen Hängebäckchen, voll vom Behagen strotzender
Gesundheit und dem Vergnügen seines purpurnen Masken-
kleids; ganz ähnlich den Kindern in jenem Familienbilde. Der
Blick aus dem Balkonfenster zeigt die Ufer des Mansanares an
der Westseite des Schlosses, mit einer Gesellschaft im Grünen.
Der Kopf hat nichts von dem Typus der königlichen Familie,
auch gab es damals keinen Cardinal in kindlichem Alter; viel-
leicht ist es das Söhnchen eines grossen Herrn, wo nicht des
Malers selbst, das dem geistlichen Stand bestimmt war.

Eigenthümlich und sehr abweichend vom Stil des Meisters
war Mazo in Landschaften. Sie sind zahlreich: Veduten, wie
die von Saragossa, sieben Ansichten des Escorial, Lust-
schlösser und Parks, Jagden; besonders aber sehr umfang-
reiche Stücke mit epischer und mythologischer Staffage. Wären
sie nicht stark nachgedunkelt, so würde Mazo’s Name viel

1) Philipp IV. im Prado 1117, Galerie Louis-Philippe 77, später H. Huth;
Marianne in Castle Howard; Margarethe im Prado 790 Gal. La Caze 89.
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[265/0285] Die Schüler. worden ist. Ihm fielen die traurigen Gestalten dieser dunkelsten Zeit der spanischen Geschichte zu: der alte König, gebrochen und verdüstert, das Antlitz abgemagert und verfallen; seine Witwe im Nonnenkleid, die Infantin Margaretha im frühzeitigen Verfall ihrer Schönheit 1). Näher besehn fallen diese Arbeiten doch merklich ab von ihren Vorbildern; man sieht, er hat eine ihm fertig entgegen- gebrachte Manier gelernt, ohne die Vorstudien, durch welche ihr Urheber sie gefunden hatte. Das verräth sich an der unsichern und nachlässigen Zeichnung, den misslungenen Verkürzungen, dem Mangel an Haltung, den perspektivischen Fehlern, der Nachdunklung in Folge unsolider Technik. Deshalb hat sich Mazo nie auf Historienmalerei eingelassen. Nur wo er bloss mit der Farbe operiren kann, in Mobiliar, Blumensträussen, Figurenstaffage und Landschaften zeigt er unverkennbare Begabung, gebildet durch das Studium der gros- sen Coloristen. Sein Pinsel ist hier blühender und pastoser, freilich auch hastiger und fleckiger als der des Meisters, dem der Strich oft täuschend ähnelt. Der Ton fällt ins grüngelbliche. Zu seinen vorzüglichsten Werken gehören ausser dem Fa- milienbild, die Infantin Margaretha in Wien (Nr. 620), das Kind in Kardinalstracht in der Galerie Harrach. Diess ist ein nicht ohne Humor gemalter vierjähriger Knabe mit braunen Eulen- augen, kleinen Hängebäckchen, voll vom Behagen strotzender Gesundheit und dem Vergnügen seines purpurnen Masken- kleids; ganz ähnlich den Kindern in jenem Familienbilde. Der Blick aus dem Balkonfenster zeigt die Ufer des Mansanares an der Westseite des Schlosses, mit einer Gesellschaft im Grünen. Der Kopf hat nichts von dem Typus der königlichen Familie, auch gab es damals keinen Cardinal in kindlichem Alter; viel- leicht ist es das Söhnchen eines grossen Herrn, wo nicht des Malers selbst, das dem geistlichen Stand bestimmt war. Eigenthümlich und sehr abweichend vom Stil des Meisters war Mazo in Landschaften. Sie sind zahlreich: Veduten, wie die von Saragossa, sieben Ansichten des Escorial, Lust- schlösser und Parks, Jagden; besonders aber sehr umfang- reiche Stücke mit epischer und mythologischer Staffage. Wären sie nicht stark nachgedunkelt, so würde Mazo’s Name viel 1) Philipp IV. im Prado 1117, Galerie Louis-Philippe 77, später H. Huth; Marianne in Castle Howard; Margarethe im Prado 790 Gal. La Caze 89.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/285>, abgerufen am 29.03.2024.