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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Siebentes Buch.
dächtige Gemüth, als dass sie über bestimmte Eigenschaften der
Darstellung belehrte. Ich gebe eine vollständige Uebersicht.

Die Erfindung und das Motiv loben Ausdrücke wie: invencion
rara, capricho nuevo
(XI), excelentisimo capricho (II). Einmal kommt,
bei dem heil. Sebastian (XVII) vor: lindamente plantado (hübsch gestellt).

Die Composition ist bei Paolo sogar über alles Lob: el concierto
y armonia del historiado superior al encarecimiento
(XI); er sagt auch:
disposicion rara. Die Landschaft in der "Perle" heisst pais bien aplicado
a las figuras
.

Die Schönheit des Heilands und der Maria Raphaels, Paolo's,
Correggio's wird gepriesen: Christus ist hermosisimo (XI), bellisimo (XV);
Mariens Antlitz divino, hermosisimo y modesto (VII), hermoso y grave
(beim Tobias Raphaels V); die Magdalena Correggio's bellisima (VI).

Der Ausdruck des Angesichts der Mutter Gottes gegenüber dem
Auferstandenen ist de grande afecto (XI): das jener Magdalena de ternisimo
afecto
; von Tobias und dem Engel heisst es: es notable la devocion,
reverencia y afecto
.

Das Colorit wird oft gelobt, und zwar bei den Meistern der
römischen wie der venezianischen Schule, z. B. pintado lindamente (XV),
excelentemente (XI), colorido milagrosamente (XX), divinamente (XVII).
Paolo malt con singular gracia y lindo gusto (XII), er hat nobleza y
manera grande
; Sebastian grandeza y fuerza, Pordenone's (d. h. Gior-
gione's) Madonna ist gemalt con muy buen gusto (X). Caravaggio's Art
wird als bekannt vorausgesetzt: de aquella su manera.

Hier begegnen uns auch einige Bemerkungen bestimmter, mehr fach-
männischer Art. In der Landschaft bei Andrea (III) stimmen die Farben
gut zur Composition (bien a proposito). Zweimal wird auf die Bedeutung
gewisser Nebenfiguren aufmerksam gemacht. In der Hochzeit Paolo's
und in der Purification sieht man eine Figur in gelbem, gestreiften Ge-
wand (das einemal ein Negerknabe) in Verbindung mit einer weissen
Fläche, das einemal einem Altartuch, das andremal ebenfalls einer Figur.
Von diesen heisst es: compone lo historiado maravillosamente (VII); sus
manchas hacen gran harmonia a la composicion
(IV).

Sehr oft wird die Lebendigkeit und illusorische Naturwahrheit,
zum Theil in hyperbolischen Ausdrücken gerühmt. "Wirklichkeit, nicht
Gemälde" (verdad, no pintura II) ist das Schlagwort. Das Jesuskind
Paolo's mas parece vivo y de carne que pintado (VII). Tienen vida;
vivisima aptitud; rara viveza
hat die Armbewegung des Kindes bei
Andrea; die Köpfe in der Hochzeit, der Henker Sebastians scheinen
Bildnisse. Die Landschaft im Noli me tangere Correggio's täuscht und
erheitert das Auge (enganna la vista y la alegra igualmente (VI).

Siebentes Buch.
dächtige Gemüth, als dass sie über bestimmte Eigenschaften der
Darstellung belehrte. Ich gebe eine vollständige Uebersicht.

Die Erfindung und das Motiv loben Ausdrücke wie: invencion
rara, capricho nuevo
(XI), excelentisimo capricho (II). Einmal kommt,
bei dem heil. Sebastian (XVII) vor: lindamente plantado (hübsch gestellt).

Die Composition ist bei Paolo sogar über alles Lob: el concierto
y armonia del historiado superior al encarecimiento
(XI); er sagt auch:
disposicion rara. Die Landschaft in der „Perle“ heisst pais bien aplicado
á las figuras
.

Die Schönheit des Heilands und der Maria Raphaels, Paolo’s,
Correggio’s wird gepriesen: Christus ist hermosisimo (XI), bellísimo (XV);
Mariens Antlitz divino, hermosisimo y modesto (VII), hermoso y grave
(beim Tobias Raphaels V); die Magdalena Correggio’s bellisima (VI).

Der Ausdruck des Angesichts der Mutter Gottes gegenüber dem
Auferstandenen ist de grande afecto (XI): das jener Magdalena de ternisimo
afecto
; von Tobias und dem Engel heisst es: es notable la devocion,
reverencia y afecto
.

Das Colorit wird oft gelobt, und zwar bei den Meistern der
römischen wie der venezianischen Schule, z. B. pintado lindamente (XV),
excelentemente (XI), colorido milagrosamente (XX), divinamente (XVII).
Paolo malt con singular gracia y lindo gusto (XII), er hat nobleza y
manera grande
; Sebastian grandeza y fuerza, Pordenone’s (d. h. Gior-
gione’s) Madonna ist gemalt con muy buen gusto (X). Caravaggio’s Art
wird als bekannt vorausgesetzt: de aquella su manera.

Hier begegnen uns auch einige Bemerkungen bestimmter, mehr fach-
männischer Art. In der Landschaft bei Andrea (III) stimmen die Farben
gut zur Composition (bien á proposito). Zweimal wird auf die Bedeutung
gewisser Nebenfiguren aufmerksam gemacht. In der Hochzeit Paolo’s
und in der Purification sieht man eine Figur in gelbem, gestreiften Ge-
wand (das einemal ein Negerknabe) in Verbindung mit einer weissen
Fläche, das einemal einem Altartuch, das andremal ebenfalls einer Figur.
Von diesen heisst es: compone lo historiado maravillosamente (VII); sus
manchas hacen gran harmonia á la composicion
(IV).

Sehr oft wird die Lebendigkeit und illusorische Naturwahrheit,
zum Theil in hyperbolischen Ausdrücken gerühmt. „Wirklichkeit, nicht
Gemälde“ (verdad, no pintura II) ist das Schlagwort. Das Jesuskind
Paolo’s mas parece vivo y de carne que pintado (VII). Tienen vida;
vivisima aptitud; rara viveza
hat die Armbewegung des Kindes bei
Andrea; die Köpfe in der Hochzeit, der Henker Sebastians scheinen
Bildnisse. Die Landschaft im Noli me tangere Correggio’s täuscht und
erheitert das Auge (engaña la vista y la alegra igualmente (VI).

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[252/0272] Siebentes Buch. dächtige Gemüth, als dass sie über bestimmte Eigenschaften der Darstellung belehrte. Ich gebe eine vollständige Uebersicht. Die Erfindung und das Motiv loben Ausdrücke wie: invencion rara, capricho nuevo (XI), excelentisimo capricho (II). Einmal kommt, bei dem heil. Sebastian (XVII) vor: lindamente plantado (hübsch gestellt). Die Composition ist bei Paolo sogar über alles Lob: el concierto y armonia del historiado superior al encarecimiento (XI); er sagt auch: disposicion rara. Die Landschaft in der „Perle“ heisst pais bien aplicado á las figuras. Die Schönheit des Heilands und der Maria Raphaels, Paolo’s, Correggio’s wird gepriesen: Christus ist hermosisimo (XI), bellísimo (XV); Mariens Antlitz divino, hermosisimo y modesto (VII), hermoso y grave (beim Tobias Raphaels V); die Magdalena Correggio’s bellisima (VI). Der Ausdruck des Angesichts der Mutter Gottes gegenüber dem Auferstandenen ist de grande afecto (XI): das jener Magdalena de ternisimo afecto; von Tobias und dem Engel heisst es: es notable la devocion, reverencia y afecto. Das Colorit wird oft gelobt, und zwar bei den Meistern der römischen wie der venezianischen Schule, z. B. pintado lindamente (XV), excelentemente (XI), colorido milagrosamente (XX), divinamente (XVII). Paolo malt con singular gracia y lindo gusto (XII), er hat nobleza y manera grande; Sebastian grandeza y fuerza, Pordenone’s (d. h. Gior- gione’s) Madonna ist gemalt con muy buen gusto (X). Caravaggio’s Art wird als bekannt vorausgesetzt: de aquella su manera. Hier begegnen uns auch einige Bemerkungen bestimmter, mehr fach- männischer Art. In der Landschaft bei Andrea (III) stimmen die Farben gut zur Composition (bien á proposito). Zweimal wird auf die Bedeutung gewisser Nebenfiguren aufmerksam gemacht. In der Hochzeit Paolo’s und in der Purification sieht man eine Figur in gelbem, gestreiften Ge- wand (das einemal ein Negerknabe) in Verbindung mit einer weissen Fläche, das einemal einem Altartuch, das andremal ebenfalls einer Figur. Von diesen heisst es: compone lo historiado maravillosamente (VII); sus manchas hacen gran harmonia á la composicion (IV). Sehr oft wird die Lebendigkeit und illusorische Naturwahrheit, zum Theil in hyperbolischen Ausdrücken gerühmt. „Wirklichkeit, nicht Gemälde“ (verdad, no pintura II) ist das Schlagwort. Das Jesuskind Paolo’s mas parece vivo y de carne que pintado (VII). Tienen vida; vivisima aptitud; rara viveza hat die Armbewegung des Kindes bei Andrea; die Köpfe in der Hochzeit, der Henker Sebastians scheinen Bildnisse. Die Landschaft im Noli me tangere Correggio’s täuscht und erheitert das Auge (engaña la vista y la alegra igualmente (VI).

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/272>, abgerufen am 28.03.2024.