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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Das Ritterkreuz des Santiagoordens.
Rath anfangs nicht recht überzeugt gewesen zu sein. Wenigstens
findet der Marques de Malpica, Mayordomo mayor, passend,
ihnen die Unschicklichkeit ihrer Zweifel zu verstehn zu geben:
Wie würde S. M. ihm die merced gewährt haben, wenn dieselbe
über diesen Punkt einen Verdacht gehegt hätte 1).

Dass trotzdem dieser Einwand nicht ganz unbegründet war,
geht aus zufälligen Angaben hervor, die uns in unanfechtbaren
Dokumenten aufgestossen sind. Wir lasen in dem Schreiben
des modenesischen Ministers Fulvio Testi (S. 68), dass der Preis
des Bildnisses seines Herzogs auf hundert Doble (oder 1400
Realen) vereinbart worden sei, und dass er ihm 150 Realen als
Abschlagszahlung gegeben habe. "Er ist theurer", setzt er hinzu,
als ob er sogar eine Art Tarif habe. Als der venezianische
Gesandte Quirini für seinen Kollegen Sagredo in Paris ein
Bildniss der Infantin Marie Therese erbittet und Haro nach
einigem Widerstreben seine Zusage ertheilt, heisst es: "das Ge-
mälde wird von Velazquez gemacht werden und mit der gewöhn-
lichen Zahlung von fünfzig Realen nach Paris geschickt wer-
den" 2). Diese Summe kann aber natürlich nicht das Honorar be-
zeichnen; Bildnisse königlicher Personen konnten nur als Geschenk
des Königs weggegeben werden; es wird eine bei solchen Ge-
legenheiten herkömmliche Höflichkeit gewesen sein.

Wie dem auch sei, der Ordensrath scheint diesen Einwand
für erledigt angesehn zu haben; denn zuletzt ist nur ein Punkt
übrig geblieben, in Betreff dessen aber die Beweise förmlich für
unzureichend erklärt werden. Diess ist der Adel der mütter-
lichen Familie in Sevilla. Dort gründete man den Beweis auf
die Steuerfreiheit, die aber auch den Geistlichen und andern
Privilegirten zukam, und über die das Domkapitel Buch führte.
Die nach Sevilla geschickte Kommission stellte letzterm die Zu-
muthung, ihr das Urkundenbuch 3) nach Madrid mitzugeben, wel-

1) Si su magestad presumiera havia tenido tal oficio u otro, no le hubiera
hecho la merced deste avito. A. a. o. 275.
2) Il Quadro si fara per mano di Velasco pittore del Re, et con l'ordinaria
paga di 50 Reali, si mandera in Parigi. Depesche vom 20. August 1653.
3) Libros en que acuerda el Cabildo se vuelva la Blanca de la carne a los
hijos dalgo. Im Jahre 1515 wurde die persönliche Repartirung der Steuern aufge-
hoben, und statt dessen in den Schlächtereien für jedes Pfund Fleisch eine blanca
(eine Münze, deren Werth von 3 auf 1/2 maravedi sank) erhoben. Diese blanca
wurde den Adeligen, der Geistlichkeit und anderen Privilegirten zurückgezahlt, und
die Zurückzahlung galt als Beweis des Adels. Aber Zunniga (Anales ecles. de Sevilla,

Das Ritterkreuz des Santiagoordens.
Rath anfangs nicht recht überzeugt gewesen zu sein. Wenigstens
findet der Marques de Malpica, Mayordomo mayor, passend,
ihnen die Unschicklichkeit ihrer Zweifel zu verstehn zu geben:
Wie würde S. M. ihm die merced gewährt haben, wenn dieselbe
über diesen Punkt einen Verdacht gehegt hätte 1).

Dass trotzdem dieser Einwand nicht ganz unbegründet war,
geht aus zufälligen Angaben hervor, die uns in unanfechtbaren
Dokumenten aufgestossen sind. Wir lasen in dem Schreiben
des modenesischen Ministers Fulvio Testi (S. 68), dass der Preis
des Bildnisses seines Herzogs auf hundert Doble (oder 1400
Realen) vereinbart worden sei, und dass er ihm 150 Realen als
Abschlagszahlung gegeben habe. „Er ist theurer“, setzt er hinzu,
als ob er sogar eine Art Tarif habe. Als der venezianische
Gesandte Quirini für seinen Kollegen Sagredo in Paris ein
Bildniss der Infantin Marie Therese erbittet und Haro nach
einigem Widerstreben seine Zusage ertheilt, heisst es: „das Ge-
mälde wird von Velazquez gemacht werden und mit der gewöhn-
lichen Zahlung von fünfzig Realen nach Paris geschickt wer-
den“ 2). Diese Summe kann aber natürlich nicht das Honorar be-
zeichnen; Bildnisse königlicher Personen konnten nur als Geschenk
des Königs weggegeben werden; es wird eine bei solchen Ge-
legenheiten herkömmliche Höflichkeit gewesen sein.

Wie dem auch sei, der Ordensrath scheint diesen Einwand
für erledigt angesehn zu haben; denn zuletzt ist nur ein Punkt
übrig geblieben, in Betreff dessen aber die Beweise förmlich für
unzureichend erklärt werden. Diess ist der Adel der mütter-
lichen Familie in Sevilla. Dort gründete man den Beweis auf
die Steuerfreiheit, die aber auch den Geistlichen und andern
Privilegirten zukam, und über die das Domkapitel Buch führte.
Die nach Sevilla geschickte Kommission stellte letzterm die Zu-
muthung, ihr das Urkundenbuch 3) nach Madrid mitzugeben, wel-

1) Si su magestad presumiera havia tenido tal oficio ú otro, no le hubiera
hecho la merced deste avito. A. a. o. 275.
2) Il Quadro si farà per mano di Velasco pittore del Rè, et con l’ordinaria
paga di 50 Reali, si manderà in Parigi. Depesche vom 20. August 1653.
3) Libros en que acuerda el Cabildo se vuelva la Blanca de la carne á los
hijos dalgo. Im Jahre 1515 wurde die persönliche Repartirung der Steuern aufge-
hoben, und statt dessen in den Schlächtereien für jedes Pfund Fleisch eine blanca
(eine Münze, deren Werth von 3 auf ½ maravedi sank) erhoben. Diese blanca
wurde den Adeligen, der Geistlichkeit und anderen Privilegirten zurückgezahlt, und
die Zurückzahlung galt als Beweis des Adels. Aber Zúñiga (Anales ecles. de Sevilla,
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[233/0253] Das Ritterkreuz des Santiagoordens. Rath anfangs nicht recht überzeugt gewesen zu sein. Wenigstens findet der Marques de Malpica, Mayordomo mayor, passend, ihnen die Unschicklichkeit ihrer Zweifel zu verstehn zu geben: Wie würde S. M. ihm die merced gewährt haben, wenn dieselbe über diesen Punkt einen Verdacht gehegt hätte 1). Dass trotzdem dieser Einwand nicht ganz unbegründet war, geht aus zufälligen Angaben hervor, die uns in unanfechtbaren Dokumenten aufgestossen sind. Wir lasen in dem Schreiben des modenesischen Ministers Fulvio Testi (S. 68), dass der Preis des Bildnisses seines Herzogs auf hundert Doble (oder 1400 Realen) vereinbart worden sei, und dass er ihm 150 Realen als Abschlagszahlung gegeben habe. „Er ist theurer“, setzt er hinzu, als ob er sogar eine Art Tarif habe. Als der venezianische Gesandte Quirini für seinen Kollegen Sagredo in Paris ein Bildniss der Infantin Marie Therese erbittet und Haro nach einigem Widerstreben seine Zusage ertheilt, heisst es: „das Ge- mälde wird von Velazquez gemacht werden und mit der gewöhn- lichen Zahlung von fünfzig Realen nach Paris geschickt wer- den“ 2). Diese Summe kann aber natürlich nicht das Honorar be- zeichnen; Bildnisse königlicher Personen konnten nur als Geschenk des Königs weggegeben werden; es wird eine bei solchen Ge- legenheiten herkömmliche Höflichkeit gewesen sein. Wie dem auch sei, der Ordensrath scheint diesen Einwand für erledigt angesehn zu haben; denn zuletzt ist nur ein Punkt übrig geblieben, in Betreff dessen aber die Beweise förmlich für unzureichend erklärt werden. Diess ist der Adel der mütter- lichen Familie in Sevilla. Dort gründete man den Beweis auf die Steuerfreiheit, die aber auch den Geistlichen und andern Privilegirten zukam, und über die das Domkapitel Buch führte. Die nach Sevilla geschickte Kommission stellte letzterm die Zu- muthung, ihr das Urkundenbuch 3) nach Madrid mitzugeben, wel- 1) Si su magestad presumiera havia tenido tal oficio ú otro, no le hubiera hecho la merced deste avito. A. a. o. 275. 2) Il Quadro si farà per mano di Velasco pittore del Rè, et con l’ordinaria paga di 50 Reali, si manderà in Parigi. Depesche vom 20. August 1653. 3) Libros en que acuerda el Cabildo se vuelva la Blanca de la carne á los hijos dalgo. Im Jahre 1515 wurde die persönliche Repartirung der Steuern aufge- hoben, und statt dessen in den Schlächtereien für jedes Pfund Fleisch eine blanca (eine Münze, deren Werth von 3 auf ½ maravedi sank) erhoben. Diese blanca wurde den Adeligen, der Geistlichkeit und anderen Privilegirten zurückgezahlt, und die Zurückzahlung galt als Beweis des Adels. Aber Zúñiga (Anales ecles. de Sevilla,

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/253>, abgerufen am 28.03.2024.