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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Das Schlossmarschallamt.
jungen und sechs galopines anderthalb Realen für die Betten,
zusammen 518 Realen, ebenso den sotoayudas oder mozos de la
furriera
, die aus fünf Auskehrern (barrenderos) und zwei mozos
de retrete
(Cabinetburschen) bestehn. Von diesen sieben ist
er auch einmal beim König verklagt worden, wie er behauptet
"ungerecht und ohne Grund", weil sie sich beeinträchtigt glaub-
ten durch seine Einsetzung eines nicht beeidigten barrendero der
königlichen Gemächer. Er hatte hierfür nämlich einen sachkun-
digen und zuverlässigen Zimmermann nöthig. -- Ein anderes Ge-
such von Seiten der mozos de retrete an den König wurde dadurch
veranlasst, dass der Aposentador vor jener Abreise unterlassen
hatte, ihnen die Kissen und Felleisen (zur Verpackung) für die
allerhöchsten Bettschüsseln (sillitas) sowie ein neues Bettgestell
zu liefern (ein Gegenstand von 6000 Realen), und sie an den Con-
tralor verwiesen hatte, der Schwierigkeiten machte. Hierbei
muss man sich jedoch in die Zeit versetzen; bekannt ist, dass es
z. B. am französischen Hofe für ein eifersüchtig bewachtes, weil
einflussreiches Privileg galt, S. M. auch auf diesem Thron zu
umstehen, ein Privileg das u. a. Frau von Maintenon wol zu
schätzen wusste. Am 17. September 1655 hat er über eine Klage
der Witwen der Furiera zu berichten, die seit achtzehn Monaten
nichts bekommen haben. Darauf wird ihm aufgegeben sie zu be-
zahlen von dem Ersten besten was da sei (de lo primero que
hubiere
).

Am meisten Zeit verlor Velazquez wol auf den periodischen
Reisen des Hofs nach den Lustschlössern, zu den Cortes in
den Provinzen und an den Kriegsschauplatz. Das Schicksal
wollte, dass in seine Amtsjahre eine jener ungeheuern Jornadas
an die Grenze fiel, diese hat ihm denn auch das Leben gekostet.
Er machte diese Reisen zu Maulthier. Was eine Tour in Spa-
nien bedeutete, davon kann sich heute nur der eine Vorstellung
machen, wer etwa auf der Balkanhalbinsel gereist ist. "Man
findet, sagt Sagredo, nichts als ein Dach über dem nackten Bo-
den." Speisekammer, Küche, Betten, Stühle und Tische, Bedie-
nung musste man mitnehmen; keine Flüsse und Kanäle gab es
zum Transport; die Strassen waren in völlig vernachlässigtem
Zustand, das Land glich oft meilenweit einer Wüste1). Man lese
die Klagen der fremden Gesandten, welchen die stärksten Aus-
drücke für die überstandnen Strapazen kaum genügen. Sie kom-

1) Niccolo Sagredo, Depesche vom 16. April 1641.

Das Schlossmarschallamt.
jungen und sechs galopines anderthalb Realen für die Betten,
zusammen 518 Realen, ebenso den sotoayudas oder mozos de la
furriera
, die aus fünf Auskehrern (barrenderos) und zwei mozos
de retrete
(Cabinetburschen) bestehn. Von diesen sieben ist
er auch einmal beim König verklagt worden, wie er behauptet
„ungerecht und ohne Grund“, weil sie sich beeinträchtigt glaub-
ten durch seine Einsetzung eines nicht beeidigten barrendero der
königlichen Gemächer. Er hatte hierfür nämlich einen sachkun-
digen und zuverlässigen Zimmermann nöthig. — Ein anderes Ge-
such von Seiten der mozos de retrete an den König wurde dadurch
veranlasst, dass der Aposentador vor jener Abreise unterlassen
hatte, ihnen die Kissen und Felleisen (zur Verpackung) für die
allerhöchsten Bettschüsseln (sillitas) sowie ein neues Bettgestell
zu liefern (ein Gegenstand von 6000 Realen), und sie an den Con-
tralor verwiesen hatte, der Schwierigkeiten machte. Hierbei
muss man sich jedoch in die Zeit versetzen; bekannt ist, dass es
z. B. am französischen Hofe für ein eifersüchtig bewachtes, weil
einflussreiches Privileg galt, S. M. auch auf diesem Thron zu
umstehen, ein Privileg das u. a. Frau von Maintenon wol zu
schätzen wusste. Am 17. September 1655 hat er über eine Klage
der Witwen der Furiera zu berichten, die seit achtzehn Monaten
nichts bekommen haben. Darauf wird ihm aufgegeben sie zu be-
zahlen von dem Ersten besten was da sei (de lo primero que
hubiere
).

Am meisten Zeit verlor Velazquez wol auf den periodischen
Reisen des Hofs nach den Lustschlössern, zu den Cortes in
den Provinzen und an den Kriegsschauplatz. Das Schicksal
wollte, dass in seine Amtsjahre eine jener ungeheuern Jornadas
an die Grenze fiel, diese hat ihm denn auch das Leben gekostet.
Er machte diese Reisen zu Maulthier. Was eine Tour in Spa-
nien bedeutete, davon kann sich heute nur der eine Vorstellung
machen, wer etwa auf der Balkanhalbinsel gereist ist. „Man
findet, sagt Sagredo, nichts als ein Dach über dem nackten Bo-
den.“ Speisekammer, Küche, Betten, Stühle und Tische, Bedie-
nung musste man mitnehmen; keine Flüsse und Kanäle gab es
zum Transport; die Strassen waren in völlig vernachlässigtem
Zustand, das Land glich oft meilenweit einer Wüste1). Man lese
die Klagen der fremden Gesandten, welchen die stärksten Aus-
drücke für die überstandnen Strapazen kaum genügen. Sie kom-

1) Niccolò Sagredo, Depesche vom 16. April 1641.
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[221/0241] Das Schlossmarschallamt. jungen und sechs galopines anderthalb Realen für die Betten, zusammen 518 Realen, ebenso den sotoayudas oder mozos de la furriera, die aus fünf Auskehrern (barrenderos) und zwei mozos de retrete (Cabinetburschen) bestehn. Von diesen sieben ist er auch einmal beim König verklagt worden, wie er behauptet „ungerecht und ohne Grund“, weil sie sich beeinträchtigt glaub- ten durch seine Einsetzung eines nicht beeidigten barrendero der königlichen Gemächer. Er hatte hierfür nämlich einen sachkun- digen und zuverlässigen Zimmermann nöthig. — Ein anderes Ge- such von Seiten der mozos de retrete an den König wurde dadurch veranlasst, dass der Aposentador vor jener Abreise unterlassen hatte, ihnen die Kissen und Felleisen (zur Verpackung) für die allerhöchsten Bettschüsseln (sillitas) sowie ein neues Bettgestell zu liefern (ein Gegenstand von 6000 Realen), und sie an den Con- tralor verwiesen hatte, der Schwierigkeiten machte. Hierbei muss man sich jedoch in die Zeit versetzen; bekannt ist, dass es z. B. am französischen Hofe für ein eifersüchtig bewachtes, weil einflussreiches Privileg galt, S. M. auch auf diesem Thron zu umstehen, ein Privileg das u. a. Frau von Maintenon wol zu schätzen wusste. Am 17. September 1655 hat er über eine Klage der Witwen der Furiera zu berichten, die seit achtzehn Monaten nichts bekommen haben. Darauf wird ihm aufgegeben sie zu be- zahlen von dem Ersten besten was da sei (de lo primero que hubiere). Am meisten Zeit verlor Velazquez wol auf den periodischen Reisen des Hofs nach den Lustschlössern, zu den Cortes in den Provinzen und an den Kriegsschauplatz. Das Schicksal wollte, dass in seine Amtsjahre eine jener ungeheuern Jornadas an die Grenze fiel, diese hat ihm denn auch das Leben gekostet. Er machte diese Reisen zu Maulthier. Was eine Tour in Spa- nien bedeutete, davon kann sich heute nur der eine Vorstellung machen, wer etwa auf der Balkanhalbinsel gereist ist. „Man findet, sagt Sagredo, nichts als ein Dach über dem nackten Bo- den.“ Speisekammer, Küche, Betten, Stühle und Tische, Bedie- nung musste man mitnehmen; keine Flüsse und Kanäle gab es zum Transport; die Strassen waren in völlig vernachlässigtem Zustand, das Land glich oft meilenweit einer Wüste 1). Man lese die Klagen der fremden Gesandten, welchen die stärksten Aus- drücke für die überstandnen Strapazen kaum genügen. Sie kom- 1) Niccolò Sagredo, Depesche vom 16. April 1641.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/241>, abgerufen am 18.04.2024.