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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Das letzte Jahrzehnt.

Auch diessmal zog Velazquez den Entschluss zum Aufbruch
hin, er ahnte wol, dass es ein Abschied von Italien fürs Leben
sein werde. Wiederholt sollen Erinnerungen gekommen sein,
zuletzt notificirte der Sekretär, D. Fernando Ruiz de Contreras
einen Befehl des Königs. Er dachte eine Zeitlang über Frank-
reich zu reisen, hatte sich auch bereits den Pass auf der Gesandt-
schaft ausstellen lassen; zuletzt verlor er, verstimmt durch die
Kriegszeitungen, den Muth.

Die Seefahrt von Genua nach Barcelona war sehr stürmisch.
Im Juni 1651 lief das Schiff im Hafen der katalonischen Haupt-
stadt ein. In Madrid stellte er sich zuerst dem Könige vor, der
seinem Vergnügen über die Rückkehr und über die neuen Bilder
in einem gerade auszufertigenden Brief an D. Luis de Haro Aus-
druck gab: "Der Herr Velazquez ist angekommen und hat einige
Gemälde mitgebracht". Am 29. November wurde ihm sein Ge-
halt als Kammermaler und Inspector des achteckigen Saals für
die Jahre der Abwesenheit ausgezahlt.

Neun Jahre stand er nun noch seinem königlichen Gönner zur
Seite, in engeren Beziehungen denn je, geehrt, vielbeschäftigt, ge-
liebt selbst. Seine letzte dienstliche Arbeit war die Organisation der
königlichen Pyrenäenreise zur Vermählung der ältesten Tochter
Philipps. Merkwürdiges Zusammentreffen: seine Einführung am
Hofe fiel ungefähr zusammen mit der Wiederentfachung des
Kriegs; jetzt nachdem er noch Zeuge gewesen war von der
Besiegelung des Friedensschlusses mit Frankreich, war sein
Leben am Ziele. Während dieser sieben und dreissig Jahre
ununterbrochener, erschöpfender Kriege, wachsender Theurung
politischer und militärischer Talente, immer bedrohlicher wer-
dender Finanznoth, hat er, am Heerde all dieses Unheils, seine
Kunst gepflegt; wie ein Baum, der an sturmumtobter Klippe
aus Steingerölle emporwächst.

Das letzte Jahrzehnt.

Auch diessmal zog Velazquez den Entschluss zum Aufbruch
hin, er ahnte wol, dass es ein Abschied von Italien fürs Leben
sein werde. Wiederholt sollen Erinnerungen gekommen sein,
zuletzt notificirte der Sekretär, D. Fernando Ruiz de Contreras
einen Befehl des Königs. Er dachte eine Zeitlang über Frank-
reich zu reisen, hatte sich auch bereits den Pass auf der Gesandt-
schaft ausstellen lassen; zuletzt verlor er, verstimmt durch die
Kriegszeitungen, den Muth.

Die Seefahrt von Genua nach Barcelona war sehr stürmisch.
Im Juni 1651 lief das Schiff im Hafen der katalonischen Haupt-
stadt ein. In Madrid stellte er sich zuerst dem Könige vor, der
seinem Vergnügen über die Rückkehr und über die neuen Bilder
in einem gerade auszufertigenden Brief an D. Luis de Haro Aus-
druck gab: „Der Herr Velazquez ist angekommen und hat einige
Gemälde mitgebracht“. Am 29. November wurde ihm sein Ge-
halt als Kammermaler und Inspector des achteckigen Saals für
die Jahre der Abwesenheit ausgezahlt.

Neun Jahre stand er nun noch seinem königlichen Gönner zur
Seite, in engeren Beziehungen denn je, geehrt, vielbeschäftigt, ge-
liebt selbst. Seine letzte dienstliche Arbeit war die Organisation der
königlichen Pyrenäenreise zur Vermählung der ältesten Tochter
Philipps. Merkwürdiges Zusammentreffen: seine Einführung am
Hofe fiel ungefähr zusammen mit der Wiederentfachung des
Kriegs; jetzt nachdem er noch Zeuge gewesen war von der
Besiegelung des Friedensschlusses mit Frankreich, war sein
Leben am Ziele. Während dieser sieben und dreissig Jahre
ununterbrochener, erschöpfender Kriege, wachsender Theurung
politischer und militärischer Talente, immer bedrohlicher wer-
dender Finanznoth, hat er, am Heerde all dieses Unheils, seine
Kunst gepflegt; wie ein Baum, der an sturmumtobter Klippe
aus Steingerölle emporwächst.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. [213]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/233>, abgerufen am 28.03.2024.