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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Sechstes Buch.

Alles was sie dort in rastlos rascher Thätigkeit von fast
vier Jahren geschaffen haben, ist mit den Gebäuden untergegan-
gen; allein wer die italienischen Sachen kennt, wird sich aus den
Beschreibungen eine ziemlich anschauliche Vorstellung ihrer Ma-
lereien im Alcazar bilden können. Malvasia, Passeri und Palomino
geben davon unabhängige Berichte1).

Nachdem sie als Probe zwei Perspectiven in Buen Retiro
gemalt, wurden ihnen drei aneinanderstossende kleine Zimmer
anvertraut, die zu der königlichen Sommerwohnung (cuarto bajo)
im Schloss gehörten. Die Deckenbilder stellten den Fall Phaetons,
Aurora und die Nacht vor. Man ging also mit Vorsicht zu
Werke. Darauf gab man ihnen eine Galerie in demselben cuarto
mit den Fenstern auf den Garten der Königin. Hier malte Co-
lonna in die von seinem Gefährten hergestellte Scheinarchitektur
Marmorstatuen, vergoldete Bronzetafeln, Kinder und Delphine
an Brunnen, Figuren des Hofgesindes, (der die Treppe herab-
eilende Negerknabe), Blumen- und Fruchtgehänge. Palomino
fand dieses Werk aber bereits vierzig Jahre vor Abfassung seines
Buchs, also etwa zwanzig Jahre nach der Fertigstellung in Folge
von Baureparaturen zerstört.

Die Künstler hatten nun des Königs Beifall und Vertrauen
gewonnen, und man entschloss sich, ihnen den vornehmsten
Raum des Palasts, den Spiegelsaal zu übergeben, im April 1659.

Velazquez entwarf den Plan zu einem Ganzen von fünf
Deckengemälden mit der Geschichte der Pandora. Metelli malte
ein Gesims von Jaspis, darüber Putten und Frauen, Schilde und
Trophäen, einen umherlaufenden goldnen Lorbeerkranz. Colonna
lieferte das grosse elliptische Mittelbild, Jupiter in der Götter-
versammlung; die vier übrigen wurden den Spaniern Carrenno
und Rizi überwiesen. Während der Arbeit kam Philipp täglich,
oft zweimal, ihnen zuzusehn, legte den Malern hundert Fra-
gen vor, stieg selbst aufs Gerüste. "Man müsse, sagte er,
italienische Virtuosi höflich und liebenswürdig behandeln"2). Auch
die junge Königin und die Infantinnen Maria Theresia und Mar-
garita kamen zuweilen, um solche Zaubermeister am Werk zu sehn.

aiuto di costa von 10000 lire sofort und ein Gnadengeschenk am Schluss, freie
möblirte Wohnung, und 29 doppie für monatliche Beköstigung.
1) Malvasia, Felsina pittrice II, 406 ff. Passeri, Vite de' pittori. 272 f.
Palomino a. a. O. 344 ff.
2) Trattando, diceva egli, come dovevasi con onori, e con grazia i virtuosi
italiani. Passeri a. a. O.
Sechstes Buch.

Alles was sie dort in rastlos rascher Thätigkeit von fast
vier Jahren geschaffen haben, ist mit den Gebäuden untergegan-
gen; allein wer die italienischen Sachen kennt, wird sich aus den
Beschreibungen eine ziemlich anschauliche Vorstellung ihrer Ma-
lereien im Alcazar bilden können. Malvasia, Passeri und Palomino
geben davon unabhängige Berichte1).

Nachdem sie als Probe zwei Perspectiven in Buen Retiro
gemalt, wurden ihnen drei aneinanderstossende kleine Zimmer
anvertraut, die zu der königlichen Sommerwohnung (cuarto bajo)
im Schloss gehörten. Die Deckenbilder stellten den Fall Phaetons,
Aurora und die Nacht vor. Man ging also mit Vorsicht zu
Werke. Darauf gab man ihnen eine Galerie in demselben cuarto
mit den Fenstern auf den Garten der Königin. Hier malte Co-
lonna in die von seinem Gefährten hergestellte Scheinarchitektur
Marmorstatuen, vergoldete Bronzetafeln, Kinder und Delphine
an Brunnen, Figuren des Hofgesindes, (der die Treppe herab-
eilende Negerknabe), Blumen- und Fruchtgehänge. Palomino
fand dieses Werk aber bereits vierzig Jahre vor Abfassung seines
Buchs, also etwa zwanzig Jahre nach der Fertigstellung in Folge
von Baureparaturen zerstört.

Die Künstler hatten nun des Königs Beifall und Vertrauen
gewonnen, und man entschloss sich, ihnen den vornehmsten
Raum des Palasts, den Spiegelsaal zu übergeben, im April 1659.

Velazquez entwarf den Plan zu einem Ganzen von fünf
Deckengemälden mit der Geschichte der Pandora. Metelli malte
ein Gesims von Jaspis, darüber Putten und Frauen, Schilde und
Trophäen, einen umherlaufenden goldnen Lorbeerkranz. Colonna
lieferte das grosse elliptische Mittelbild, Jupiter in der Götter-
versammlung; die vier übrigen wurden den Spaniern Carreño
und Rizi überwiesen. Während der Arbeit kam Philipp täglich,
oft zweimal, ihnen zuzusehn, legte den Malern hundert Fra-
gen vor, stieg selbst aufs Gerüste. „Man müsse, sagte er,
italienische Virtuosi höflich und liebenswürdig behandeln“2). Auch
die junge Königin und die Infantinnen Maria Theresia und Mar-
garita kamen zuweilen, um solche Zaubermeister am Werk zu sehn.

aiuto di costa von 10000 lire sofort und ein Gnadengeschenk am Schluss, freie
möblirte Wohnung, und 29 doppie für monatliche Beköstigung.
1) Malvasia, Felsina pittrice II, 406 ff. Passeri, Vite de’ pittori. 272 f.
Palomino a. a. O. 344 ff.
2) Trattando, diceva egli, come dovevasi con onori, e con grazia i virtuosi
italiani. Passeri a. a. O.
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[208/0228] Sechstes Buch. Alles was sie dort in rastlos rascher Thätigkeit von fast vier Jahren geschaffen haben, ist mit den Gebäuden untergegan- gen; allein wer die italienischen Sachen kennt, wird sich aus den Beschreibungen eine ziemlich anschauliche Vorstellung ihrer Ma- lereien im Alcazar bilden können. Malvasia, Passeri und Palomino geben davon unabhängige Berichte 1). Nachdem sie als Probe zwei Perspectiven in Buen Retiro gemalt, wurden ihnen drei aneinanderstossende kleine Zimmer anvertraut, die zu der königlichen Sommerwohnung (cuarto bajo) im Schloss gehörten. Die Deckenbilder stellten den Fall Phaetons, Aurora und die Nacht vor. Man ging also mit Vorsicht zu Werke. Darauf gab man ihnen eine Galerie in demselben cuarto mit den Fenstern auf den Garten der Königin. Hier malte Co- lonna in die von seinem Gefährten hergestellte Scheinarchitektur Marmorstatuen, vergoldete Bronzetafeln, Kinder und Delphine an Brunnen, Figuren des Hofgesindes, (der die Treppe herab- eilende Negerknabe), Blumen- und Fruchtgehänge. Palomino fand dieses Werk aber bereits vierzig Jahre vor Abfassung seines Buchs, also etwa zwanzig Jahre nach der Fertigstellung in Folge von Baureparaturen zerstört. Die Künstler hatten nun des Königs Beifall und Vertrauen gewonnen, und man entschloss sich, ihnen den vornehmsten Raum des Palasts, den Spiegelsaal zu übergeben, im April 1659. Velazquez entwarf den Plan zu einem Ganzen von fünf Deckengemälden mit der Geschichte der Pandora. Metelli malte ein Gesims von Jaspis, darüber Putten und Frauen, Schilde und Trophäen, einen umherlaufenden goldnen Lorbeerkranz. Colonna lieferte das grosse elliptische Mittelbild, Jupiter in der Götter- versammlung; die vier übrigen wurden den Spaniern Carreño und Rizi überwiesen. Während der Arbeit kam Philipp täglich, oft zweimal, ihnen zuzusehn, legte den Malern hundert Fra- gen vor, stieg selbst aufs Gerüste. „Man müsse, sagte er, italienische Virtuosi höflich und liebenswürdig behandeln“ 2). Auch die junge Königin und die Infantinnen Maria Theresia und Mar- garita kamen zuweilen, um solche Zaubermeister am Werk zu sehn. 1) 1) Malvasia, Felsina pittrice II, 406 ff. Passeri, Vite de’ pittori. 272 f. Palomino a. a. O. 344 ff. 2) Trattando, diceva egli, come dovevasi con onori, e con grazia i virtuosi italiani. Passeri a. a. O. 1) aiuto di costa von 10000 lire sofort und ein Gnadengeschenk am Schluss, freie möblirte Wohnung, und 29 doppie für monatliche Beköstigung.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/228>, abgerufen am 19.04.2024.