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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Sechstes Buch.
besass er doch die Selbstverläugnung, sich ganz auf solche
schmückende Accessorien zu beschränken. "In einer 24jährigen
Gemeinschaft theilten sie Ruhm und Gewinn", Niemand würde
hier zwei Hände vermuthen.

Es wäre verfehlt, diese Quadraturmalerei schlechtweg dem
Barockstil unterzuordnen. Die Formen des Einzelnen sind zu
rein, im Gegensatz zu fesselloser Willkür ist die Strenge mathe-
matischer Projection zuweilen sogar auffällig. Nicht der Zug
nach dem Starken und Bewegten herrscht, nicht Phantastik,
sondern Schönheit und Poesie athmen diese schimmernden
Flächen, welche Jedermann die Strophen italienischer Dichter
von Zauberpalästen der Sage ins Gedächtniss rufen. "Ihre Per-
spectiven, sagt Malvasia, blendeten das Auge und schienen durch-
sichtig, also dass man darin die Sonne sah." Man athmete auf
in solchen Räumen, wo die Einbildungskraft statt durch das
Ablesen theils verbrauchter, theils dunkler Stoffe gelangweilt
oder durch Allegorien gequält zu werden, sich zugleich angeregt
und freigelassen fühlte. Es war ein Wiederaufleben des wahren
Gefühls dekorativer Kunst. --

Velazquez scheint die Verhandlungen mit den beiden Fresko-
malern, man sieht nicht ob in Florenz oder Bologna, zum Ab-
schluss gebracht zu haben, wenigstens nach seiner Meinung.
Diess geht aus dem Brief eines Modenesischen Hofbeamten an
den Herzog Franz I hervor. Gennaro Poggi schreibt am 12. De-
cember 1650:

"Serenissimo Principe. Heute morgen ist hier der Signor
Don Giovanni Vellaschi Maler Seiner Katholischen Majestät ein-
getroffen, der von Rom kommt um nach Spanien zurückzukehren.
Er hat mich sofort in meinem Hause aufgesucht und mir seine
Absicht eröffnet, hier zu bleiben bis zur Wiederkehr Ew. Hoheit,
zur Erfüllung seiner schuldigen Absicht Euch seine unterthänige
Aufwartung zu machen, und des Ew. Hoheit gegebenen Ver-
sprechens, die Ehre Eurer Befehle entgegenzunehmen. Ich habe
nicht verfehlt noch werde verfehlen ihm in jeder besten mir mög-
lichen Weise zu dienen; ich habe mich sofort zum Sr. Marchese
Boschetti begeben, dem ich vorstellte, dass der genannte Sr. Vel-
laschi schon einmal in der Commedia logirt wurde, um zu verneh-
men, ob es ihm passend dünke jetzt ebenso zu verfahren, wie er
auch gethan hat. Denn es sind schon die Befehle ertheilt wor-
den, da er ja erklärt hat, hier zu verweilen bis zur Zurückkunft
Ew. Hoheit.

Sechstes Buch.
besass er doch die Selbstverläugnung, sich ganz auf solche
schmückende Accessorien zu beschränken. „In einer 24jährigen
Gemeinschaft theilten sie Ruhm und Gewinn“, Niemand würde
hier zwei Hände vermuthen.

Es wäre verfehlt, diese Quadraturmalerei schlechtweg dem
Barockstil unterzuordnen. Die Formen des Einzelnen sind zu
rein, im Gegensatz zu fesselloser Willkür ist die Strenge mathe-
matischer Projection zuweilen sogar auffällig. Nicht der Zug
nach dem Starken und Bewegten herrscht, nicht Phantastik,
sondern Schönheit und Poesie athmen diese schimmernden
Flächen, welche Jedermann die Strophen italienischer Dichter
von Zauberpalästen der Sage ins Gedächtniss rufen. „Ihre Per-
spectiven, sagt Malvasia, blendeten das Auge und schienen durch-
sichtig, also dass man darin die Sonne sah.“ Man athmete auf
in solchen Räumen, wo die Einbildungskraft statt durch das
Ablesen theils verbrauchter, theils dunkler Stoffe gelangweilt
oder durch Allegorien gequält zu werden, sich zugleich angeregt
und freigelassen fühlte. Es war ein Wiederaufleben des wahren
Gefühls dekorativer Kunst. —

Velazquez scheint die Verhandlungen mit den beiden Fresko-
malern, man sieht nicht ob in Florenz oder Bologna, zum Ab-
schluss gebracht zu haben, wenigstens nach seiner Meinung.
Diess geht aus dem Brief eines Modenesischen Hofbeamten an
den Herzog Franz I hervor. Gennaro Poggi schreibt am 12. De-
cember 1650:

„Serenissimo Principe. Heute morgen ist hier der Signor
Don Giovanni Vellaschi Maler Seiner Katholischen Majestät ein-
getroffen, der von Rom kommt um nach Spanien zurückzukehren.
Er hat mich sofort in meinem Hause aufgesucht und mir seine
Absicht eröffnet, hier zu bleiben bis zur Wiederkehr Ew. Hoheit,
zur Erfüllung seiner schuldigen Absicht Euch seine unterthänige
Aufwartung zu machen, und des Ew. Hoheit gegebenen Ver-
sprechens, die Ehre Eurer Befehle entgegenzunehmen. Ich habe
nicht verfehlt noch werde verfehlen ihm in jeder besten mir mög-
lichen Weise zu dienen; ich habe mich sofort zum Sr. Marchese
Boschetti begeben, dem ich vorstellte, dass der genannte Sr. Vel-
laschi schon einmal in der Commedia logirt wurde, um zu verneh-
men, ob es ihm passend dünke jetzt ebenso zu verfahren, wie er
auch gethan hat. Denn es sind schon die Befehle ertheilt wor-
den, da er ja erklärt hat, hier zu verweilen bis zur Zurückkunft
Ew. Hoheit.

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[204/0224] Sechstes Buch. besass er doch die Selbstverläugnung, sich ganz auf solche schmückende Accessorien zu beschränken. „In einer 24jährigen Gemeinschaft theilten sie Ruhm und Gewinn“, Niemand würde hier zwei Hände vermuthen. Es wäre verfehlt, diese Quadraturmalerei schlechtweg dem Barockstil unterzuordnen. Die Formen des Einzelnen sind zu rein, im Gegensatz zu fesselloser Willkür ist die Strenge mathe- matischer Projection zuweilen sogar auffällig. Nicht der Zug nach dem Starken und Bewegten herrscht, nicht Phantastik, sondern Schönheit und Poesie athmen diese schimmernden Flächen, welche Jedermann die Strophen italienischer Dichter von Zauberpalästen der Sage ins Gedächtniss rufen. „Ihre Per- spectiven, sagt Malvasia, blendeten das Auge und schienen durch- sichtig, also dass man darin die Sonne sah.“ Man athmete auf in solchen Räumen, wo die Einbildungskraft statt durch das Ablesen theils verbrauchter, theils dunkler Stoffe gelangweilt oder durch Allegorien gequält zu werden, sich zugleich angeregt und freigelassen fühlte. Es war ein Wiederaufleben des wahren Gefühls dekorativer Kunst. — Velazquez scheint die Verhandlungen mit den beiden Fresko- malern, man sieht nicht ob in Florenz oder Bologna, zum Ab- schluss gebracht zu haben, wenigstens nach seiner Meinung. Diess geht aus dem Brief eines Modenesischen Hofbeamten an den Herzog Franz I hervor. Gennaro Poggi schreibt am 12. De- cember 1650: „Serenissimo Principe. Heute morgen ist hier der Signor Don Giovanni Vellaschi Maler Seiner Katholischen Majestät ein- getroffen, der von Rom kommt um nach Spanien zurückzukehren. Er hat mich sofort in meinem Hause aufgesucht und mir seine Absicht eröffnet, hier zu bleiben bis zur Wiederkehr Ew. Hoheit, zur Erfüllung seiner schuldigen Absicht Euch seine unterthänige Aufwartung zu machen, und des Ew. Hoheit gegebenen Ver- sprechens, die Ehre Eurer Befehle entgegenzunehmen. Ich habe nicht verfehlt noch werde verfehlen ihm in jeder besten mir mög- lichen Weise zu dienen; ich habe mich sofort zum Sr. Marchese Boschetti begeben, dem ich vorstellte, dass der genannte Sr. Vel- laschi schon einmal in der Commedia logirt wurde, um zu verneh- men, ob es ihm passend dünke jetzt ebenso zu verfahren, wie er auch gethan hat. Denn es sind schon die Befehle ertheilt wor- den, da er ja erklärt hat, hier zu verweilen bis zur Zurückkunft Ew. Hoheit.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/224>, abgerufen am 24.04.2024.