Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite
Metelli und Colonna.

Velazquez' Reiseroute gab ihm Gelegenheit, fast alle ihre
Hauptarbeiten kennen zu lernen. In Genua im Palast Balbi (jetzt
Palazzo Reale); in Modena, wo er in der Commedia wohnte, und
wo ihm der Herzog unter den Kunstschätzen seines Palasts auch
das Bildniss zeigte, das er vor elf Jahren in Madrid gemalt
hatte. In Bologna soll er nach Palomino beide Maler bereits be-
sucht haben; hier waren ihre meisten "Galerien" und Säle zu
sehn; eins ihrer schönsten Werke, das Oratorio di S. Giuseppe
ist vor wenigen Jahren zerstört worden. Ihr letztes Meisterwerk
in Italien aber, die Capelle des Rosenkranzes in S. Domenico, ist
erst nach der Abreise des Velazquez (1656) entstanden. Endlich,
auch in Rom sah er eine ihrer feinsten Arbeiten im Palast Capo
di ferro, den der Cardinal Belardino Spada vor kurzem gekauft
und neu ausgestattet hatte; für den grossen Saal wusste er nach
vielen Ueberlegungen keine bessern als unsere beiden Bolognesen,
die er als Legat alldort kennen gelernt hatte (1635).


Da manche Leser wol von diesen Malern zum ersten-
male hören (enthält doch unser "Geschmacksvormund" nur
den Namen des einen unter den barocken Decorationsmalern,
und diesen als Zeitgenossen des Pater Pozzi, der mehr als ein
Menschenalter später kam, den des eigentlichen Erfinders aber
gar nicht), so wird wol eine kurze Charakteristik hier nicht un-
willkommen sein.

Den Malern der Verfallzeit wird u. a. auch Ueberladung
mit Figurenmalerei besonders an den Decken und Gewölben zum
Vorwurf gemacht, obwol ja die ärgsten Misshandlungen der Ar-
chitektur durch malerische Anmassungen viel älter als der Barock-
stil sind, man denke an den Jammer der Kuppel von Florenz!
Das System Metelli's und Colonna's kann als eine Gegenbe-
wegung betrachtet werden. Sie gaben dem Geschmack die Rich-
tung auf Architekturmalerei, indem sie den gegebenen Raum,
Wände und Decke, nach einem Plan poetisch-perspektivisch
umschufen. Den Figuren fiel dabei nur eine Nebenrolle zu. Der
Beifall, die zahlreichen (freilich ihnen erheblich untergeordneten)
Nachfolger beweisen, dass sie zur rechten Stunde gekommen
waren, man war das Historiengedränge satt, in dem die Italiener
seit dem 14. Jahrhundert das Mögliche geleistet hatten.

Die Quadratura-Malerei war zwar nie in Italien ganz aus-
gestorben, aber ein wenig geachtetes Fach gewesen, bis Girolamo

Metelli und Colonna.

Velazquez’ Reiseroute gab ihm Gelegenheit, fast alle ihre
Hauptarbeiten kennen zu lernen. In Genua im Palast Balbi (jetzt
Palazzo Reale); in Modena, wo er in der Commedia wohnte, und
wo ihm der Herzog unter den Kunstschätzen seines Palasts auch
das Bildniss zeigte, das er vor elf Jahren in Madrid gemalt
hatte. In Bologna soll er nach Palomino beide Maler bereits be-
sucht haben; hier waren ihre meisten „Galerien“ und Säle zu
sehn; eins ihrer schönsten Werke, das Oratorio di S. Giuseppe
ist vor wenigen Jahren zerstört worden. Ihr letztes Meisterwerk
in Italien aber, die Capelle des Rosenkranzes in S. Domenico, ist
erst nach der Abreise des Velazquez (1656) entstanden. Endlich,
auch in Rom sah er eine ihrer feinsten Arbeiten im Palast Capo
di ferro, den der Cardinal Belardino Spada vor kurzem gekauft
und neu ausgestattet hatte; für den grossen Saal wusste er nach
vielen Ueberlegungen keine bessern als unsere beiden Bolognesen,
die er als Legat alldort kennen gelernt hatte (1635).


Da manche Leser wol von diesen Malern zum ersten-
male hören (enthält doch unser „Geschmacksvormund“ nur
den Namen des einen unter den barocken Decorationsmalern,
und diesen als Zeitgenossen des Pater Pozzi, der mehr als ein
Menschenalter später kam, den des eigentlichen Erfinders aber
gar nicht), so wird wol eine kurze Charakteristik hier nicht un-
willkommen sein.

Den Malern der Verfallzeit wird u. a. auch Ueberladung
mit Figurenmalerei besonders an den Decken und Gewölben zum
Vorwurf gemacht, obwol ja die ärgsten Misshandlungen der Ar-
chitektur durch malerische Anmassungen viel älter als der Barock-
stil sind, man denke an den Jammer der Kuppel von Florenz!
Das System Metelli’s und Colonna’s kann als eine Gegenbe-
wegung betrachtet werden. Sie gaben dem Geschmack die Rich-
tung auf Architekturmalerei, indem sie den gegebenen Raum,
Wände und Decke, nach einem Plan poetisch-perspektivisch
umschufen. Den Figuren fiel dabei nur eine Nebenrolle zu. Der
Beifall, die zahlreichen (freilich ihnen erheblich untergeordneten)
Nachfolger beweisen, dass sie zur rechten Stunde gekommen
waren, man war das Historiengedränge satt, in dem die Italiener
seit dem 14. Jahrhundert das Mögliche geleistet hatten.

Die Quadratura-Malerei war zwar nie in Italien ganz aus-
gestorben, aber ein wenig geachtetes Fach gewesen, bis Girolamo

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0221" n="201"/>
          <fw place="top" type="header">Metelli und Colonna.</fw><lb/>
          <p>Velazquez&#x2019; Reiseroute gab ihm Gelegenheit, fast alle ihre<lb/>
Hauptarbeiten kennen zu lernen. In Genua im Palast Balbi (jetzt<lb/>
Palazzo Reale); in Modena, wo er in der Commedia wohnte, und<lb/>
wo ihm der Herzog unter den Kunstschätzen seines Palasts auch<lb/>
das Bildniss zeigte, das er vor elf Jahren in Madrid gemalt<lb/>
hatte. In Bologna soll er nach Palomino beide Maler bereits be-<lb/>
sucht haben; hier waren ihre meisten &#x201E;Galerien&#x201C; und Säle zu<lb/>
sehn; eins ihrer schönsten Werke, das Oratorio di S. Giuseppe<lb/>
ist vor wenigen Jahren zerstört worden. Ihr letztes Meisterwerk<lb/>
in Italien aber, die Capelle des Rosenkranzes in S. Domenico, ist<lb/>
erst nach der Abreise des Velazquez (1656) entstanden. Endlich,<lb/>
auch in Rom sah er eine ihrer feinsten Arbeiten im Palast Capo<lb/>
di ferro, den der Cardinal Belardino Spada vor kurzem gekauft<lb/>
und neu ausgestattet hatte; für den grossen Saal wusste er nach<lb/>
vielen Ueberlegungen keine bessern als unsere beiden Bolognesen,<lb/>
die er als Legat alldort kennen gelernt hatte (1635).</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Da manche Leser wol von diesen Malern zum ersten-<lb/>
male hören (enthält doch unser &#x201E;Geschmacksvormund&#x201C; nur<lb/>
den Namen des einen unter den barocken Decorationsmalern,<lb/>
und diesen als Zeitgenossen des Pater Pozzi, der mehr als ein<lb/>
Menschenalter später kam, den des eigentlichen Erfinders aber<lb/>
gar nicht), so wird wol eine kurze Charakteristik hier nicht un-<lb/>
willkommen sein.</p><lb/>
          <p>Den Malern der Verfallzeit wird u. a. auch Ueberladung<lb/>
mit Figurenmalerei besonders an den Decken und Gewölben zum<lb/>
Vorwurf gemacht, obwol ja die ärgsten Misshandlungen der Ar-<lb/>
chitektur durch malerische Anmassungen viel älter als der Barock-<lb/>
stil sind, man denke an den Jammer der Kuppel von Florenz!<lb/>
Das System Metelli&#x2019;s und Colonna&#x2019;s kann als eine Gegenbe-<lb/>
wegung betrachtet werden. Sie gaben dem Geschmack die Rich-<lb/>
tung auf Architekturmalerei, indem sie den gegebenen Raum,<lb/>
Wände und Decke, nach einem Plan poetisch-perspektivisch<lb/>
umschufen. Den Figuren fiel dabei nur eine Nebenrolle zu. Der<lb/>
Beifall, die zahlreichen (freilich ihnen erheblich untergeordneten)<lb/>
Nachfolger beweisen, dass sie zur rechten Stunde gekommen<lb/>
waren, man war das Historiengedränge satt, in dem die Italiener<lb/>
seit dem 14. Jahrhundert das Mögliche geleistet hatten.</p><lb/>
          <p>Die Quadratura-Malerei war zwar nie in Italien ganz aus-<lb/>
gestorben, aber ein wenig geachtetes Fach gewesen, bis Girolamo<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[201/0221] Metelli und Colonna. Velazquez’ Reiseroute gab ihm Gelegenheit, fast alle ihre Hauptarbeiten kennen zu lernen. In Genua im Palast Balbi (jetzt Palazzo Reale); in Modena, wo er in der Commedia wohnte, und wo ihm der Herzog unter den Kunstschätzen seines Palasts auch das Bildniss zeigte, das er vor elf Jahren in Madrid gemalt hatte. In Bologna soll er nach Palomino beide Maler bereits be- sucht haben; hier waren ihre meisten „Galerien“ und Säle zu sehn; eins ihrer schönsten Werke, das Oratorio di S. Giuseppe ist vor wenigen Jahren zerstört worden. Ihr letztes Meisterwerk in Italien aber, die Capelle des Rosenkranzes in S. Domenico, ist erst nach der Abreise des Velazquez (1656) entstanden. Endlich, auch in Rom sah er eine ihrer feinsten Arbeiten im Palast Capo di ferro, den der Cardinal Belardino Spada vor kurzem gekauft und neu ausgestattet hatte; für den grossen Saal wusste er nach vielen Ueberlegungen keine bessern als unsere beiden Bolognesen, die er als Legat alldort kennen gelernt hatte (1635). Da manche Leser wol von diesen Malern zum ersten- male hören (enthält doch unser „Geschmacksvormund“ nur den Namen des einen unter den barocken Decorationsmalern, und diesen als Zeitgenossen des Pater Pozzi, der mehr als ein Menschenalter später kam, den des eigentlichen Erfinders aber gar nicht), so wird wol eine kurze Charakteristik hier nicht un- willkommen sein. Den Malern der Verfallzeit wird u. a. auch Ueberladung mit Figurenmalerei besonders an den Decken und Gewölben zum Vorwurf gemacht, obwol ja die ärgsten Misshandlungen der Ar- chitektur durch malerische Anmassungen viel älter als der Barock- stil sind, man denke an den Jammer der Kuppel von Florenz! Das System Metelli’s und Colonna’s kann als eine Gegenbe- wegung betrachtet werden. Sie gaben dem Geschmack die Rich- tung auf Architekturmalerei, indem sie den gegebenen Raum, Wände und Decke, nach einem Plan poetisch-perspektivisch umschufen. Den Figuren fiel dabei nur eine Nebenrolle zu. Der Beifall, die zahlreichen (freilich ihnen erheblich untergeordneten) Nachfolger beweisen, dass sie zur rechten Stunde gekommen waren, man war das Historiengedränge satt, in dem die Italiener seit dem 14. Jahrhundert das Mögliche geleistet hatten. Die Quadratura-Malerei war zwar nie in Italien ganz aus- gestorben, aber ein wenig geachtetes Fach gewesen, bis Girolamo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/221
Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/221>, abgerufen am 25.04.2024.