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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Sechstes Buch.
dieser Zeit auf: eine Madonna mit dem Kinde von Bronze; der-
selbe Gegenstand in einem ovalen Silberrelief, u. a. 1). Sein
letztes Werk, von dem er noch die Wachsmodelle vollendete,
gegossen von jenem Guidi und Ercole Ferrata, waren vier
Kaminbekrönungen (Capofocolari) für den König. Die vier
Elemente sollten durch vier Gottheiten symbolisirt werden, Jupiter
auf dem Adler die Giganten niederschmetternd, Juno auf dem
Pfau mit den Winden, Neptun im Muschelwagen und Cybele von
Löwen gezogen. Nach Bellori im Leben des Meisters (Le Vite
de' pittori. Rom 1672, S. 399) hätte sie Diego di Velasco giessen
lassen, Passeri jedoch nennt Juan de Cordoba, den Agenten des
Königs für Italien. Sie sollen bei Genua in einem Schiffbruch
untergegangen sein; allein der Guss konnte ja wiederholt werden;
die Wachsmodelle sah man oft in römischen Ateliers. Nun fin-
den wir in der That in den sieben Gruppen des Neptunsbrunnens
des Gartens von Aranjuez algardische Bronzen, deren Gegen-
stand ganz mit den Beschreibungen jener Capofochi stimmt. Drei
sind doppelt da. Wahrscheinlich wurde dieser 1621 von Philipp III
errichtete "Ganymedesbrunnen" von Philipp IV 1662 umgebaut,
um jene Bronzen anzubringen 2). Auch der Marmorbrunnen des
Herkules mit der Hydra, umgeben von Nymphen, Satyrn und
Najaden wird Algardi zugeschrieben; er ist 1664 aufgestellt
worden. --

Aber das Ereigniss dieser Kreise war das Wiederaufstei-
gen Lorenz Bernini's in die Gunst des Palastes. Der Tod seines
Gönners Urban war das Signal gewesen zur Entfesslung des
Sturms auch auf den Architekten von Sankt Peter. Den An-
griffspunkt hatte der eine, fast fertige Glockenthurm der Fassade
geboten, an dem sich Risse gezeigt; man hatte dem Pabst schliess-
lich den Befehl zur Demolirung abgerungen. Ein andrer wäre
durch eine solche Schande gebrochen worden: Bernini's elastische
Natur überdauerte den Stoss ohne Schädigung. Schweigsam
hatte er das Vorübergehen des päbstlichen Zorns abgewartet
und fleissig gearbeitet. Er tröstete sich mit dem Bilde der
"Wahrheit", seiner schönsten weiblichen Figur, wie ein Rubens
in Marmor, die jetzt in dem Hause Corso 151 aufgestellt ist.

Da that sich eine Gelegenheit auf, mit den reinen Waffen

1) Ebenda S. 56.
2) Ebenda I, 226 f. Die Inschrift lautet nach Madoz, Diccion. geografico II,
437: El Rey N. S. D. Felipe III mando hacer esta fuente, . . . . anno de 1621: se
reedifico en 1662. Seitdem wurde der Name in "Neptunsbrunnen" verändert.

Sechstes Buch.
dieser Zeit auf: eine Madonna mit dem Kinde von Bronze; der-
selbe Gegenstand in einem ovalen Silberrelief, u. a. 1). Sein
letztes Werk, von dem er noch die Wachsmodelle vollendete,
gegossen von jenem Guidi und Ercole Ferrata, waren vier
Kaminbekrönungen (Capofocolari) für den König. Die vier
Elemente sollten durch vier Gottheiten symbolisirt werden, Jupiter
auf dem Adler die Giganten niederschmetternd, Juno auf dem
Pfau mit den Winden, Neptun im Muschelwagen und Cybele von
Löwen gezogen. Nach Bellori im Leben des Meisters (Le Vite
de’ pittori. Rom 1672, S. 399) hätte sie Diego di Velasco giessen
lassen, Passeri jedoch nennt Juan de Cordoba, den Agenten des
Königs für Italien. Sie sollen bei Genua in einem Schiffbruch
untergegangen sein; allein der Guss konnte ja wiederholt werden;
die Wachsmodelle sah man oft in römischen Ateliers. Nun fin-
den wir in der That in den sieben Gruppen des Neptunsbrunnens
des Gartens von Aranjuez algardische Bronzen, deren Gegen-
stand ganz mit den Beschreibungen jener Capofochi stimmt. Drei
sind doppelt da. Wahrscheinlich wurde dieser 1621 von Philipp III
errichtete „Ganymedesbrunnen“ von Philipp IV 1662 umgebaut,
um jene Bronzen anzubringen 2). Auch der Marmorbrunnen des
Herkules mit der Hydra, umgeben von Nymphen, Satyrn und
Najaden wird Algardi zugeschrieben; er ist 1664 aufgestellt
worden. —

Aber das Ereigniss dieser Kreise war das Wiederaufstei-
gen Lorenz Bernini’s in die Gunst des Palastes. Der Tod seines
Gönners Urban war das Signal gewesen zur Entfesslung des
Sturms auch auf den Architekten von Sankt Peter. Den An-
griffspunkt hatte der eine, fast fertige Glockenthurm der Fassade
geboten, an dem sich Risse gezeigt; man hatte dem Pabst schliess-
lich den Befehl zur Demolirung abgerungen. Ein andrer wäre
durch eine solche Schande gebrochen worden: Bernini’s elastische
Natur überdauerte den Stoss ohne Schädigung. Schweigsam
hatte er das Vorübergehen des päbstlichen Zorns abgewartet
und fleissig gearbeitet. Er tröstete sich mit dem Bilde der
„Wahrheit“, seiner schönsten weiblichen Figur, wie ein Rubens
in Marmor, die jetzt in dem Hause Corso 151 aufgestellt ist.

Da that sich eine Gelegenheit auf, mit den reinen Waffen

1) Ebenda S. 56.
2) Ebenda I, 226 f. Die Inschrift lautet nach Madoz, Diccion. geográfico II,
437: El Rey N. S. D. Felipe III mandó hacer esta fuente, . . . . año de 1621: se
reedificó en 1662. Seitdem wurde der Name in „Neptunsbrunnen“ verändert.
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[172/0192] Sechstes Buch. dieser Zeit auf: eine Madonna mit dem Kinde von Bronze; der- selbe Gegenstand in einem ovalen Silberrelief, u. a. 1). Sein letztes Werk, von dem er noch die Wachsmodelle vollendete, gegossen von jenem Guidi und Ercole Ferrata, waren vier Kaminbekrönungen (Capofocolari) für den König. Die vier Elemente sollten durch vier Gottheiten symbolisirt werden, Jupiter auf dem Adler die Giganten niederschmetternd, Juno auf dem Pfau mit den Winden, Neptun im Muschelwagen und Cybele von Löwen gezogen. Nach Bellori im Leben des Meisters (Le Vite de’ pittori. Rom 1672, S. 399) hätte sie Diego di Velasco giessen lassen, Passeri jedoch nennt Juan de Cordoba, den Agenten des Königs für Italien. Sie sollen bei Genua in einem Schiffbruch untergegangen sein; allein der Guss konnte ja wiederholt werden; die Wachsmodelle sah man oft in römischen Ateliers. Nun fin- den wir in der That in den sieben Gruppen des Neptunsbrunnens des Gartens von Aranjuez algardische Bronzen, deren Gegen- stand ganz mit den Beschreibungen jener Capofochi stimmt. Drei sind doppelt da. Wahrscheinlich wurde dieser 1621 von Philipp III errichtete „Ganymedesbrunnen“ von Philipp IV 1662 umgebaut, um jene Bronzen anzubringen 2). Auch der Marmorbrunnen des Herkules mit der Hydra, umgeben von Nymphen, Satyrn und Najaden wird Algardi zugeschrieben; er ist 1664 aufgestellt worden. — Aber das Ereigniss dieser Kreise war das Wiederaufstei- gen Lorenz Bernini’s in die Gunst des Palastes. Der Tod seines Gönners Urban war das Signal gewesen zur Entfesslung des Sturms auch auf den Architekten von Sankt Peter. Den An- griffspunkt hatte der eine, fast fertige Glockenthurm der Fassade geboten, an dem sich Risse gezeigt; man hatte dem Pabst schliess- lich den Befehl zur Demolirung abgerungen. Ein andrer wäre durch eine solche Schande gebrochen worden: Bernini’s elastische Natur überdauerte den Stoss ohne Schädigung. Schweigsam hatte er das Vorübergehen des päbstlichen Zorns abgewartet und fleissig gearbeitet. Er tröstete sich mit dem Bilde der „Wahrheit“, seiner schönsten weiblichen Figur, wie ein Rubens in Marmor, die jetzt in dem Hause Corso 151 aufgestellt ist. Da that sich eine Gelegenheit auf, mit den reinen Waffen 1) Ebenda S. 56. 2) Ebenda I, 226 f. Die Inschrift lautet nach Madoz, Diccion. geográfico II, 437: El Rey N. S. D. Felipe III mandó hacer esta fuente, . . . . año de 1621: se reedificó en 1662. Seitdem wurde der Name in „Neptunsbrunnen“ verändert.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/192>, abgerufen am 28.03.2024.