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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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In Neapel.
der vielumstrittenen Kapelle des Tesoro, die Marter des heil.
Januarius; sie steht hier wie ein Dokument, vielsagend ge-
genüber den schwachen Machwerken des Domenichino darüber
in den Zwickeln der Kuppel. Hier, wo die Gegner ein finstres
Henkerstück erwartet hatten, gab er eine verklärte, ruhig trium-
phirende Gestalt, ein lichtes Farbengedicht.

Aber dann hatte das Schicksal, nachdem es ihm fast ein
Menschenalter lang treu geblieben, einen niederschmetternden
Schlag für ihn in Bereitschaft. Er hatte zwei liebliche Töchter,
deren Züge uns so oft in seinen heiligen Frauen begegnen. Die
jüngere, Maria Rosa, blühte damals in vollster Jugendschönheit.
Noch im Jahre 1646 hatte er ihr Gesicht für ein sehr grosses Ge-
mälde der Purisima als Modell benutzt. Hier hatte er den Ver-
such in schatten- und farblosem Licht zu malen, bis zur Ueber-
spannung getrieben. Diess Bild war bestimmt für Madrid, für
den Hochaltar des Klosters der h. Isabella, dessen neue grosse
Kirche seit sieben Jahren im Bau begriffen war.

Im Jahr darauf brach der Aufstand des Masaniello aus, und
der natürliche Sohn des Königs, Don Juan de Austria II wurde
nach Italien gesandt. Während seines bewegten Lebens in Neapel
wurde er auch mit dem Hofmaler bekannt, der sein Reiterbild-
niss aufnahm und durch eine Radirung vervielfältigte (1648). Diese
erste und einzige Berührung mit einem Mitglied des Herrscher-
hauses wurde für Ribera verhängnissvoll. Er hatte von Spanien,
seinem Heimathland, nie Gutes für sich erwartet und so schon
vor Jahren sich ausgesprochen. "Spanien, pflegte er zu sagen,
ist eine zärtliche Mutter für Fremde, und eine harte Stiefmutter
der eignen Kinder." Deshalb wollte er nie Neapel verlassen:
"Wer sich wol befindet, der rühre sich nicht vom Fleck"1).
Maria Rosa fiel den Verführungskünsten des jungen Prinzen zum
Opfer. Dieser brachte sie in ein Kloster zu Palermo. Der
Schmerz des strengen Vaters soll an Verzweiflung gegrenzt ha-
ben. Er verfluchte sich selbst, denn seine Eitelkeit war die Ver-
anlassung gewesen, dass der Bastard seine Tochter kennen lernte;
er hatte sich die Freiheit genommen, ihn zu einer Abendunter-
haltung eingeladen. Die Ueberlieferung sagt, er habe sich in
ein Landhaus am Posilipp zurückgezogen, und sei bald darauf

1) "Quien esta bien no se mueva". Er sagte zu Martinez, "Que Espanna es
madre piadosa de forasteros y cruelisima madrastra de los propios naturales." Dis-
cursos, 34.

In Neapel.
der vielumstrittenen Kapelle des Tesoro, die Marter des heil.
Januarius; sie steht hier wie ein Dokument, vielsagend ge-
genüber den schwachen Machwerken des Domenichino darüber
in den Zwickeln der Kuppel. Hier, wo die Gegner ein finstres
Henkerstück erwartet hatten, gab er eine verklärte, ruhig trium-
phirende Gestalt, ein lichtes Farbengedicht.

Aber dann hatte das Schicksal, nachdem es ihm fast ein
Menschenalter lang treu geblieben, einen niederschmetternden
Schlag für ihn in Bereitschaft. Er hatte zwei liebliche Töchter,
deren Züge uns so oft in seinen heiligen Frauen begegnen. Die
jüngere, Maria Rosa, blühte damals in vollster Jugendschönheit.
Noch im Jahre 1646 hatte er ihr Gesicht für ein sehr grosses Ge-
mälde der Purisima als Modell benutzt. Hier hatte er den Ver-
such in schatten- und farblosem Licht zu malen, bis zur Ueber-
spannung getrieben. Diess Bild war bestimmt für Madrid, für
den Hochaltar des Klosters der h. Isabella, dessen neue grosse
Kirche seit sieben Jahren im Bau begriffen war.

Im Jahr darauf brach der Aufstand des Masaniello aus, und
der natürliche Sohn des Königs, Don Juan de Austria II wurde
nach Italien gesandt. Während seines bewegten Lebens in Neapel
wurde er auch mit dem Hofmaler bekannt, der sein Reiterbild-
niss aufnahm und durch eine Radirung vervielfältigte (1648). Diese
erste und einzige Berührung mit einem Mitglied des Herrscher-
hauses wurde für Ribera verhängnissvoll. Er hatte von Spanien,
seinem Heimathland, nie Gutes für sich erwartet und so schon
vor Jahren sich ausgesprochen. „Spanien, pflegte er zu sagen,
ist eine zärtliche Mutter für Fremde, und eine harte Stiefmutter
der eignen Kinder.“ Deshalb wollte er nie Neapel verlassen:
„Wer sich wol befindet, der rühre sich nicht vom Fleck“1).
Maria Rosa fiel den Verführungskünsten des jungen Prinzen zum
Opfer. Dieser brachte sie in ein Kloster zu Palermo. Der
Schmerz des strengen Vaters soll an Verzweiflung gegrenzt ha-
ben. Er verfluchte sich selbst, denn seine Eitelkeit war die Ver-
anlassung gewesen, dass der Bastard seine Tochter kennen lernte;
er hatte sich die Freiheit genommen, ihn zu einer Abendunter-
haltung eingeladen. Die Ueberlieferung sagt, er habe sich in
ein Landhaus am Posilipp zurückgezogen, und sei bald darauf

1) „Quien está bien no se mueva“. Er sagte zu Martinez, „Que España es
madre piadosa de forasteros y cruelísima madrastra de los propios naturales.“ Dis-
cursos, 34.
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[163/0183] In Neapel. der vielumstrittenen Kapelle des Tesoro, die Marter des heil. Januarius; sie steht hier wie ein Dokument, vielsagend ge- genüber den schwachen Machwerken des Domenichino darüber in den Zwickeln der Kuppel. Hier, wo die Gegner ein finstres Henkerstück erwartet hatten, gab er eine verklärte, ruhig trium- phirende Gestalt, ein lichtes Farbengedicht. Aber dann hatte das Schicksal, nachdem es ihm fast ein Menschenalter lang treu geblieben, einen niederschmetternden Schlag für ihn in Bereitschaft. Er hatte zwei liebliche Töchter, deren Züge uns so oft in seinen heiligen Frauen begegnen. Die jüngere, Maria Rosa, blühte damals in vollster Jugendschönheit. Noch im Jahre 1646 hatte er ihr Gesicht für ein sehr grosses Ge- mälde der Purisima als Modell benutzt. Hier hatte er den Ver- such in schatten- und farblosem Licht zu malen, bis zur Ueber- spannung getrieben. Diess Bild war bestimmt für Madrid, für den Hochaltar des Klosters der h. Isabella, dessen neue grosse Kirche seit sieben Jahren im Bau begriffen war. Im Jahr darauf brach der Aufstand des Masaniello aus, und der natürliche Sohn des Königs, Don Juan de Austria II wurde nach Italien gesandt. Während seines bewegten Lebens in Neapel wurde er auch mit dem Hofmaler bekannt, der sein Reiterbild- niss aufnahm und durch eine Radirung vervielfältigte (1648). Diese erste und einzige Berührung mit einem Mitglied des Herrscher- hauses wurde für Ribera verhängnissvoll. Er hatte von Spanien, seinem Heimathland, nie Gutes für sich erwartet und so schon vor Jahren sich ausgesprochen. „Spanien, pflegte er zu sagen, ist eine zärtliche Mutter für Fremde, und eine harte Stiefmutter der eignen Kinder.“ Deshalb wollte er nie Neapel verlassen: „Wer sich wol befindet, der rühre sich nicht vom Fleck“ 1). Maria Rosa fiel den Verführungskünsten des jungen Prinzen zum Opfer. Dieser brachte sie in ein Kloster zu Palermo. Der Schmerz des strengen Vaters soll an Verzweiflung gegrenzt ha- ben. Er verfluchte sich selbst, denn seine Eitelkeit war die Ver- anlassung gewesen, dass der Bastard seine Tochter kennen lernte; er hatte sich die Freiheit genommen, ihn zu einer Abendunter- haltung eingeladen. Die Ueberlieferung sagt, er habe sich in ein Landhaus am Posilipp zurückgezogen, und sei bald darauf 1) „Quien está bien no se mueva“. Er sagte zu Martinez, „Que España es madre piadosa de forasteros y cruelísima madrastra de los propios naturales.“ Dis- cursos, 34.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/183>, abgerufen am 23.04.2024.