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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Veranlassung der Reise.

Rom hinterlässt nach dem ersten Besuch immer ein Ver-
langen des Wiedersehens, wenigstens bei denen die verdienen
die heilige Stadt zu betreten. Der zweite Aufenthalt ist dann
oft der genussreichste, glücklichste. Dieses Verlangen, die Ahnung
vielleicht, dass ihm hier noch einige der ruhm- und inhaltreichsten
Tage seines Lebens bevorständen, trieb den fünfzigjährigen Maler
noch einmal nach dem Lande, wo er als dreissigjähriger einst zu-
erst dies Glück kennen gelernt hatte, welches kontemplativen Ge-
müthern in Kunst und Alterthum Roms, in der Freiheit eines
Orts wo alles in grossem Stil ist, aufgeht.

Jene erste Fahrt war eine Studienreise gewesen; die zweite
war wenigstens officiell eine Geschäftsreise, der verschwiegene
Beweggrund aber war gewiss, das ihm damals liebgewordene
wiederzusehn; vielleicht auch, bei dem verbesserten Verhält-
nisse Spaniens zum Pabste, Hof und Gesellschaft näher zu
treten, und sich in jener grossen Arena aller Talente als
Künstler zu zeigen.

Der Auftrag, welcher den Vorwand abgab für den langen
Urlaub, hing zusammen mit seiner nunmehrigen amtlichen Stel-
lung als Leiter der theilweisen Umgestaltung des Schlosses zu
Madrid. In den letzten Jahren waren alte Säle neu ausgestattet
und neue Prachträume geschaffen worden. Ihre Ausmalung konnte
oder mochte man Einheimischen nicht anvertrauen, zumal da die
Namen zweier in Italien damals sehr gesuchten Dekorationsmaler
nach Madrid gedrungen waren; auch für das Mobiliar dachte
man dortige Bronzearbeiter in Anspruch zu nehmen. Die neuen
Räume hatten zu einer veränderten Aufstellung des Gemälde-
vorraths Gelegenheit gegeben, einige Säle hatten sich schon
damals in eine wahre Pinakothek verwandelt. Aber der vor-
handene Besitz reichte nicht hin, die dem König vorschwebenden

Veranlassung der Reise.

Rom hinterlässt nach dem ersten Besuch immer ein Ver-
langen des Wiedersehens, wenigstens bei denen die verdienen
die heilige Stadt zu betreten. Der zweite Aufenthalt ist dann
oft der genussreichste, glücklichste. Dieses Verlangen, die Ahnung
vielleicht, dass ihm hier noch einige der ruhm- und inhaltreichsten
Tage seines Lebens bevorständen, trieb den fünfzigjährigen Maler
noch einmal nach dem Lande, wo er als dreissigjähriger einst zu-
erst dies Glück kennen gelernt hatte, welches kontemplativen Ge-
müthern in Kunst und Alterthum Roms, in der Freiheit eines
Orts wo alles in grossem Stil ist, aufgeht.

Jene erste Fahrt war eine Studienreise gewesen; die zweite
war wenigstens officiell eine Geschäftsreise, der verschwiegene
Beweggrund aber war gewiss, das ihm damals liebgewordene
wiederzusehn; vielleicht auch, bei dem verbesserten Verhält-
nisse Spaniens zum Pabste, Hof und Gesellschaft näher zu
treten, und sich in jener grossen Arena aller Talente als
Künstler zu zeigen.

Der Auftrag, welcher den Vorwand abgab für den langen
Urlaub, hing zusammen mit seiner nunmehrigen amtlichen Stel-
lung als Leiter der theilweisen Umgestaltung des Schlosses zu
Madrid. In den letzten Jahren waren alte Säle neu ausgestattet
und neue Prachträume geschaffen worden. Ihre Ausmalung konnte
oder mochte man Einheimischen nicht anvertrauen, zumal da die
Namen zweier in Italien damals sehr gesuchten Dekorationsmaler
nach Madrid gedrungen waren; auch für das Mobiliar dachte
man dortige Bronzearbeiter in Anspruch zu nehmen. Die neuen
Räume hatten zu einer veränderten Aufstellung des Gemälde-
vorraths Gelegenheit gegeben, einige Säle hatten sich schon
damals in eine wahre Pinakothek verwandelt. Aber der vor-
handene Besitz reichte nicht hin, die dem König vorschwebenden

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[[153]/0173] Veranlassung der Reise. Rom hinterlässt nach dem ersten Besuch immer ein Ver- langen des Wiedersehens, wenigstens bei denen die verdienen die heilige Stadt zu betreten. Der zweite Aufenthalt ist dann oft der genussreichste, glücklichste. Dieses Verlangen, die Ahnung vielleicht, dass ihm hier noch einige der ruhm- und inhaltreichsten Tage seines Lebens bevorständen, trieb den fünfzigjährigen Maler noch einmal nach dem Lande, wo er als dreissigjähriger einst zu- erst dies Glück kennen gelernt hatte, welches kontemplativen Ge- müthern in Kunst und Alterthum Roms, in der Freiheit eines Orts wo alles in grossem Stil ist, aufgeht. Jene erste Fahrt war eine Studienreise gewesen; die zweite war wenigstens officiell eine Geschäftsreise, der verschwiegene Beweggrund aber war gewiss, das ihm damals liebgewordene wiederzusehn; vielleicht auch, bei dem verbesserten Verhält- nisse Spaniens zum Pabste, Hof und Gesellschaft näher zu treten, und sich in jener grossen Arena aller Talente als Künstler zu zeigen. Der Auftrag, welcher den Vorwand abgab für den langen Urlaub, hing zusammen mit seiner nunmehrigen amtlichen Stel- lung als Leiter der theilweisen Umgestaltung des Schlosses zu Madrid. In den letzten Jahren waren alte Säle neu ausgestattet und neue Prachträume geschaffen worden. Ihre Ausmalung konnte oder mochte man Einheimischen nicht anvertrauen, zumal da die Namen zweier in Italien damals sehr gesuchten Dekorationsmaler nach Madrid gedrungen waren; auch für das Mobiliar dachte man dortige Bronzearbeiter in Anspruch zu nehmen. Die neuen Räume hatten zu einer veränderten Aufstellung des Gemälde- vorraths Gelegenheit gegeben, einige Säle hatten sich schon damals in eine wahre Pinakothek verwandelt. Aber der vor- handene Besitz reichte nicht hin, die dem König vorschwebenden

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. [153]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/173>, abgerufen am 28.03.2024.