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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Fünftes Buch.
lier von Silberstoff, kurzer schwarzer Mantel. Die rechte Hand
an der Lehne des rothbezogenen Sessels, rothe Tischdecke und
Vorhang. Auf dem Tisch liegt ein breitkrämpiger Hut. Ueber
der steifen golilla ein gleichgültiges, fast verdriessliches Gesicht.
Dieselbe Aufnahme ist wiederholt als Brustbild in dem durch die
Manchester Ausstellung bekannt gewordenen Gemälde, das dem
Colonel Hugh Baillie gehörte, und in der sehr gepriesenen Figur
der Hertford-Galerie, die aus der Sammlung Wells stammt.
Letzteres Bild, wo das Wams von dunkelgrünem Stoff ist, auffal-
lend durch eine Sättigung der Farbe, die man tizianisch genannt
hat1), macht keinen glaubwürdigen Eindruck. Der Farbenkörper
ist besonders im Braun von Boden und Himmel in breiten
Rissen, ja Klümpchen auseinander gegangen und überdiess durch
den Goldton des Firnisses verändert; wahrscheinlich in Folge
einer englischen Uebermalung. Hinter dem Knaben steht eine
rothsammt überzogene Schatulle, die Stirling ganz übereinstim-
mend fand mit dem von Philipp IV dem Prinzen von Wales ver-
ehrten Toilettenkästchen.

Viel sympathischer nimmt sich der zukünftige Bräutigam
aus in zwei Figuren, wo er ähnlich dem Reiterbild als geborner
Heerführer, aber in prachtvoller, goldglänzender Rüstung auf-
tritt, wie der Urgrossvater in dem herrlichen Porträt Tizians im
Prado, Vater und Grossvater in den Statuen Pietro Tacca's. So
erschien er mit seiner Mutter bei Musterungen während des
catalonischen Krieges, zum Entzücken der Madrider.

Am 31. December 1639 schreibt der toskanische Gesandte:
"Ein Bildniss des Grossfürsten ist gemacht worden, in Harnisch
und voller Gala, und nach England geschickt, gleich als wäre die
Vermählung Seiner Hoheit mit der dortigen Prinzessin nahe bevor-
stehend. Viele glauben indess, dass man es nur gethan, um den
König bei Laune und Hoffnung zu erhalten"2). In der That
kommt in dem bekannten Katalog der Sammlungen Carl I (S. 170,
Nr. 14) vor: The picture of the now Prince of Spain, und dasselbe
steht auch in den Papieren der Versteigerung unter der Repu-
blik3). Nun ist neuerdings ein jener Beschreibung Serrano's ent-

1) Quite tizianesque nennt es G. Scharf. This is highly esteemed, and de-
serves much admiration. Manchester Exhibition, p. 81.
2) Si e fatto un ritratto del gran principe armato et con tutta la gala, et
mandato in Inghilterra, come se fusse molto vicino l'accasamento di S. A. con-
quella Principessa. Medic. Archiv.
3) Oct. 23. 1651. To Mr. Edward Harrison & Company Prince of Spain
1. 100. Hunter's Certificates. British Museum.

Fünftes Buch.
lier von Silberstoff, kurzer schwarzer Mantel. Die rechte Hand
an der Lehne des rothbezogenen Sessels, rothe Tischdecke und
Vorhang. Auf dem Tisch liegt ein breitkrämpiger Hut. Ueber
der steifen golilla ein gleichgültiges, fast verdriessliches Gesicht.
Dieselbe Aufnahme ist wiederholt als Brustbild in dem durch die
Manchester Ausstellung bekannt gewordenen Gemälde, das dem
Colonel Hugh Baillie gehörte, und in der sehr gepriesenen Figur
der Hertford-Galerie, die aus der Sammlung Wells stammt.
Letzteres Bild, wo das Wams von dunkelgrünem Stoff ist, auffal-
lend durch eine Sättigung der Farbe, die man tizianisch genannt
hat1), macht keinen glaubwürdigen Eindruck. Der Farbenkörper
ist besonders im Braun von Boden und Himmel in breiten
Rissen, ja Klümpchen auseinander gegangen und überdiess durch
den Goldton des Firnisses verändert; wahrscheinlich in Folge
einer englischen Uebermalung. Hinter dem Knaben steht eine
rothsammt überzogene Schatulle, die Stirling ganz übereinstim-
mend fand mit dem von Philipp IV dem Prinzen von Wales ver-
ehrten Toilettenkästchen.

Viel sympathischer nimmt sich der zukünftige Bräutigam
aus in zwei Figuren, wo er ähnlich dem Reiterbild als geborner
Heerführer, aber in prachtvoller, goldglänzender Rüstung auf-
tritt, wie der Urgrossvater in dem herrlichen Porträt Tizians im
Prado, Vater und Grossvater in den Statuen Pietro Tacca’s. So
erschien er mit seiner Mutter bei Musterungen während des
catalonischen Krieges, zum Entzücken der Madrider.

Am 31. December 1639 schreibt der toskanische Gesandte:
„Ein Bildniss des Grossfürsten ist gemacht worden, in Harnisch
und voller Gala, und nach England geschickt, gleich als wäre die
Vermählung Seiner Hoheit mit der dortigen Prinzessin nahe bevor-
stehend. Viele glauben indess, dass man es nur gethan, um den
König bei Laune und Hoffnung zu erhalten“2). In der That
kommt in dem bekannten Katalog der Sammlungen Carl I (S. 170,
Nr. 14) vor: The picture of the now Prince of Spain, und dasselbe
steht auch in den Papieren der Versteigerung unter der Repu-
blik3). Nun ist neuerdings ein jener Beschreibung Serrano’s ent-

1) Quite tizianesque nennt es G. Scharf. This is highly esteemed, and de-
serves much admiration. Manchester Exhibition, p. 81.
2) Si è fatto un ritratto del gran principe armato et con tutta la gala, et
mandato in Inghilterra, come se fusse molto vicino l’accasamento di S. A. con-
quella Principessa. Medic. Archiv.
3) Oct. 23. 1651. To Mr. Edward Harrison & Company Prince of Spain
1. 100. Hunter’s Certificates. British Museum.
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[138/0158] Fünftes Buch. lier von Silberstoff, kurzer schwarzer Mantel. Die rechte Hand an der Lehne des rothbezogenen Sessels, rothe Tischdecke und Vorhang. Auf dem Tisch liegt ein breitkrämpiger Hut. Ueber der steifen golilla ein gleichgültiges, fast verdriessliches Gesicht. Dieselbe Aufnahme ist wiederholt als Brustbild in dem durch die Manchester Ausstellung bekannt gewordenen Gemälde, das dem Colonel Hugh Baillie gehörte, und in der sehr gepriesenen Figur der Hertford-Galerie, die aus der Sammlung Wells stammt. Letzteres Bild, wo das Wams von dunkelgrünem Stoff ist, auffal- lend durch eine Sättigung der Farbe, die man tizianisch genannt hat 1), macht keinen glaubwürdigen Eindruck. Der Farbenkörper ist besonders im Braun von Boden und Himmel in breiten Rissen, ja Klümpchen auseinander gegangen und überdiess durch den Goldton des Firnisses verändert; wahrscheinlich in Folge einer englischen Uebermalung. Hinter dem Knaben steht eine rothsammt überzogene Schatulle, die Stirling ganz übereinstim- mend fand mit dem von Philipp IV dem Prinzen von Wales ver- ehrten Toilettenkästchen. Viel sympathischer nimmt sich der zukünftige Bräutigam aus in zwei Figuren, wo er ähnlich dem Reiterbild als geborner Heerführer, aber in prachtvoller, goldglänzender Rüstung auf- tritt, wie der Urgrossvater in dem herrlichen Porträt Tizians im Prado, Vater und Grossvater in den Statuen Pietro Tacca’s. So erschien er mit seiner Mutter bei Musterungen während des catalonischen Krieges, zum Entzücken der Madrider. Am 31. December 1639 schreibt der toskanische Gesandte: „Ein Bildniss des Grossfürsten ist gemacht worden, in Harnisch und voller Gala, und nach England geschickt, gleich als wäre die Vermählung Seiner Hoheit mit der dortigen Prinzessin nahe bevor- stehend. Viele glauben indess, dass man es nur gethan, um den König bei Laune und Hoffnung zu erhalten“ 2). In der That kommt in dem bekannten Katalog der Sammlungen Carl I (S. 170, Nr. 14) vor: The picture of the now Prince of Spain, und dasselbe steht auch in den Papieren der Versteigerung unter der Repu- blik 3). Nun ist neuerdings ein jener Beschreibung Serrano’s ent- 1) Quite tizianesque nennt es G. Scharf. This is highly esteemed, and de- serves much admiration. Manchester Exhibition, p. 81. 2) Si è fatto un ritratto del gran principe armato et con tutta la gala, et mandato in Inghilterra, come se fusse molto vicino l’accasamento di S. A. con- quella Principessa. Medic. Archiv. 3) Oct. 23. 1651. To Mr. Edward Harrison & Company Prince of Spain 1. 100. Hunter’s Certificates. British Museum.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/158>, abgerufen am 28.03.2024.