Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

Fünftes Buch.
Neffe Haro überbrachte ihm diese Botschaft. Nach Sevilla wollte
er nicht, und wählte die kleine kastilische Stadt Toro. Auf dem
Weg dahin berührte er noch einmal Madrid und hörte in der
Atocha die Messe: er speiste in Pozuelo de Alarcon; hier und in
Torre besuchten ihn officiell Haro mit mehreren Herren vom
Hofe und seinem Bastard, ausserdem aber viele Cavaliere. Er
sah sehr verfallen und leidend aus und war ganz ergraut. Unter
jenen Cavalieren war auch Velazquez. Gefährlich war ein solcher
Besuch nicht; denn der König behandelte ihn mit Schonung, ja
man war überzeugt, er sei ihm im Herzen noch immer gewogen.
In der Sitzung des Staatsrats, wo er sich über die Aenderung
in der Regierung aussprach, lobte er seinen guten Willen ihm
zu dienen, und begründete die Entlassung aus dem Entschluss,
dem Wunsch seines Volkes zu willfahren, er möge ohne privado
regieren. Olivares starb am 20. Juni 1643. Der Mann, an dem er
sich am schwersten versündigt, sandte ihm, ohne die Bestätigung
des Gerüchts abzuwarten, eine Nänie nach, in seiner Art. Der
verewigte Minister klopft an den Thoren der drei Reiche an,
probiert an St. Peters Pforte seinen goldenen Schlüssel, findet
aber erst am dritten und letzten Ort einen Souverän, der geneigt
ist ihm das Amt eines privado zu übertragen, und einen Unglücks-
mann seines gleichen, den Grafen Julian, der ihn begrüsst.

Don Enrique wurde vom Hofe entfernt und endete noch in
demselben Jahrzehnt, Donna Juana trat ins Kloster, ihr Sohn starb
als kleines Kind.


Man kann sich denken, dass der Nachfolger des Conde
Duque, sein Neffe D. Luis de Haro, von dem Grundsatz nicht
bloss heutiger Premierminister, in allen Stücken das Gegen-
theil von dem zu thun was ihre Vorgänger gethan, nicht abge-
gangen ist. Wie es scheint, hat er sich nicht ein einziges mal
von Velazquez porträtiren lassen, obwol dieser siebzehn Jahre
lang Zeit dazu hatte. Aber nein, es giebt ja ein Reiterbild von
D. Luis, es war eine Perle der Northwickgalerie, deren sach-
kundiger Beschreiber es für "den bestgemalten Kopf erklärt, den
er von Velazquez gesehn, und den selbst van Dyck nicht über-
troffen habe; in Farbe, Licht und Schatten, Ton die allervoll-
kommenste Geschicklichkeit entfaltend". Demgemäss erreichte
es die Summe von £ 966, die der Baron James Rothschild zahlte
(1859). Er bestimmte es für den Prachtraum seines Jagdschlosses

Fünftes Buch.
Neffe Haro überbrachte ihm diese Botschaft. Nach Sevilla wollte
er nicht, und wählte die kleine kastilische Stadt Toro. Auf dem
Weg dahin berührte er noch einmal Madrid und hörte in der
Atocha die Messe: er speiste in Pozuelo de Alarcon; hier und in
Torre besuchten ihn officiell Haro mit mehreren Herren vom
Hofe und seinem Bastard, ausserdem aber viele Cavaliere. Er
sah sehr verfallen und leidend aus und war ganz ergraut. Unter
jenen Cavalieren war auch Velazquez. Gefährlich war ein solcher
Besuch nicht; denn der König behandelte ihn mit Schonung, ja
man war überzeugt, er sei ihm im Herzen noch immer gewogen.
In der Sitzung des Staatsrats, wo er sich über die Aenderung
in der Regierung aussprach, lobte er seinen guten Willen ihm
zu dienen, und begründete die Entlassung aus dem Entschluss,
dem Wunsch seines Volkes zu willfahren, er möge ohne privado
regieren. Olivares starb am 20. Juni 1643. Der Mann, an dem er
sich am schwersten versündigt, sandte ihm, ohne die Bestätigung
des Gerüchts abzuwarten, eine Nänie nach, in seiner Art. Der
verewigte Minister klopft an den Thoren der drei Reiche an,
probiert an St. Peters Pforte seinen goldenen Schlüssel, findet
aber erst am dritten und letzten Ort einen Souverän, der geneigt
ist ihm das Amt eines privado zu übertragen, und einen Unglücks-
mann seines gleichen, den Grafen Julian, der ihn begrüsst.

Don Enrique wurde vom Hofe entfernt und endete noch in
demselben Jahrzehnt, Doña Juana trat ins Kloster, ihr Sohn starb
als kleines Kind.


Man kann sich denken, dass der Nachfolger des Conde
Duque, sein Neffe D. Luis de Haro, von dem Grundsatz nicht
bloss heutiger Premierminister, in allen Stücken das Gegen-
theil von dem zu thun was ihre Vorgänger gethan, nicht abge-
gangen ist. Wie es scheint, hat er sich nicht ein einziges mal
von Velazquez porträtiren lassen, obwol dieser siebzehn Jahre
lang Zeit dazu hatte. Aber nein, es giebt ja ein Reiterbild von
D. Luis, es war eine Perle der Northwickgalerie, deren sach-
kundiger Beschreiber es für „den bestgemalten Kopf erklärt, den
er von Velazquez gesehn, und den selbst van Dyck nicht über-
troffen habe; in Farbe, Licht und Schatten, Ton die allervoll-
kommenste Geschicklichkeit entfaltend“. Demgemäss erreichte
es die Summe von £ 966, die der Baron James Rothschild zahlte
(1859). Er bestimmte es für den Prachtraum seines Jagdschlosses

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0146" n="126"/><fw place="top" type="header">Fünftes Buch.</fw><lb/>
Neffe Haro überbrachte ihm diese Botschaft. Nach Sevilla wollte<lb/>
er nicht, und wählte die kleine kastilische Stadt Toro. Auf dem<lb/>
Weg dahin berührte er noch einmal Madrid und hörte in der<lb/>
Atocha die Messe: er speiste in Pozuelo de Alarcon; hier und in<lb/>
Torre besuchten ihn officiell Haro mit mehreren Herren vom<lb/>
Hofe und seinem Bastard, ausserdem aber viele Cavaliere. Er<lb/>
sah sehr verfallen und leidend aus und war ganz ergraut. Unter<lb/>
jenen Cavalieren war auch Velazquez. Gefährlich war ein solcher<lb/>
Besuch nicht; denn der König behandelte ihn mit Schonung, ja<lb/>
man war überzeugt, er sei ihm im Herzen noch immer gewogen.<lb/>
In der Sitzung des Staatsrats, wo er sich über die Aenderung<lb/>
in der Regierung aussprach, lobte er seinen guten Willen ihm<lb/>
zu dienen, und begründete die Entlassung aus dem Entschluss,<lb/>
dem Wunsch seines Volkes zu willfahren, er möge ohne <hi rendition="#i">privado</hi><lb/>
regieren. Olivares starb am 20. Juni 1643. Der Mann, an dem er<lb/>
sich am schwersten versündigt, sandte ihm, ohne die Bestätigung<lb/>
des Gerüchts abzuwarten, eine Nänie nach, in seiner Art. Der<lb/>
verewigte Minister klopft an den Thoren der drei Reiche an,<lb/>
probiert an S<hi rendition="#sup">t</hi>. Peters Pforte seinen goldenen Schlüssel, findet<lb/>
aber erst am dritten und letzten Ort einen Souverän, der geneigt<lb/>
ist ihm das Amt eines <hi rendition="#i">privado</hi> zu übertragen, und einen Unglücks-<lb/>
mann seines gleichen, den Grafen Julian, der ihn begrüsst.</p><lb/>
            <p>Don Enrique wurde vom Hofe entfernt und endete noch in<lb/>
demselben Jahrzehnt, Doña Juana trat ins Kloster, ihr Sohn starb<lb/>
als kleines Kind.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <p>Man kann sich denken, dass der Nachfolger des Conde<lb/>
Duque, sein Neffe <hi rendition="#i">D. Luis de Haro</hi>, von dem Grundsatz nicht<lb/>
bloss heutiger Premierminister, in allen Stücken das Gegen-<lb/>
theil von dem zu thun was ihre Vorgänger gethan, nicht abge-<lb/>
gangen ist. Wie es scheint, hat er sich nicht ein einziges mal<lb/>
von Velazquez porträtiren lassen, obwol dieser siebzehn Jahre<lb/>
lang Zeit dazu hatte. Aber nein, es giebt ja ein Reiterbild von<lb/>
D. Luis, es war eine Perle der Northwickgalerie, deren sach-<lb/>
kundiger Beschreiber es für &#x201E;den bestgemalten Kopf erklärt, den<lb/>
er von Velazquez gesehn, und den selbst van Dyck nicht über-<lb/>
troffen habe; in Farbe, Licht und Schatten, Ton die allervoll-<lb/>
kommenste Geschicklichkeit entfaltend&#x201C;. Demgemäss erreichte<lb/>
es die Summe von £ 966, die der Baron James Rothschild zahlte<lb/>
(1859). Er bestimmte es für den Prachtraum seines Jagdschlosses<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[126/0146] Fünftes Buch. Neffe Haro überbrachte ihm diese Botschaft. Nach Sevilla wollte er nicht, und wählte die kleine kastilische Stadt Toro. Auf dem Weg dahin berührte er noch einmal Madrid und hörte in der Atocha die Messe: er speiste in Pozuelo de Alarcon; hier und in Torre besuchten ihn officiell Haro mit mehreren Herren vom Hofe und seinem Bastard, ausserdem aber viele Cavaliere. Er sah sehr verfallen und leidend aus und war ganz ergraut. Unter jenen Cavalieren war auch Velazquez. Gefährlich war ein solcher Besuch nicht; denn der König behandelte ihn mit Schonung, ja man war überzeugt, er sei ihm im Herzen noch immer gewogen. In der Sitzung des Staatsrats, wo er sich über die Aenderung in der Regierung aussprach, lobte er seinen guten Willen ihm zu dienen, und begründete die Entlassung aus dem Entschluss, dem Wunsch seines Volkes zu willfahren, er möge ohne privado regieren. Olivares starb am 20. Juni 1643. Der Mann, an dem er sich am schwersten versündigt, sandte ihm, ohne die Bestätigung des Gerüchts abzuwarten, eine Nänie nach, in seiner Art. Der verewigte Minister klopft an den Thoren der drei Reiche an, probiert an St. Peters Pforte seinen goldenen Schlüssel, findet aber erst am dritten und letzten Ort einen Souverän, der geneigt ist ihm das Amt eines privado zu übertragen, und einen Unglücks- mann seines gleichen, den Grafen Julian, der ihn begrüsst. Don Enrique wurde vom Hofe entfernt und endete noch in demselben Jahrzehnt, Doña Juana trat ins Kloster, ihr Sohn starb als kleines Kind. Man kann sich denken, dass der Nachfolger des Conde Duque, sein Neffe D. Luis de Haro, von dem Grundsatz nicht bloss heutiger Premierminister, in allen Stücken das Gegen- theil von dem zu thun was ihre Vorgänger gethan, nicht abge- gangen ist. Wie es scheint, hat er sich nicht ein einziges mal von Velazquez porträtiren lassen, obwol dieser siebzehn Jahre lang Zeit dazu hatte. Aber nein, es giebt ja ein Reiterbild von D. Luis, es war eine Perle der Northwickgalerie, deren sach- kundiger Beschreiber es für „den bestgemalten Kopf erklärt, den er von Velazquez gesehn, und den selbst van Dyck nicht über- troffen habe; in Farbe, Licht und Schatten, Ton die allervoll- kommenste Geschicklichkeit entfaltend“. Demgemäss erreichte es die Summe von £ 966, die der Baron James Rothschild zahlte (1859). Er bestimmte es für den Prachtraum seines Jagdschlosses

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/146
Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/146>, abgerufen am 18.04.2024.