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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Olivares.
Mündler im Jahre 1865 als Velazquez erkannt hatte, in die Pina-
kothek zu München, wo es fast allein unsren Meister repräsen-
tirte. Neuerdings ist es wieder an die alte Wand des verödeten
Schlosses zurückversetzt worden. Es erfreut sich, wie es scheint,
nicht des Beifalls der Kenner, obwol es in Ton, Palette und
Lockerheit des Strichs bei voller Sicherheit der Zeichnung un-
verkennbar die Signatur des Meisters trägt.

In der Richtung auf Ausschliessung der Schatten und Ent-
behrlichmachung der Kontraste ist er kaum je weiter gegangen
als in diesem Bilde. Er wollte einmal Ernst machen mit dem
Licht der vollen erbarmungslosen Sonne eines spanischen Sommer-
tags. Er häuft soviel als möglich reines Weiss: der Pulver-
dampf, der Schimmel, eine die Farbe tötende Mittagsbeleuchtung.
Die dunkelste Partie ist der das Licht im Metallreflex aus-
strahlende polirte Harnisch. Aber der Kopf hat dabei ge-
wonnen: wer sich den Conde Duque nach dumpf gewordenen
Schulbildern auch in der Farbe finster vorgestellt hatte, fand sich
hier überrascht durch die blauen Augen, die röthliche Gesichts-
farbe und den blonden Bart eines wahren Gothmann. --

Man kann sich denken, wie oft das Madrider Bild zur Zeit
seiner ministeriellen Allmacht auch in kleinem Maassstabe für
seine Verehrer kopiert worden ist, zuweilen als Pendant des
Königs. Solche Kopien, Skizzen genannt, finden sich z. B. in
der Galerie von Sir R. Wallace, wo die Farbe des Originals gut
getroffen ist1), eine geringere in der Galerie von San Telmo,
wo man von der Landschaft an beiden Seiten etwas mehr sieht
als im Original.

Für die Zeitbestimmung des grossen Bildes giebt das Alter
des Mannes und der Stil Anhaltspunkte. Nach dem Madrider
Katalog gilt der Zeitraum von 1639--42 für sicher, -- Gründe
sind nicht angegeben. Indess hat der Kopf noch nicht den ge-
dunsenen Alterstypus, der schon in dem von Panneels nach Ve-
lazquez gestochenem Blatt (1638) auftritt, und dürfte kaum nach
1637 gemalt sein. Nach Ton und Helldunkel könnte man das
Gemälde sogar noch früher setzen als den um 1636 gemalten
Prinzen, der klarer und heller in der Haltung ist, und nicht allzu-
weit von der Feldherrngalerie in Buen Retiro.

1) W. Burger hielt es für den "premier jet". C'est un des tableaux ou le
maeitre a prodigue ses qualites les plus fougueuses, en conservant sur ces touches
brusques une singuliere finesse de coloris.

Olivares.
Mündler im Jahre 1865 als Velazquez erkannt hatte, in die Pina-
kothek zu München, wo es fast allein unsren Meister repräsen-
tirte. Neuerdings ist es wieder an die alte Wand des verödeten
Schlosses zurückversetzt worden. Es erfreut sich, wie es scheint,
nicht des Beifalls der Kenner, obwol es in Ton, Palette und
Lockerheit des Strichs bei voller Sicherheit der Zeichnung un-
verkennbar die Signatur des Meisters trägt.

In der Richtung auf Ausschliessung der Schatten und Ent-
behrlichmachung der Kontraste ist er kaum je weiter gegangen
als in diesem Bilde. Er wollte einmal Ernst machen mit dem
Licht der vollen erbarmungslosen Sonne eines spanischen Sommer-
tags. Er häuft soviel als möglich reines Weiss: der Pulver-
dampf, der Schimmel, eine die Farbe tötende Mittagsbeleuchtung.
Die dunkelste Partie ist der das Licht im Metallreflex aus-
strahlende polirte Harnisch. Aber der Kopf hat dabei ge-
wonnen: wer sich den Conde Duque nach dumpf gewordenen
Schulbildern auch in der Farbe finster vorgestellt hatte, fand sich
hier überrascht durch die blauen Augen, die röthliche Gesichts-
farbe und den blonden Bart eines wahren Gothmann. —

Man kann sich denken, wie oft das Madrider Bild zur Zeit
seiner ministeriellen Allmacht auch in kleinem Maassstabe für
seine Verehrer kopiert worden ist, zuweilen als Pendant des
Königs. Solche Kopien, Skizzen genannt, finden sich z. B. in
der Galerie von Sir R. Wallace, wo die Farbe des Originals gut
getroffen ist1), eine geringere in der Galerie von San Telmo,
wo man von der Landschaft an beiden Seiten etwas mehr sieht
als im Original.

Für die Zeitbestimmung des grossen Bildes giebt das Alter
des Mannes und der Stil Anhaltspunkte. Nach dem Madrider
Katalog gilt der Zeitraum von 1639—42 für sicher, — Gründe
sind nicht angegeben. Indess hat der Kopf noch nicht den ge-
dunsenen Alterstypus, der schon in dem von Panneels nach Ve-
lazquez gestochenem Blatt (1638) auftritt, und dürfte kaum nach
1637 gemalt sein. Nach Ton und Helldunkel könnte man das
Gemälde sogar noch früher setzen als den um 1636 gemalten
Prinzen, der klarer und heller in der Haltung ist, und nicht allzu-
weit von der Feldherrngalerie in Buen Retiro.

1) W. Burger hielt es für den „premier jet“. C’est un des tableaux où le
maître a prodigué ses qualités les plus fougueuses, en conservant sur ces touches
brusques une singulière finesse de coloris.
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[115/0135] Olivares. Mündler im Jahre 1865 als Velazquez erkannt hatte, in die Pina- kothek zu München, wo es fast allein unsren Meister repräsen- tirte. Neuerdings ist es wieder an die alte Wand des verödeten Schlosses zurückversetzt worden. Es erfreut sich, wie es scheint, nicht des Beifalls der Kenner, obwol es in Ton, Palette und Lockerheit des Strichs bei voller Sicherheit der Zeichnung un- verkennbar die Signatur des Meisters trägt. In der Richtung auf Ausschliessung der Schatten und Ent- behrlichmachung der Kontraste ist er kaum je weiter gegangen als in diesem Bilde. Er wollte einmal Ernst machen mit dem Licht der vollen erbarmungslosen Sonne eines spanischen Sommer- tags. Er häuft soviel als möglich reines Weiss: der Pulver- dampf, der Schimmel, eine die Farbe tötende Mittagsbeleuchtung. Die dunkelste Partie ist der das Licht im Metallreflex aus- strahlende polirte Harnisch. Aber der Kopf hat dabei ge- wonnen: wer sich den Conde Duque nach dumpf gewordenen Schulbildern auch in der Farbe finster vorgestellt hatte, fand sich hier überrascht durch die blauen Augen, die röthliche Gesichts- farbe und den blonden Bart eines wahren Gothmann. — Man kann sich denken, wie oft das Madrider Bild zur Zeit seiner ministeriellen Allmacht auch in kleinem Maassstabe für seine Verehrer kopiert worden ist, zuweilen als Pendant des Königs. Solche Kopien, Skizzen genannt, finden sich z. B. in der Galerie von Sir R. Wallace, wo die Farbe des Originals gut getroffen ist 1), eine geringere in der Galerie von San Telmo, wo man von der Landschaft an beiden Seiten etwas mehr sieht als im Original. Für die Zeitbestimmung des grossen Bildes giebt das Alter des Mannes und der Stil Anhaltspunkte. Nach dem Madrider Katalog gilt der Zeitraum von 1639—42 für sicher, — Gründe sind nicht angegeben. Indess hat der Kopf noch nicht den ge- dunsenen Alterstypus, der schon in dem von Panneels nach Ve- lazquez gestochenem Blatt (1638) auftritt, und dürfte kaum nach 1637 gemalt sein. Nach Ton und Helldunkel könnte man das Gemälde sogar noch früher setzen als den um 1636 gemalten Prinzen, der klarer und heller in der Haltung ist, und nicht allzu- weit von der Feldherrngalerie in Buen Retiro. 1) W. Burger hielt es für den „premier jet“. C’est un des tableaux où le maître a prodigué ses qualités les plus fougueuses, en conservant sur ces touches brusques une singulière finesse de coloris.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/135>, abgerufen am 29.03.2024.