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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Königliche Bildnisse von Originalität zweiter Ordnung.
Anstand, welch heitere Farbenfülle in dem verschiedenartigen Rot, dem
Purpur des Vorhanges, dem Pfirsichroth der seidenen Schärpe, in dem
Goldglanz des Panzers; welch flotter Pinsel. Aber die Freude ist nicht
von Dauer.

Der Blick fällt auf den erbarmungswürdigen Löwen (Schnock der
Schreiner) unter dem Tisch1), auf dem eine Königskrone nebst Helm
liegt, von etwas theatermässigem Aussehn. Nun bemerkt man auch
das fremdartig Lebhafte in der Farbe. Hat der Maler seine Skizze
also extra für den Geschmack der nordischen Barbaren herrichten
lassen? und hielt man Rubens'schen Farbenlärm (Waagen wurde an
Rubens erinnert) für englisch? Oder ist die Missethat in Britannien voll-
bracht worden? Schliesslich drücken wir ein Auge zu, und überlassen
uns dem, was Echtes in dieser Ruine noch durchschimmert. Betrachtet
man die Figur lange, so scheinen eine Menge Zusätze abzufallen und
die Phantasie erblickt den König auf dem bekannten leeren grauen Grund.

2. Im Jahre 1882 liess der Herzog von Hamilton, premier peer
von Schotland, seine Galerie unter Messrs. Christie und Manson's Hammer
bringen, und die Nationalgalerie erstritt eine Figur Philipp IV, gegen
den Louvre und einen Amerikaner, für 6000 Guineen. Es war der höchste
Preis den bis dahin ein Velazquez erreicht hatte. Die Signatur trug zur
Erhöhung des Ansehens der Leinwand bei. Sie steht auf der Depesche
in groben Strichen, die Jahreszahl wäre nicht unmöglich: --
Sennor:
Diego Velazqves
Pintor de V. Mgd.
1636

Die so stereotype Figur wirkt hier verschieden von früheren Auf-
nahmen. Die Beine, an die auswärtsgekrümmten des Cavalleristen er-
innernd, geben ihr etwas ungewöhnlich steifes. Eine schlaffe Gestalt, der
auch die Kleider breiter, loser um die Glieder hängen. Die dunkle
Jacke, Beinkleider, Mantelfutter sind mit silbergeblümten Stickereien
übersät, die Aermel des Wams von weisser geschlitzter Seide. Der graue
Hut mit weiss und schwarzen Federn liegt auf dem Tisch. Die Wirkung
ist ganz mit etwas dumpfem Braun und Weiss erreicht; der oberste
Theil der Figur steht vor einem Purpurvorhang.

Die Behandlung ist in hohem Grade flüchtig, jedoch nicht in der
Art des dritten Stils. Nur der Kopf eigentlich ist gemalt, ganz schatten-

1) Hatte Philipp IV einen zahmen Löwen? wie sein Vorfahr Juan II, der
den französischen Gesandten im Jahre 1434 auf dem Thron mit einer solchen
Bestie zu Füssen empfing.

Königliche Bildnisse von Originalität zweiter Ordnung.
Anstand, welch heitere Farbenfülle in dem verschiedenartigen Rot, dem
Purpur des Vorhanges, dem Pfirsichroth der seidenen Schärpe, in dem
Goldglanz des Panzers; welch flotter Pinsel. Aber die Freude ist nicht
von Dauer.

Der Blick fällt auf den erbarmungswürdigen Löwen (Schnock der
Schreiner) unter dem Tisch1), auf dem eine Königskrone nebst Helm
liegt, von etwas theatermässigem Aussehn. Nun bemerkt man auch
das fremdartig Lebhafte in der Farbe. Hat der Maler seine Skizze
also extra für den Geschmack der nordischen Barbaren herrichten
lassen? und hielt man Rubens’schen Farbenlärm (Waagen wurde an
Rubens erinnert) für englisch? Oder ist die Missethat in Britannien voll-
bracht worden? Schliesslich drücken wir ein Auge zu, und überlassen
uns dem, was Echtes in dieser Ruine noch durchschimmert. Betrachtet
man die Figur lange, so scheinen eine Menge Zusätze abzufallen und
die Phantasie erblickt den König auf dem bekannten leeren grauen Grund.

2. Im Jahre 1882 liess der Herzog von Hamilton, premier peer
von Schotland, seine Galerie unter Messrs. Christie und Manson’s Hammer
bringen, und die Nationalgalerie erstritt eine Figur Philipp IV, gegen
den Louvre und einen Amerikaner, für 6000 Guineen. Es war der höchste
Preis den bis dahin ein Velazquez erreicht hatte. Die Signatur trug zur
Erhöhung des Ansehens der Leinwand bei. Sie steht auf der Depesche
in groben Strichen, die Jahreszahl wäre nicht unmöglich: —
Señor:
Diego Velazqves
Pintor de V. Mgd.
1636

Die so stereotype Figur wirkt hier verschieden von früheren Auf-
nahmen. Die Beine, an die auswärtsgekrümmten des Cavalleristen er-
innernd, geben ihr etwas ungewöhnlich steifes. Eine schlaffe Gestalt, der
auch die Kleider breiter, loser um die Glieder hängen. Die dunkle
Jacke, Beinkleider, Mantelfutter sind mit silbergeblümten Stickereien
übersät, die Aermel des Wams von weisser geschlitzter Seide. Der graue
Hut mit weiss und schwarzen Federn liegt auf dem Tisch. Die Wirkung
ist ganz mit etwas dumpfem Braun und Weiss erreicht; der oberste
Theil der Figur steht vor einem Purpurvorhang.

Die Behandlung ist in hohem Grade flüchtig, jedoch nicht in der
Art des dritten Stils. Nur der Kopf eigentlich ist gemalt, ganz schatten-

1) Hatte Philipp IV einen zahmen Löwen? wie sein Vorfahr Juan II, der
den französischen Gesandten im Jahre 1434 auf dem Thron mit einer solchen
Bestie zu Füssen empfing.
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[105/0125] Königliche Bildnisse von Originalität zweiter Ordnung. Anstand, welch heitere Farbenfülle in dem verschiedenartigen Rot, dem Purpur des Vorhanges, dem Pfirsichroth der seidenen Schärpe, in dem Goldglanz des Panzers; welch flotter Pinsel. Aber die Freude ist nicht von Dauer. Der Blick fällt auf den erbarmungswürdigen Löwen (Schnock der Schreiner) unter dem Tisch 1), auf dem eine Königskrone nebst Helm liegt, von etwas theatermässigem Aussehn. Nun bemerkt man auch das fremdartig Lebhafte in der Farbe. Hat der Maler seine Skizze also extra für den Geschmack der nordischen Barbaren herrichten lassen? und hielt man Rubens’schen Farbenlärm (Waagen wurde an Rubens erinnert) für englisch? Oder ist die Missethat in Britannien voll- bracht worden? Schliesslich drücken wir ein Auge zu, und überlassen uns dem, was Echtes in dieser Ruine noch durchschimmert. Betrachtet man die Figur lange, so scheinen eine Menge Zusätze abzufallen und die Phantasie erblickt den König auf dem bekannten leeren grauen Grund. 2. Im Jahre 1882 liess der Herzog von Hamilton, premier peer von Schotland, seine Galerie unter Messrs. Christie und Manson’s Hammer bringen, und die Nationalgalerie erstritt eine Figur Philipp IV, gegen den Louvre und einen Amerikaner, für 6000 Guineen. Es war der höchste Preis den bis dahin ein Velazquez erreicht hatte. Die Signatur trug zur Erhöhung des Ansehens der Leinwand bei. Sie steht auf der Depesche in groben Strichen, die Jahreszahl wäre nicht unmöglich: — Señor: Diego Velazqves Pintor de V. Mgd. 1636 Die so stereotype Figur wirkt hier verschieden von früheren Auf- nahmen. Die Beine, an die auswärtsgekrümmten des Cavalleristen er- innernd, geben ihr etwas ungewöhnlich steifes. Eine schlaffe Gestalt, der auch die Kleider breiter, loser um die Glieder hängen. Die dunkle Jacke, Beinkleider, Mantelfutter sind mit silbergeblümten Stickereien übersät, die Aermel des Wams von weisser geschlitzter Seide. Der graue Hut mit weiss und schwarzen Federn liegt auf dem Tisch. Die Wirkung ist ganz mit etwas dumpfem Braun und Weiss erreicht; der oberste Theil der Figur steht vor einem Purpurvorhang. Die Behandlung ist in hohem Grade flüchtig, jedoch nicht in der Art des dritten Stils. Nur der Kopf eigentlich ist gemalt, ganz schatten- 1) Hatte Philipp IV einen zahmen Löwen? wie sein Vorfahr Juan II, der den französischen Gesandten im Jahre 1434 auf dem Thron mit einer solchen Bestie zu Füssen empfing.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/125>, abgerufen am 19.04.2024.