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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Fünftes Buch.
expediren1). Philipp hatte die Tracht angelegt, in der er sich
seinem Heer als oberster Kriegsherr zu zeigen pflegte.

Der Figur merkt man es an, dass sie fern vom Alcazar ent-
standen ist. Sie ist freier als jene langen, schwarzen Depeschen-
empfänger, welche die Unerbittlichkeit, das Einerlei und die
Langeweile der Etikette symbolisiren. Viel trägt dazu bei die
Farbe: das Bild ist ganz Licht und Heiterkeit. Die Beine schei-
nen im Profil zu stehn, aber Oberkörper und Haupt wenden sich
nach Rechts, den weissen Kommandostab stemmt er gegen die
Hüfte, die Linke hält den Hut, während der Elnbogen sich an
die Degenkoppel lehnt; dieser Arm, der sonst herabhängt, ist
gebogen, so dass die Bewegung beider Arme sonderbarer
Weise parallel ist.

Die Linien des Gesichts des Neununddreissigjährigen sind
kräftiger als bisher, die Farbe frischer. Die von ihm sonst
unzertrennliche golilla, deren Erfindung er einst durch ein Fest
gefeiert, hat dem breiten fallenden Spitzenkragen Platz gemacht.
Die Hände sind weiss, im Einklang mit den weissen Aermeln,
dem hellsten Punkt im Ganzen: wolgepflegte, königliche Hände,
ohne Ringe, und keineswegs "verwaschen", wie man, unbekannt
mit der Art des Malers, die Finger wenig durch Schatten zu
markiren, gemeint hat.

Er trägt eine hellrote reiche Jacke mit hängenden Aer-
meln, deren schmale Oeffnung das Lederkoller sehn lässt. Von
derselben Farbe und ebenfalls mit Silberstickereien bedeckt sind
Bandelier und Beinkleider. Das einzige Gold im Bild ist das
goldene Vliess. Alles übrige ist weiss: der Kragen, die Aer-
mel des Wams im "Perlton", mit den Spitzenmanschetten, der
Spitzenbesatz an den Stiefeln, das silberne Degengefäss. Diess
Weiss auf Rot lässt bekanntlich das letztere heller erscheinen:
"Cameliarot". Nur der Hut ist schwarz, was zum Anzug nicht
stimmt, und wol eine Freiheit des Malers ist, der hier Weiss
auf Weiss vermeiden wollte, und zu dem silberig roten Ganzen
eine dunkle Stelle als zurückschiebenden Kontrast bedurfte. Sonst
zeigt das Roth von Bandelier und Feder auf der rothen ropilla
die Sorglosigkeit des Malers in solchen Dingen.

Dazu kommt nun noch vollausgegossenes Tageslicht, das
sogar einen Schlagschatten des Schnurrbarts auf die Wange
wirft. Das erstaunliche Relief ist erzielt durch die leere, dunkle,

1) Die Aktenstücke sind im Anhang mitgetheilt.

Fünftes Buch.
expediren1). Philipp hatte die Tracht angelegt, in der er sich
seinem Heer als oberster Kriegsherr zu zeigen pflegte.

Der Figur merkt man es an, dass sie fern vom Alcazar ent-
standen ist. Sie ist freier als jene langen, schwarzen Depeschen-
empfänger, welche die Unerbittlichkeit, das Einerlei und die
Langeweile der Etikette symbolisiren. Viel trägt dazu bei die
Farbe: das Bild ist ganz Licht und Heiterkeit. Die Beine schei-
nen im Profil zu stehn, aber Oberkörper und Haupt wenden sich
nach Rechts, den weissen Kommandostab stemmt er gegen die
Hüfte, die Linke hält den Hut, während der Elnbogen sich an
die Degenkoppel lehnt; dieser Arm, der sonst herabhängt, ist
gebogen, so dass die Bewegung beider Arme sonderbarer
Weise parallel ist.

Die Linien des Gesichts des Neununddreissigjährigen sind
kräftiger als bisher, die Farbe frischer. Die von ihm sonst
unzertrennliche golilla, deren Erfindung er einst durch ein Fest
gefeiert, hat dem breiten fallenden Spitzenkragen Platz gemacht.
Die Hände sind weiss, im Einklang mit den weissen Aermeln,
dem hellsten Punkt im Ganzen: wolgepflegte, königliche Hände,
ohne Ringe, und keineswegs „verwaschen“, wie man, unbekannt
mit der Art des Malers, die Finger wenig durch Schatten zu
markiren, gemeint hat.

Er trägt eine hellrote reiche Jacke mit hängenden Aer-
meln, deren schmale Oeffnung das Lederkoller sehn lässt. Von
derselben Farbe und ebenfalls mit Silberstickereien bedeckt sind
Bandelier und Beinkleider. Das einzige Gold im Bild ist das
goldene Vliess. Alles übrige ist weiss: der Kragen, die Aer-
mel des Wams im „Perlton“, mit den Spitzenmanschetten, der
Spitzenbesatz an den Stiefeln, das silberne Degengefäss. Diess
Weiss auf Rot lässt bekanntlich das letztere heller erscheinen:
„Cameliarot“. Nur der Hut ist schwarz, was zum Anzug nicht
stimmt, und wol eine Freiheit des Malers ist, der hier Weiss
auf Weiss vermeiden wollte, und zu dem silberig roten Ganzen
eine dunkle Stelle als zurückschiebenden Kontrast bedurfte. Sonst
zeigt das Roth von Bandelier und Feder auf der rothen ropilla
die Sorglosigkeit des Malers in solchen Dingen.

Dazu kommt nun noch vollausgegossenes Tageslicht, das
sogar einen Schlagschatten des Schnurrbarts auf die Wange
wirft. Das erstaunliche Relief ist erzielt durch die leere, dunkle,

1) Die Aktenstücke sind im Anhang mitgetheilt.
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[102/0122] Fünftes Buch. expediren 1). Philipp hatte die Tracht angelegt, in der er sich seinem Heer als oberster Kriegsherr zu zeigen pflegte. Der Figur merkt man es an, dass sie fern vom Alcazar ent- standen ist. Sie ist freier als jene langen, schwarzen Depeschen- empfänger, welche die Unerbittlichkeit, das Einerlei und die Langeweile der Etikette symbolisiren. Viel trägt dazu bei die Farbe: das Bild ist ganz Licht und Heiterkeit. Die Beine schei- nen im Profil zu stehn, aber Oberkörper und Haupt wenden sich nach Rechts, den weissen Kommandostab stemmt er gegen die Hüfte, die Linke hält den Hut, während der Elnbogen sich an die Degenkoppel lehnt; dieser Arm, der sonst herabhängt, ist gebogen, so dass die Bewegung beider Arme sonderbarer Weise parallel ist. Die Linien des Gesichts des Neununddreissigjährigen sind kräftiger als bisher, die Farbe frischer. Die von ihm sonst unzertrennliche golilla, deren Erfindung er einst durch ein Fest gefeiert, hat dem breiten fallenden Spitzenkragen Platz gemacht. Die Hände sind weiss, im Einklang mit den weissen Aermeln, dem hellsten Punkt im Ganzen: wolgepflegte, königliche Hände, ohne Ringe, und keineswegs „verwaschen“, wie man, unbekannt mit der Art des Malers, die Finger wenig durch Schatten zu markiren, gemeint hat. Er trägt eine hellrote reiche Jacke mit hängenden Aer- meln, deren schmale Oeffnung das Lederkoller sehn lässt. Von derselben Farbe und ebenfalls mit Silberstickereien bedeckt sind Bandelier und Beinkleider. Das einzige Gold im Bild ist das goldene Vliess. Alles übrige ist weiss: der Kragen, die Aer- mel des Wams im „Perlton“, mit den Spitzenmanschetten, der Spitzenbesatz an den Stiefeln, das silberne Degengefäss. Diess Weiss auf Rot lässt bekanntlich das letztere heller erscheinen: „Cameliarot“. Nur der Hut ist schwarz, was zum Anzug nicht stimmt, und wol eine Freiheit des Malers ist, der hier Weiss auf Weiss vermeiden wollte, und zu dem silberig roten Ganzen eine dunkle Stelle als zurückschiebenden Kontrast bedurfte. Sonst zeigt das Roth von Bandelier und Feder auf der rothen ropilla die Sorglosigkeit des Malers in solchen Dingen. Dazu kommt nun noch vollausgegossenes Tageslicht, das sogar einen Schlagschatten des Schnurrbarts auf die Wange wirft. Das erstaunliche Relief ist erzielt durch die leere, dunkle, 1) Die Aktenstücke sind im Anhang mitgetheilt.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/122>, abgerufen am 23.04.2024.