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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Fünftes Buch.
steht. Crayer war auch wol zu stolz, um banale Rubens'sche
Decorationsfiguren zu kopiren1). Endlich, das kurz vorher von
ihm gemalte grosse Reiterbildniss des Infanten im Louvre weicht
durchaus ab von dem Bild der Uffizien, in Form wie Farbe.
Nach der Uebereinstimmung des letztern mit der Beschreibung
des von Rubens im Jahre 1628 zu Madrid gemalten, jetzt ver-
lornen Bildes im Palast-Inventar von 1636 scheint es eine spätere
dort angefertigte Kopie von diesem zu sein, nur dass der gealterte
Kopf des Königs, wahrscheinlich nach dem Leben, neugemalt
wurde. Der Stil ist der der Schule von Madrid, in der übrigens
Rubens viel studirt und kopirt wurde; am nächsten scheint es
Carrenno zu stehn; Kopf und Figur des Reiters aber dürften dem
Meister selbst nicht fremd sein. Wie das räthselhafte Werk
nach Florenz kam, ist nicht bekannt, es befand sich schon im
siebzehnten Jahrhundert als Werk des Diego Velasco im Pitti.

Von dem Porträt Crayers findet sich in den Inventaren der
königlichen Schlösser keine Spur. Gleichwol ist es noch vor-
handen: es wurde wenige Jahre nach seiner Entstehung zum Ge-
schenk für einen fremden Hof bestimmt und befindet sich in der
Gallerie zu Stockholm (Nr. 762, 1,95 x 1,67). Der spanische Ge-
sandte Antonio Pimentel, der einen so hervorragenden Antheil
an der Konversion der Königin Christine gehabt hat, überbrachte
es im Jahre 1652 dieser Fürstin als Geschenk seines Monarchen.
Es befand sich früher in der grossen historischen Porträtgalerie
des Schlosses Gripsholm; der aufgeklebte Zettel stammt noch
daher2).

Es ist fein und sorgfältig gemalt und trägt ganz die Hand-
schrift Crayers. Dort gilt es für Velazquez oder dessen Schule3);
wer aber das Louvrebild im Gedächtniss hat, erkennt auf den
ersten Blick denselben Meister. Der bizarre Bau des Schimmels

1) Cray era poco amigo de Rubens, y assi no le encarge ninguna de las
pinturas que se embiaron para la Torre de la Parada (die Rubens entwarf). Schrei-
ben des Infanten an Philipp IV vom 10. Juni 1640.
2) Philip IV Kong i Span. maladt af Velasques genom den Sp: minist: Pi-
menteli gifrit till Drott. Christina.
3) So sagt der schwedische Katalog. Der Graf Cl. de Ris meint zwar: Il est
certain que, faute de pouvoir l'etudier de pres, tout expert attribuera ce portrait au
grand maeitre de Seville. C'est sa couleur, c'est son type bien connus. Gazette
des B.-A. 1874 II, 221. Diesem Experten würde ich mehr verkaufsbedürftigen als
kauflustigen Liebhabern rathen sich anzuvertrauen. Abgesehen von der dem Velaz-
quez ganz fremdartigen vlämischen Malweise, ist die Auffassung des Königs von
der seinigen so abweichend, dass man ihm für eine andere Person halten könnte.

Fünftes Buch.
steht. Crayer war auch wol zu stolz, um banale Rubens’sche
Decorationsfiguren zu kopiren1). Endlich, das kurz vorher von
ihm gemalte grosse Reiterbildniss des Infanten im Louvre weicht
durchaus ab von dem Bild der Uffizien, in Form wie Farbe.
Nach der Uebereinstimmung des letztern mit der Beschreibung
des von Rubens im Jahre 1628 zu Madrid gemalten, jetzt ver-
lornen Bildes im Palast-Inventar von 1636 scheint es eine spätere
dort angefertigte Kopie von diesem zu sein, nur dass der gealterte
Kopf des Königs, wahrscheinlich nach dem Leben, neugemalt
wurde. Der Stil ist der der Schule von Madrid, in der übrigens
Rubens viel studirt und kopirt wurde; am nächsten scheint es
Carreño zu stehn; Kopf und Figur des Reiters aber dürften dem
Meister selbst nicht fremd sein. Wie das räthselhafte Werk
nach Florenz kam, ist nicht bekannt, es befand sich schon im
siebzehnten Jahrhundert als Werk des Diego Velasco im Pitti.

Von dem Porträt Crayers findet sich in den Inventaren der
königlichen Schlösser keine Spur. Gleichwol ist es noch vor-
handen: es wurde wenige Jahre nach seiner Entstehung zum Ge-
schenk für einen fremden Hof bestimmt und befindet sich in der
Gallerie zu Stockholm (Nr. 762, 1,95 × 1,67). Der spanische Ge-
sandte Antonio Pimentel, der einen so hervorragenden Antheil
an der Konversion der Königin Christine gehabt hat, überbrachte
es im Jahre 1652 dieser Fürstin als Geschenk seines Monarchen.
Es befand sich früher in der grossen historischen Porträtgalerie
des Schlosses Gripsholm; der aufgeklebte Zettel stammt noch
daher2).

Es ist fein und sorgfältig gemalt und trägt ganz die Hand-
schrift Crayers. Dort gilt es für Velazquez oder dessen Schule3);
wer aber das Louvrebild im Gedächtniss hat, erkennt auf den
ersten Blick denselben Meister. Der bizarre Bau des Schimmels

1) Cray era poco amigo de Rubens, y assi no le encargé ninguna de las
pinturas que se embiaron para la Torre de la Parada (die Rubens entwarf). Schrei-
ben des Infanten an Philipp IV vom 10. Juni 1640.
2) Philip IV Kong i Span. måladt af Velasques genom den Sp: minist: Pi-
menteli gifrit till Drott. Christina.
3) So sagt der schwedische Katalog. Der Graf Cl. de Ris meint zwar: Il est
certain que, faute de pouvoir l’étudier de près, tout expert attribuera ce portrait au
grand maître de Seville. C’est sa couleur, c’est son type bien connus. Gazette
des B.-A. 1874 II, 221. Diesem Experten würde ich mehr verkaufsbedürftigen als
kauflustigen Liebhabern rathen sich anzuvertrauen. Abgesehen von der dem Velaz-
quez ganz fremdartigen vlämischen Malweise, ist die Auffassung des Königs von
der seinigen so abweichend, dass man ihm für eine andere Person halten könnte.
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[98/0118] Fünftes Buch. steht. Crayer war auch wol zu stolz, um banale Rubens’sche Decorationsfiguren zu kopiren 1). Endlich, das kurz vorher von ihm gemalte grosse Reiterbildniss des Infanten im Louvre weicht durchaus ab von dem Bild der Uffizien, in Form wie Farbe. Nach der Uebereinstimmung des letztern mit der Beschreibung des von Rubens im Jahre 1628 zu Madrid gemalten, jetzt ver- lornen Bildes im Palast-Inventar von 1636 scheint es eine spätere dort angefertigte Kopie von diesem zu sein, nur dass der gealterte Kopf des Königs, wahrscheinlich nach dem Leben, neugemalt wurde. Der Stil ist der der Schule von Madrid, in der übrigens Rubens viel studirt und kopirt wurde; am nächsten scheint es Carreño zu stehn; Kopf und Figur des Reiters aber dürften dem Meister selbst nicht fremd sein. Wie das räthselhafte Werk nach Florenz kam, ist nicht bekannt, es befand sich schon im siebzehnten Jahrhundert als Werk des Diego Velasco im Pitti. Von dem Porträt Crayers findet sich in den Inventaren der königlichen Schlösser keine Spur. Gleichwol ist es noch vor- handen: es wurde wenige Jahre nach seiner Entstehung zum Ge- schenk für einen fremden Hof bestimmt und befindet sich in der Gallerie zu Stockholm (Nr. 762, 1,95 × 1,67). Der spanische Ge- sandte Antonio Pimentel, der einen so hervorragenden Antheil an der Konversion der Königin Christine gehabt hat, überbrachte es im Jahre 1652 dieser Fürstin als Geschenk seines Monarchen. Es befand sich früher in der grossen historischen Porträtgalerie des Schlosses Gripsholm; der aufgeklebte Zettel stammt noch daher 2). Es ist fein und sorgfältig gemalt und trägt ganz die Hand- schrift Crayers. Dort gilt es für Velazquez oder dessen Schule 3); wer aber das Louvrebild im Gedächtniss hat, erkennt auf den ersten Blick denselben Meister. Der bizarre Bau des Schimmels 1) Cray era poco amigo de Rubens, y assi no le encargé ninguna de las pinturas que se embiaron para la Torre de la Parada (die Rubens entwarf). Schrei- ben des Infanten an Philipp IV vom 10. Juni 1640. 2) Philip IV Kong i Span. måladt af Velasques genom den Sp: minist: Pi- menteli gifrit till Drott. Christina. 3) So sagt der schwedische Katalog. Der Graf Cl. de Ris meint zwar: Il est certain que, faute de pouvoir l’étudier de près, tout expert attribuera ce portrait au grand maître de Seville. C’est sa couleur, c’est son type bien connus. Gazette des B.-A. 1874 II, 221. Diesem Experten würde ich mehr verkaufsbedürftigen als kauflustigen Liebhabern rathen sich anzuvertrauen. Abgesehen von der dem Velaz- quez ganz fremdartigen vlämischen Malweise, ist die Auffassung des Königs von der seinigen so abweichend, dass man ihm für eine andere Person halten könnte.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/118>, abgerufen am 18.04.2024.