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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Fünftes Buch.
schon dagewesen wäre. Er galt beim Volke fast als Wahr-
zeichen des nationalen Königs1).

Das Gemälde stimmt auch soviel man verlangen kann mit
der Statue Tacca's, an der übrigens das Gesicht von dessen
Sohne in Madrid (1642) noch überarbeitet worden ist. Das
jugendlich-ritterliche Ansehn und Gebahren, die mit Gold damas-
cirte Rüstung, die flatternde Schärpe, die goldgestickten Beinklei-
der und Sattel, die lange Mähne des Pferdes. Nur der Hut fehlt.
Die Gangart des Pferdes ist in der Statue aus schwerverständ-
lichen Gründen verändert worden; während in dem Gemälde der
Schwerpunkt auf dem Hintertheil liegt, ist er von da weg nach
vorn geschoben, auch ist die Vorderhand mehr angezogen; doch
nicht so stark, auch steigt das Thier nicht so steil, wie es bei
der zu hohen Aufstellung der Statue erscheint. Endlich ist das
Pferd leichter und schlanker. --

Hiermit wird die gewöhnliche Annahme von vier Reiter-
bildnissen, die Velazquez von Philipp IV gemalt haben soll, hin-
fällig. Das Reiterbild von Fraga-Lerida hat nie existirt. Das
von Palomino (S. 334) erwähnte, auf welches er expinxit setzte,
war wahrscheinlich das alte von 1623.

Nach dieser etwas umständlichen Klärung der Zeitverhält-
nisse noch ein Blick auf das Bild selbst.

Wahrscheinlich um dem Bildhauer ein deutliches Muster
zu geben, ist die reine Seiten- oder Profilansicht gewählt. Das
Pferd, ein schwerer gestiefelter Rothfuchs mit durchgehender
Blässe und funkelnden Augen, hält sich, wie öfters, in korrekter
Pesade2). Die Erscheinung des Reiters ist beinahe hinreissend;
eleganter Spaltsitz, soldatisch-königlicher Anstand. Die Haltung
des Haupts, der aufgeregte Blick in die Ferne, der ausgestreckte
Arm mit dem Kommandostab -- er könnte wol einen Reiterführer
in Aktion vorstellen. Das Gesicht ist auffallend lebendiger als
sonst. Mit den Schatten der düstern Gemächer des alten
Schlosses ist auch die Steifheit überlieferter Posituren und die
versteinerte Langweiligkeit der Züge verschwunden. Die häss-

1) ll desiderio di avere un re nato in Spagna e come si dice di convessi
mustacchi. Basadonna, Relazione di 1653.
2) "Diese erhabene Schule besteht in einer hohen Erhebung des Vorder-
theils ... mit eingezogenen Gliedmaassen, wobei das Hintertheil in seinen stark und
wol gebogenen Gelenken auf einer Stelle einige Augenblicke, wie eine Statue be-
wegungslos, die ganze Schwere des Körpers allein zu tragen hat." Heinze, Pferd
und Reiter. Leipzig 1877. S. 526.

Fünftes Buch.
schon dagewesen wäre. Er galt beim Volke fast als Wahr-
zeichen des nationalen Königs1).

Das Gemälde stimmt auch soviel man verlangen kann mit
der Statue Tacca’s, an der übrigens das Gesicht von dessen
Sohne in Madrid (1642) noch überarbeitet worden ist. Das
jugendlich-ritterliche Ansehn und Gebahren, die mit Gold damas-
cirte Rüstung, die flatternde Schärpe, die goldgestickten Beinklei-
der und Sattel, die lange Mähne des Pferdes. Nur der Hut fehlt.
Die Gangart des Pferdes ist in der Statue aus schwerverständ-
lichen Gründen verändert worden; während in dem Gemälde der
Schwerpunkt auf dem Hintertheil liegt, ist er von da weg nach
vorn geschoben, auch ist die Vorderhand mehr angezogen; doch
nicht so stark, auch steigt das Thier nicht so steil, wie es bei
der zu hohen Aufstellung der Statue erscheint. Endlich ist das
Pferd leichter und schlanker. —

Hiermit wird die gewöhnliche Annahme von vier Reiter-
bildnissen, die Velazquez von Philipp IV gemalt haben soll, hin-
fällig. Das Reiterbild von Fraga-Lerida hat nie existirt. Das
von Palomino (S. 334) erwähnte, auf welches er expinxit setzte,
war wahrscheinlich das alte von 1623.

Nach dieser etwas umständlichen Klärung der Zeitverhält-
nisse noch ein Blick auf das Bild selbst.

Wahrscheinlich um dem Bildhauer ein deutliches Muster
zu geben, ist die reine Seiten- oder Profilansicht gewählt. Das
Pferd, ein schwerer gestiefelter Rothfuchs mit durchgehender
Blässe und funkelnden Augen, hält sich, wie öfters, in korrekter
Pesade2). Die Erscheinung des Reiters ist beinahe hinreissend;
eleganter Spaltsitz, soldatisch-königlicher Anstand. Die Haltung
des Haupts, der aufgeregte Blick in die Ferne, der ausgestreckte
Arm mit dem Kommandostab — er könnte wol einen Reiterführer
in Aktion vorstellen. Das Gesicht ist auffallend lebendiger als
sonst. Mit den Schatten der düstern Gemächer des alten
Schlosses ist auch die Steifheit überlieferter Posituren und die
versteinerte Langweiligkeit der Züge verschwunden. Die häss-

1) ll desiderio di avere un rè nato in Spagna e come si dice di convessi
mustacchi. Basadonna, Relazione di 1653.
2) „Diese erhabene Schule besteht in einer hohen Erhebung des Vorder-
theils … mit eingezogenen Gliedmaassen, wobei das Hintertheil in seinen stark und
wol gebogenen Gelenken auf einer Stelle einige Augenblicke, wie eine Statue be-
wegungslos, die ganze Schwere des Körpers allein zu tragen hat.“ Heinze, Pferd
und Reiter. Leipzig 1877. S. 526.
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[94/0114] Fünftes Buch. schon dagewesen wäre. Er galt beim Volke fast als Wahr- zeichen des nationalen Königs 1). Das Gemälde stimmt auch soviel man verlangen kann mit der Statue Tacca’s, an der übrigens das Gesicht von dessen Sohne in Madrid (1642) noch überarbeitet worden ist. Das jugendlich-ritterliche Ansehn und Gebahren, die mit Gold damas- cirte Rüstung, die flatternde Schärpe, die goldgestickten Beinklei- der und Sattel, die lange Mähne des Pferdes. Nur der Hut fehlt. Die Gangart des Pferdes ist in der Statue aus schwerverständ- lichen Gründen verändert worden; während in dem Gemälde der Schwerpunkt auf dem Hintertheil liegt, ist er von da weg nach vorn geschoben, auch ist die Vorderhand mehr angezogen; doch nicht so stark, auch steigt das Thier nicht so steil, wie es bei der zu hohen Aufstellung der Statue erscheint. Endlich ist das Pferd leichter und schlanker. — Hiermit wird die gewöhnliche Annahme von vier Reiter- bildnissen, die Velazquez von Philipp IV gemalt haben soll, hin- fällig. Das Reiterbild von Fraga-Lerida hat nie existirt. Das von Palomino (S. 334) erwähnte, auf welches er expinxit setzte, war wahrscheinlich das alte von 1623. Nach dieser etwas umständlichen Klärung der Zeitverhält- nisse noch ein Blick auf das Bild selbst. Wahrscheinlich um dem Bildhauer ein deutliches Muster zu geben, ist die reine Seiten- oder Profilansicht gewählt. Das Pferd, ein schwerer gestiefelter Rothfuchs mit durchgehender Blässe und funkelnden Augen, hält sich, wie öfters, in korrekter Pesade 2). Die Erscheinung des Reiters ist beinahe hinreissend; eleganter Spaltsitz, soldatisch-königlicher Anstand. Die Haltung des Haupts, der aufgeregte Blick in die Ferne, der ausgestreckte Arm mit dem Kommandostab — er könnte wol einen Reiterführer in Aktion vorstellen. Das Gesicht ist auffallend lebendiger als sonst. Mit den Schatten der düstern Gemächer des alten Schlosses ist auch die Steifheit überlieferter Posituren und die versteinerte Langweiligkeit der Züge verschwunden. Die häss- 1) ll desiderio di avere un rè nato in Spagna e come si dice di convessi mustacchi. Basadonna, Relazione di 1653. 2) „Diese erhabene Schule besteht in einer hohen Erhebung des Vorder- theils … mit eingezogenen Gliedmaassen, wobei das Hintertheil in seinen stark und wol gebogenen Gelenken auf einer Stelle einige Augenblicke, wie eine Statue be- wegungslos, die ganze Schwere des Körpers allein zu tragen hat.“ Heinze, Pferd und Reiter. Leipzig 1877. S. 526.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/114>, abgerufen am 16.04.2024.