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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Fünftes Buch.
sich im Hause des jetzigen Earl of Stanhope zu London (Curtis 204).
Es ist ein Kopf von starkem gedrungenem Bau, die dichten Brauen
beschatten kleine Augen, der Ausdruck ist phlegmatischer Stolz. Die
quer über die Stirn gestrichenen, seitlich gescheitelten, sehr langen Haare
weisen auf die Mitte des Jahrhunderts. Die Haltung ist zu dunkel für
den Meister1).

Das Brustbild eines jungen Mannes von bräunlicher Gesichtsfarbe
und stark sinnlichen Zügen in der Pradogalerie (1104) ist zu hart und
roh für Velazquez, aber wol in seiner Umgebung im zweiten Viertel des
Jahrhunderts entstanden.

Ein anderes, der ernste gelbe Mann in der Halskrause (1103), scheint
mir dagegen mit Unrecht bezweifelt zu werden; es hat wenig von Zur-
baran, an den man gedacht hat, stimmt dagegen mit der in Sevilla ge-
malten Epiphanie (I, 147).

II. Von Bildnissen der gleichzeitigen Madrider Schule verdient
einen hervorragenden Platz das im Jahre 1849 für den Louvre (556)
angekaufte des D. Pedro Moscoso de Altamira. Nur durch die ent-
deckte Aufschrift ist es neuerdings als Werk des Angelo Nardi (I, 219)
erkannt worden, von dem sonst keine Bildnisse bekannt sind, könnte
also auch zur italienischen Schule gezählt werden. Eine sehr charak-
teristische Figur, Blick und Gebahren des vornehmen Priesters.

Eine fesselnde Gestalt ist der "Alcalde in Schwarz", in der Samm-
lung von Sir John Neeld Bart., in Grittleton. Es ist ein Cavalier vom
Hofe Philipp IV, in der Art der früheren königlichen Bildnisse. Edle
Formen: schmale Stirn, lange Adlernase, feiner Mund, bigote und Knebel-
bart; ernst melancholischer Blick. Beide Hände gekreuzt, die Rechte
mit Depesche, die Linke mit Hut, steht er da wie der Ueberbringer
einer wichtigen Nachricht, in Erwartung vorgelassen zu werden. Der
Strich, der glühende Ton, die gelblichen Lichter, das Roth der Lippen
u. a. machen einen fremdartigen Eindruck.

Das Bildniss eines jungen Mannes mit langem schwarzen Haar und
golilla in Burleigh House ist eine kräftige aber rohe Arbeit. Noch
weniger kann das Bildniss eines Knaben mit grossem Hut daselbst in
Frage kommen.

Das Bildniss eines Ritters des portugiesischen (?) Santiagoordens
in Festanzug, aus der Suermondtgalerie nach Berlin gekommen (408 c),
ist von einem guten Meister kräftig und bestimmt gemalt. W. Burger
wollte es nach der Jahreszahl 1630 in die erste italienische Reise setzen.

1) Das gelobte Bildniss eines Edelmanns, welches Rev. J. S. Ogle in Kirkley
Hall im Jahre 1876 in der Akademie ausstellte, habe ich nicht gesehn.

Fünftes Buch.
sich im Hause des jetzigen Earl of Stanhope zu London (Curtis 204).
Es ist ein Kopf von starkem gedrungenem Bau, die dichten Brauen
beschatten kleine Augen, der Ausdruck ist phlegmatischer Stolz. Die
quer über die Stirn gestrichenen, seitlich gescheitelten, sehr langen Haare
weisen auf die Mitte des Jahrhunderts. Die Haltung ist zu dunkel für
den Meister1).

Das Brustbild eines jungen Mannes von bräunlicher Gesichtsfarbe
und stark sinnlichen Zügen in der Pradogalerie (1104) ist zu hart und
roh für Velazquez, aber wol in seiner Umgebung im zweiten Viertel des
Jahrhunderts entstanden.

Ein anderes, der ernste gelbe Mann in der Halskrause (1103), scheint
mir dagegen mit Unrecht bezweifelt zu werden; es hat wenig von Zur-
baran, an den man gedacht hat, stimmt dagegen mit der in Sevilla ge-
malten Epiphanie (I, 147).

II. Von Bildnissen der gleichzeitigen Madrider Schule verdient
einen hervorragenden Platz das im Jahre 1849 für den Louvre (556)
angekaufte des D. Pedro Moscoso de Altamira. Nur durch die ent-
deckte Aufschrift ist es neuerdings als Werk des Angelo Nardi (I, 219)
erkannt worden, von dem sonst keine Bildnisse bekannt sind, könnte
also auch zur italienischen Schule gezählt werden. Eine sehr charak-
teristische Figur, Blick und Gebahren des vornehmen Priesters.

Eine fesselnde Gestalt ist der „Alcalde in Schwarz“, in der Samm-
lung von Sir John Neeld Bart., in Grittleton. Es ist ein Cavalier vom
Hofe Philipp IV, in der Art der früheren königlichen Bildnisse. Edle
Formen: schmale Stirn, lange Adlernase, feiner Mund, bigote und Knebel-
bart; ernst melancholischer Blick. Beide Hände gekreuzt, die Rechte
mit Depesche, die Linke mit Hut, steht er da wie der Ueberbringer
einer wichtigen Nachricht, in Erwartung vorgelassen zu werden. Der
Strich, der glühende Ton, die gelblichen Lichter, das Roth der Lippen
u. a. machen einen fremdartigen Eindruck.

Das Bildniss eines jungen Mannes mit langem schwarzen Haar und
golilla in Burleigh House ist eine kräftige aber rohe Arbeit. Noch
weniger kann das Bildniss eines Knaben mit grossem Hut daselbst in
Frage kommen.

Das Bildniss eines Ritters des portugiesischen (?) Santiagoordens
in Festanzug, aus der Suermondtgalerie nach Berlin gekommen (408 c),
ist von einem guten Meister kräftig und bestimmt gemalt. W. Burger
wollte es nach der Jahreszahl 1630 in die erste italienische Reise setzen.

1) Das gelobte Bildniss eines Edelmanns, welches Rev. J. S. Ogle in Kirkley
Hall im Jahre 1876 in der Akademie ausstellte, habe ich nicht gesehn.
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[82/0102] Fünftes Buch. sich im Hause des jetzigen Earl of Stanhope zu London (Curtis 204). Es ist ein Kopf von starkem gedrungenem Bau, die dichten Brauen beschatten kleine Augen, der Ausdruck ist phlegmatischer Stolz. Die quer über die Stirn gestrichenen, seitlich gescheitelten, sehr langen Haare weisen auf die Mitte des Jahrhunderts. Die Haltung ist zu dunkel für den Meister 1). Das Brustbild eines jungen Mannes von bräunlicher Gesichtsfarbe und stark sinnlichen Zügen in der Pradogalerie (1104) ist zu hart und roh für Velazquez, aber wol in seiner Umgebung im zweiten Viertel des Jahrhunderts entstanden. Ein anderes, der ernste gelbe Mann in der Halskrause (1103), scheint mir dagegen mit Unrecht bezweifelt zu werden; es hat wenig von Zur- baran, an den man gedacht hat, stimmt dagegen mit der in Sevilla ge- malten Epiphanie (I, 147). II. Von Bildnissen der gleichzeitigen Madrider Schule verdient einen hervorragenden Platz das im Jahre 1849 für den Louvre (556) angekaufte des D. Pedro Moscoso de Altamira. Nur durch die ent- deckte Aufschrift ist es neuerdings als Werk des Angelo Nardi (I, 219) erkannt worden, von dem sonst keine Bildnisse bekannt sind, könnte also auch zur italienischen Schule gezählt werden. Eine sehr charak- teristische Figur, Blick und Gebahren des vornehmen Priesters. Eine fesselnde Gestalt ist der „Alcalde in Schwarz“, in der Samm- lung von Sir John Neeld Bart., in Grittleton. Es ist ein Cavalier vom Hofe Philipp IV, in der Art der früheren königlichen Bildnisse. Edle Formen: schmale Stirn, lange Adlernase, feiner Mund, bigote und Knebel- bart; ernst melancholischer Blick. Beide Hände gekreuzt, die Rechte mit Depesche, die Linke mit Hut, steht er da wie der Ueberbringer einer wichtigen Nachricht, in Erwartung vorgelassen zu werden. Der Strich, der glühende Ton, die gelblichen Lichter, das Roth der Lippen u. a. machen einen fremdartigen Eindruck. Das Bildniss eines jungen Mannes mit langem schwarzen Haar und golilla in Burleigh House ist eine kräftige aber rohe Arbeit. Noch weniger kann das Bildniss eines Knaben mit grossem Hut daselbst in Frage kommen. Das Bildniss eines Ritters des portugiesischen (?) Santiagoordens in Festanzug, aus der Suermondtgalerie nach Berlin gekommen (408 c), ist von einem guten Meister kräftig und bestimmt gemalt. W. Burger wollte es nach der Jahreszahl 1630 in die erste italienische Reise setzen. 1) Das gelobte Bildniss eines Edelmanns, welches Rev. J. S. Ogle in Kirkley Hall im Jahre 1876 in der Akademie ausstellte, habe ich nicht gesehn.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/102>, abgerufen am 29.03.2024.