Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

Einleitung.
so kann sie durch die letztere Bearbeitung nicht gehin-
tert werden. Heut zu Tage sind auch einsichtige Geist-
liche von allen drey Hauptreligionen nicht mehr wie zu
den Zeiten unsrer Väter mit so weniger Vernunft ei-
frig, daß sie deshalb jemanden verketzern sollten. Noch
einmal, es sind weiter nichts als Hypothesen, die ein
vernünftiger Weltweise, welcher die Gränzen des
menschlichen Verstandes mehr als andre Menschen ken-
nen soll, nicht vor untrügliche Wahrheiten und Ge-
wißheiten angeben wird; ob gleich zuweilen Newton,
Leibnitz, Wolf,
und andre Weltweisen, in ihren Hy-
pothesen von der Natur und Wesen des Weltgebäudes
öfters in solchen Ausdrücken reden, als wenn sie von
der Wahrheit und Gewißheit ihrer Sätze auf das voll-
kommenste überzeuget wären. Sie setzen dabey alle-
mal voraus, daß es eine Hypothese ist, welche sie vor-
tragen, und nach dieser Voraussetzung können sie frey-
lich von ihren besondern Sätzen als wahr und richtig
reden, weil sie solche aus den Reguln der Vernunft und
der Erkenntniß annehmen und beweisen müssen. Jch
werde demnach mich gleichfalls nicht abhalten lassen,
in dieser Einleitung zu der Geschichte des Weltkörpers
eine Hypothese von der Natur und Wesen des Welt-
gebäudes vorauszusetzen, die mit meiner vorhabenden
Geschichte in so naher Verwantschaft stehet; indessen
wird man sehen, daß meine Hypothese mehr mit der
Offenbarung übereinstimmet, als vielleicht viele andre
Lehrgebäude von der Natur und Wesen des Weltgebäu-
des und der Schöpfung.

So sehr anfangs der menschliche Verstand über
die Unermeßlichkeit des Weltgebäudes erstaunet; so

darf
A 3

Einleitung.
ſo kann ſie durch die letztere Bearbeitung nicht gehin-
tert werden. Heut zu Tage ſind auch einſichtige Geiſt-
liche von allen drey Hauptreligionen nicht mehr wie zu
den Zeiten unſrer Vaͤter mit ſo weniger Vernunft ei-
frig, daß ſie deshalb jemanden verketzern ſollten. Noch
einmal, es ſind weiter nichts als Hypotheſen, die ein
vernuͤnftiger Weltweiſe, welcher die Graͤnzen des
menſchlichen Verſtandes mehr als andre Menſchen ken-
nen ſoll, nicht vor untruͤgliche Wahrheiten und Ge-
wißheiten angeben wird; ob gleich zuweilen Newton,
Leibnitz, Wolf,
und andre Weltweiſen, in ihren Hy-
potheſen von der Natur und Weſen des Weltgebaͤudes
oͤfters in ſolchen Ausdruͤcken reden, als wenn ſie von
der Wahrheit und Gewißheit ihrer Saͤtze auf das voll-
kommenſte uͤberzeuget waͤren. Sie ſetzen dabey alle-
mal voraus, daß es eine Hypotheſe iſt, welche ſie vor-
tragen, und nach dieſer Vorausſetzung koͤnnen ſie frey-
lich von ihren beſondern Saͤtzen als wahr und richtig
reden, weil ſie ſolche aus den Reguln der Vernunft und
der Erkenntniß annehmen und beweiſen muͤſſen. Jch
werde demnach mich gleichfalls nicht abhalten laſſen,
in dieſer Einleitung zu der Geſchichte des Weltkoͤrpers
eine Hypotheſe von der Natur und Weſen des Welt-
gebaͤudes vorauszuſetzen, die mit meiner vorhabenden
Geſchichte in ſo naher Verwantſchaft ſtehet; indeſſen
wird man ſehen, daß meine Hypotheſe mehr mit der
Offenbarung uͤbereinſtimmet, als vielleicht viele andre
Lehrgebaͤude von der Natur und Weſen des Weltgebaͤu-
des und der Schoͤpfung.

So ſehr anfangs der menſchliche Verſtand uͤber
die Unermeßlichkeit des Weltgebaͤudes erſtaunet; ſo

darf
A 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0033" n="5"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Einleitung.</hi></fw><lb/>
&#x017F;o kann &#x017F;ie durch die letztere Bearbeitung nicht gehin-<lb/>
tert werden. Heut zu Tage &#x017F;ind auch ein&#x017F;ichtige Gei&#x017F;t-<lb/>
liche von allen drey Hauptreligionen nicht mehr wie zu<lb/>
den Zeiten un&#x017F;rer Va&#x0364;ter mit &#x017F;o weniger Vernunft ei-<lb/>
frig, daß &#x017F;ie deshalb jemanden verketzern &#x017F;ollten. Noch<lb/>
einmal, es &#x017F;ind weiter nichts als Hypothe&#x017F;en, die ein<lb/>
vernu&#x0364;nftiger Weltwei&#x017F;e, welcher die Gra&#x0364;nzen des<lb/>
men&#x017F;chlichen Ver&#x017F;tandes mehr als andre Men&#x017F;chen ken-<lb/>
nen &#x017F;oll, nicht vor untru&#x0364;gliche Wahrheiten und Ge-<lb/>
wißheiten angeben wird; ob gleich zuweilen <hi rendition="#fr">Newton,<lb/>
Leibnitz, Wolf,</hi> und andre Weltwei&#x017F;en, in ihren Hy-<lb/>
pothe&#x017F;en von der Natur und We&#x017F;en des Weltgeba&#x0364;udes<lb/>
o&#x0364;fters in &#x017F;olchen Ausdru&#x0364;cken reden, als wenn &#x017F;ie von<lb/>
der Wahrheit und Gewißheit ihrer Sa&#x0364;tze auf das voll-<lb/>
kommen&#x017F;te u&#x0364;berzeuget wa&#x0364;ren. Sie &#x017F;etzen dabey alle-<lb/>
mal voraus, daß es eine Hypothe&#x017F;e i&#x017F;t, welche &#x017F;ie vor-<lb/>
tragen, und nach die&#x017F;er Voraus&#x017F;etzung ko&#x0364;nnen &#x017F;ie frey-<lb/>
lich von ihren be&#x017F;ondern Sa&#x0364;tzen als wahr und richtig<lb/>
reden, weil &#x017F;ie &#x017F;olche aus den Reguln der Vernunft und<lb/>
der Erkenntniß annehmen und bewei&#x017F;en mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Jch<lb/>
werde demnach mich gleichfalls nicht abhalten la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
in die&#x017F;er Einleitung zu der Ge&#x017F;chichte des Weltko&#x0364;rpers<lb/>
eine Hypothe&#x017F;e von der Natur und We&#x017F;en des Welt-<lb/>
geba&#x0364;udes vorauszu&#x017F;etzen, die mit meiner vorhabenden<lb/>
Ge&#x017F;chichte in &#x017F;o naher Verwant&#x017F;chaft &#x017F;tehet; inde&#x017F;&#x017F;en<lb/>
wird man &#x017F;ehen, daß meine Hypothe&#x017F;e mehr mit der<lb/>
Offenbarung u&#x0364;berein&#x017F;timmet, als vielleicht viele andre<lb/>
Lehrgeba&#x0364;ude von der Natur und We&#x017F;en des Weltgeba&#x0364;u-<lb/>
des und der Scho&#x0364;pfung.</p><lb/>
          <p>So &#x017F;ehr anfangs der men&#x017F;chliche Ver&#x017F;tand u&#x0364;ber<lb/>
die Unermeßlichkeit des Weltgeba&#x0364;udes er&#x017F;taunet; &#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 3</fw><fw place="bottom" type="catch">darf</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/0033] Einleitung. ſo kann ſie durch die letztere Bearbeitung nicht gehin- tert werden. Heut zu Tage ſind auch einſichtige Geiſt- liche von allen drey Hauptreligionen nicht mehr wie zu den Zeiten unſrer Vaͤter mit ſo weniger Vernunft ei- frig, daß ſie deshalb jemanden verketzern ſollten. Noch einmal, es ſind weiter nichts als Hypotheſen, die ein vernuͤnftiger Weltweiſe, welcher die Graͤnzen des menſchlichen Verſtandes mehr als andre Menſchen ken- nen ſoll, nicht vor untruͤgliche Wahrheiten und Ge- wißheiten angeben wird; ob gleich zuweilen Newton, Leibnitz, Wolf, und andre Weltweiſen, in ihren Hy- potheſen von der Natur und Weſen des Weltgebaͤudes oͤfters in ſolchen Ausdruͤcken reden, als wenn ſie von der Wahrheit und Gewißheit ihrer Saͤtze auf das voll- kommenſte uͤberzeuget waͤren. Sie ſetzen dabey alle- mal voraus, daß es eine Hypotheſe iſt, welche ſie vor- tragen, und nach dieſer Vorausſetzung koͤnnen ſie frey- lich von ihren beſondern Saͤtzen als wahr und richtig reden, weil ſie ſolche aus den Reguln der Vernunft und der Erkenntniß annehmen und beweiſen muͤſſen. Jch werde demnach mich gleichfalls nicht abhalten laſſen, in dieſer Einleitung zu der Geſchichte des Weltkoͤrpers eine Hypotheſe von der Natur und Weſen des Welt- gebaͤudes vorauszuſetzen, die mit meiner vorhabenden Geſchichte in ſo naher Verwantſchaft ſtehet; indeſſen wird man ſehen, daß meine Hypotheſe mehr mit der Offenbarung uͤbereinſtimmet, als vielleicht viele andre Lehrgebaͤude von der Natur und Weſen des Weltgebaͤu- des und der Schoͤpfung. So ſehr anfangs der menſchliche Verſtand uͤber die Unermeßlichkeit des Weltgebaͤudes erſtaunet; ſo darf A 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771/33
Zitationshilfe: Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771/33>, abgerufen am 28.03.2024.