Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jung-Stilling, Johann Heinrich: Versuch einer Grundlehre sämmtlicher Kameralwissenschaften. Lautern, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite
Allgemeine

§. 15. Wenn man Vergnügen an Din-
gen empfindet, welche zur wahren Glückselig-
keit nichts beitragen, und also nicht wahr,
sondern falsch, gut und schön sind, so
ist das Vergnügen üppig. Daher sind
die Gefühle und Verlangen nach dem fal-
schen Guten und Schönen: üppige Bedürf-
nisse.
Weilen die Befriedigung derselben
keinen wahren, sondern falschen Genuß mit
sich führt, in der Natur des Menschen kei-
nen Grund hat, und doch an den Wirkungs-
kräften zehret, so richtet die Ueppigkeit (der
Luxus) Menschen, Völker und Staaten zu
Grunde. Die Geschichte der Menschheit be-
weißt, das durch die Schicksale der Staaten,
welche ihre Verfeinerung in die Ueppigkeit
lenkten, erschlaften, weich, entnerft, wei-
bisch wurden, ohnmächtig hinfielen und zer-
trümmerten. Wahres Greisenalter der
Menschheit, wo sie wieder kindisch wird,
aber affenmäsig nicht mit Kraft!

§. 16. So wie die wesentlichen Bedürf-
nisse aus körperlichen Gefühlen entstehen,
so entspringen beide Gattungen der Zufälli-

gen,
Allgemeine

§. 15. Wenn man Vergnuͤgen an Din-
gen empfindet, welche zur wahren Gluͤckſelig-
keit nichts beitragen, und alſo nicht wahr,
ſondern falſch, gut und ſchoͤn ſind, ſo
iſt das Vergnuͤgen uͤppig. Daher ſind
die Gefuͤhle und Verlangen nach dem fal-
ſchen Guten und Schoͤnen: uͤppige Beduͤrf-
niſſe.
Weilen die Befriedigung derſelben
keinen wahren, ſondern falſchen Genuß mit
ſich fuͤhrt, in der Natur des Menſchen kei-
nen Grund hat, und doch an den Wirkungs-
kraͤften zehret, ſo richtet die Ueppigkeit (der
Luxus) Menſchen, Voͤlker und Staaten zu
Grunde. Die Geſchichte der Menſchheit be-
weißt, das durch die Schickſale der Staaten,
welche ihre Verfeinerung in die Ueppigkeit
lenkten, erſchlaften, weich, entnerft, wei-
biſch wurden, ohnmaͤchtig hinfielen und zer-
truͤmmerten. Wahres Greiſenalter der
Menſchheit, wo ſie wieder kindiſch wird,
aber affenmaͤſig nicht mit Kraft!

§. 16. So wie die weſentlichen Beduͤrf-
niſſe aus koͤrperlichen Gefuͤhlen entſtehen,
ſo entſpringen beide Gattungen der Zufaͤlli-

gen,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0028" n="8"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Allgemeine</hi> </fw><lb/>
          <p>§. 15. Wenn man Vergnu&#x0364;gen an Din-<lb/>
gen empfindet, welche zur wahren Glu&#x0364;ck&#x017F;elig-<lb/>
keit nichts beitragen, und al&#x017F;o nicht <hi rendition="#fr">wahr,</hi><lb/>
&#x017F;ondern <hi rendition="#fr">fal&#x017F;ch, gut</hi> und <hi rendition="#fr">&#x017F;cho&#x0364;n</hi> &#x017F;ind, &#x017F;o<lb/>
i&#x017F;t das Vergnu&#x0364;gen <hi rendition="#fr">u&#x0364;ppig.</hi> Daher &#x017F;ind<lb/>
die Gefu&#x0364;hle und Verlangen nach dem fal-<lb/>
&#x017F;chen Guten und Scho&#x0364;nen: <hi rendition="#fr">u&#x0364;ppige Bedu&#x0364;rf-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e.</hi> Weilen die Befriedigung der&#x017F;elben<lb/>
keinen wahren, &#x017F;ondern fal&#x017F;chen Genuß mit<lb/>
&#x017F;ich fu&#x0364;hrt, in der Natur des Men&#x017F;chen kei-<lb/>
nen Grund hat, und doch an den Wirkungs-<lb/>
kra&#x0364;ften zehret, &#x017F;o richtet die Ueppigkeit (der<lb/>
Luxus) Men&#x017F;chen, Vo&#x0364;lker und Staaten zu<lb/>
Grunde. Die Ge&#x017F;chichte der Men&#x017F;chheit be-<lb/>
weißt, das durch die Schick&#x017F;ale der Staaten,<lb/>
welche ihre Verfeinerung in die Ueppigkeit<lb/>
lenkten, er&#x017F;chlaften, weich, entnerft, wei-<lb/>
bi&#x017F;ch wurden, ohnma&#x0364;chtig hinfielen und zer-<lb/>
tru&#x0364;mmerten. Wahres Grei&#x017F;enalter der<lb/>
Men&#x017F;chheit, wo &#x017F;ie wieder kindi&#x017F;ch wird,<lb/>
aber affenma&#x0364;&#x017F;ig nicht mit Kraft!</p><lb/>
          <p>§. 16. So wie die we&#x017F;entlichen Bedu&#x0364;rf-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e aus <hi rendition="#fr">ko&#x0364;rperlichen</hi> Gefu&#x0364;hlen ent&#x017F;tehen,<lb/>
&#x017F;o ent&#x017F;pringen beide Gattungen der Zufa&#x0364;lli-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gen,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0028] Allgemeine §. 15. Wenn man Vergnuͤgen an Din- gen empfindet, welche zur wahren Gluͤckſelig- keit nichts beitragen, und alſo nicht wahr, ſondern falſch, gut und ſchoͤn ſind, ſo iſt das Vergnuͤgen uͤppig. Daher ſind die Gefuͤhle und Verlangen nach dem fal- ſchen Guten und Schoͤnen: uͤppige Beduͤrf- niſſe. Weilen die Befriedigung derſelben keinen wahren, ſondern falſchen Genuß mit ſich fuͤhrt, in der Natur des Menſchen kei- nen Grund hat, und doch an den Wirkungs- kraͤften zehret, ſo richtet die Ueppigkeit (der Luxus) Menſchen, Voͤlker und Staaten zu Grunde. Die Geſchichte der Menſchheit be- weißt, das durch die Schickſale der Staaten, welche ihre Verfeinerung in die Ueppigkeit lenkten, erſchlaften, weich, entnerft, wei- biſch wurden, ohnmaͤchtig hinfielen und zer- truͤmmerten. Wahres Greiſenalter der Menſchheit, wo ſie wieder kindiſch wird, aber affenmaͤſig nicht mit Kraft! §. 16. So wie die weſentlichen Beduͤrf- niſſe aus koͤrperlichen Gefuͤhlen entſtehen, ſo entſpringen beide Gattungen der Zufaͤlli- gen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jungstilling_versuch_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jungstilling_versuch_1779/28
Zitationshilfe: Jung-Stilling, Johann Heinrich: Versuch einer Grundlehre sämmtlicher Kameralwissenschaften. Lautern, 1779, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jungstilling_versuch_1779/28>, abgerufen am 25.04.2024.