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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.

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jestät der König haben mir im Jahr 1801 eine Anwartschaft auf
eine Präbende allergnädigst zu ertheilen, und solche im Jahre 1805
auf meine erneuerte Bitte zu bestätigen geruht, wie beiliegende
Abschriften bezeugen. Heute wagt' ich es, vor S[ein]e Königliche
Majestät mit der wiederholten Bittschrift zu treten. Während des5
Abflusses der 14 Jahre haben weder Verfall des Buchhandels noch
Druck der Kriege mich im Baue wissenschaftlicher und ästhetischer
Werke unterbrochen: eine Hoffnung, welche unter so schwierigen
Verhältnissen 14 Jahre alt geworden, darf sich vielleicht ohne Vor-
wurf zu großer Jugend dem großen Staatsmann nahen, welcher10
zugleich der Gönner und der Günstling der Musen in so schönem
Grade ist. Wenn es nicht zu großes Vertrauen auf die verzeihende
Geduld Ihrer D[urchlaucht] ist, so füg' ich noch hinzu, daß ich die
einzige fremde Unterstützung meines blos schreibenden Lebens, eine
Pension von 1000 fl. aus der Zivilliste des Fürst-Primas, seit dessen15
Thronentsagung verloren habe; und daß deren Ersatz noch auf die
Entscheidung der hohen Verbündeten wartet, welche zugleich für
Gerechtigkeit und Wissenschaft gestritten. Mög' es die überflie-
ßende Güte eines warmen, auf politischen Höhen seltnen Herzens
verzeihen, daß ich von meiner kleinen Angelegenheit zu einem ganz20
Europa angehörenden Staatsmanne gesprochen, dessen, verdunkelte
Zeiten durchblickender Geist zuerst den Ariadnens Faden spann und
reichte, an welchem man den europäischen Minotaurus besiegte,
und der jetzo die Ableitungkette europäischer Gewitter wurde! --

Mit tiefer Ehrfurcht u.s.w.
25
120. An Emanuel.

Guten Morgen, mein Alter! Hätt' ich Sie doch gestern gesehen!
Nichts erquickt unter der Musik -- besonders der erhabenen Orgel --
so sehr als der Blick in ein Freundes Gesicht. -- Ist Otto's Geburttag30
am 9ten oder 10ten? -- Woher haben Sie Ihre herrliche Dinte?
Ich sollte denken, von mir.

121. An Otto.

Guten Morgen, Alter! Ich habe dir nichts zu schicken als zum35
flüchtigen Ansehen des neulichen Zitats aus dem vortrefflichen Aufsatz

jeſtät der König haben mir im Jahr 1801 eine Anwartſchaft auf
eine Präbende allergnädigſt zu ertheilen, und ſolche im Jahre 1805
auf meine erneuerte Bitte zu beſtätigen geruht, wie beiliegende
Abſchriften bezeugen. Heute wagt’ ich es, vor S[ein]e Königliche
Majeſtät mit der wiederholten Bittſchrift zu treten. Während des5
Abfluſſes der 14 Jahre haben weder Verfall des Buchhandels noch
Druck der Kriege mich im Baue wiſſenſchaftlicher und äſthetiſcher
Werke unterbrochen: eine Hoffnung, welche unter ſo ſchwierigen
Verhältniſſen 14 Jahre alt geworden, darf ſich vielleicht ohne Vor-
wurf zu großer Jugend dem großen Staatsmann nahen, welcher10
zugleich der Gönner und der Günſtling der Muſen in ſo ſchönem
Grade iſt. Wenn es nicht zu großes Vertrauen auf die verzeihende
Geduld Ihrer D[urchlaucht] iſt, ſo füg’ ich noch hinzu, daß ich die
einzige fremde Unterſtützung meines blos ſchreibenden Lebens, eine
Penſion von 1000 fl. aus der Zivilliſte des Fürſt-Primas, ſeit deſſen15
Thronentſagung verloren habe; und daß deren Erſatz noch auf die
Entſcheidung der hohen Verbündeten wartet, welche zugleich für
Gerechtigkeit und Wiſſenſchaft geſtritten. Mög’ es die überflie-
ßende Güte eines warmen, auf politiſchen Höhen ſeltnen Herzens
verzeihen, daß ich von meiner kleinen Angelegenheit zu einem ganz20
Europa angehörenden Staatsmanne geſprochen, deſſen, verdunkelte
Zeiten durchblickender Geiſt zuerſt den Ariadnens Faden ſpann und
reichte, an welchem man den europäiſchen Minotaurus beſiegte,
und der jetzo die Ableitungkette europäiſcher Gewitter wurde! —

Mit tiefer Ehrfurcht u.ſ.w.
25
120. An Emanuel.

Guten Morgen, mein Alter! Hätt’ ich Sie doch geſtern geſehen!
Nichts erquickt unter der Muſik — beſonders der erhabenen Orgel —
ſo ſehr als der Blick in ein Freundes Geſicht. — Iſt Otto’s Geburttag30
am 9ten oder 10ten? — Woher haben Sie Ihre herrliche Dinte?
Ich ſollte denken, von mir.

121. An Otto.

Guten Morgen, Alter! Ich habe dir nichts zu ſchicken als zum35
flüchtigen Anſehen des neulichen Zitats aus dem vortrefflichen Aufſatz

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[44/0049] jeſtät der König haben mir im Jahr 1801 eine Anwartſchaft auf eine Präbende allergnädigſt zu ertheilen, und ſolche im Jahre 1805 auf meine erneuerte Bitte zu beſtätigen geruht, wie beiliegende Abſchriften bezeugen. Heute wagt’ ich es, vor S[ein]e Königliche Majeſtät mit der wiederholten Bittſchrift zu treten. Während des 5 Abfluſſes der 14 Jahre haben weder Verfall des Buchhandels noch Druck der Kriege mich im Baue wiſſenſchaftlicher und äſthetiſcher Werke unterbrochen: eine Hoffnung, welche unter ſo ſchwierigen Verhältniſſen 14 Jahre alt geworden, darf ſich vielleicht ohne Vor- wurf zu großer Jugend dem großen Staatsmann nahen, welcher 10 zugleich der Gönner und der Günſtling der Muſen in ſo ſchönem Grade iſt. Wenn es nicht zu großes Vertrauen auf die verzeihende Geduld Ihrer D[urchlaucht] iſt, ſo füg’ ich noch hinzu, daß ich die einzige fremde Unterſtützung meines blos ſchreibenden Lebens, eine Penſion von 1000 fl. aus der Zivilliſte des Fürſt-Primas, ſeit deſſen 15 Thronentſagung verloren habe; und daß deren Erſatz noch auf die Entſcheidung der hohen Verbündeten wartet, welche zugleich für Gerechtigkeit und Wiſſenſchaft geſtritten. Mög’ es die überflie- ßende Güte eines warmen, auf politiſchen Höhen ſeltnen Herzens verzeihen, daß ich von meiner kleinen Angelegenheit zu einem ganz 20 Europa angehörenden Staatsmanne geſprochen, deſſen, verdunkelte Zeiten durchblickender Geiſt zuerſt den Ariadnens Faden ſpann und reichte, an welchem man den europäiſchen Minotaurus beſiegte, und der jetzo die Ableitungkette europäiſcher Gewitter wurde! — Mit tiefer Ehrfurcht u.ſ.w. 25 120. An Emanuel. [Bayreuth, 6. Dez. 1815] Guten Morgen, mein Alter! Hätt’ ich Sie doch geſtern geſehen! Nichts erquickt unter der Muſik — beſonders der erhabenen Orgel — ſo ſehr als der Blick in ein Freundes Geſicht. — Iſt Otto’s Geburttag 30 am 9ten oder 10ten? — Woher haben Sie Ihre herrliche Dinte? Ich ſollte denken, von mir. 121. An Otto. [Bayreuth, Dez. 1815?] Guten Morgen, Alter! Ich habe dir nichts zu ſchicken als zum 35 flüchtigen Anſehen des neulichen Zitats aus dem vortrefflichen Aufſatz

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:19:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:19:52Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/49>, abgerufen am 28.03.2024.