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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952.

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in gedruckte verwandeln kann bei einer zweiten Auflage. In dieser
ernsten Zeit -- die Ahnenprobe deutscher Fürsten und Völker --,
welche mit Vielem spielt, aber nicht mit sich spielen läßt, darf kein
Autor ohne Erlaubnis einen Fürsten gleichsam wie bei einem Frie-
densschluße, öffentlich zum Garanten dedizierter Meinungen machen.5

Dämmerungen Deutschlands einem deutschen Fürsten widmen,
heißt Hoffnungen zueignen und unter jenen nur die morgendliche
meinen, welche in den Tag verschmilzt.

Möge für Sie etwas in meinen Werken gewesen sein, das die
Wahl dieser Entschuldigungen wieder entschuldigt!10

Ihrer herzoglichen Hoheit
unterthänigster
Jean Paul Fr. Richter

191. An die Erbprinzessin Maria Paulowna von
Sachsen-Weimar-Eisenach.
15
Durchlauchtigste Großfürstin und Erbprinzessin,
Gnädigste Großfürstin und Frau!

Die freundliche Sage, daß Ihre Kaiserliche Hoheit einiges in
meinen Werken mit Zustimmung gelesen, gab den Muth zum
Briefe und zur Zueignung der "Daemmerungen" durch die Hoffnung,20
daß Sie die Nachsicht für das Gedruckte vielleicht auch auf das
Geschriebne ausdehnen.

Seltsam genug hatte der Verfasser einen entgegengesetzten Traum:
"Er überreichte -- so kam es ihm darin vor -- persönlich Ihrer
"Kaiserlichen Hoheit seine Dämmerungen -- Sie erschienen als25
"Göttin Aurora, Licht und Rose tragend, und er sagte, indem er
"Aurorens Wagen anhielt und das Buch hinein legen wollte,
"keine Göttin sei Dämmerungen, zumal langen, so unentbehrlich
"als Aurora und er widme Ihr daher seine -- Darauf drückte er
"seine Freude über die Erfüllung eines alten Wunsches mit den30
"Worten aus, jeder andern Gottheit stehe Unsichtbarkeit besser
"als der Schönheit -- Aber Aurora zürnte sehr darüber und sagte,
"Ihr Geschäft sei eben, Dämmerungen zu verscheuchen, nicht zu
"verewigen, denn der Lichtgott Apollo sei Ihr Bruder -- Und da

in gedruckte verwandeln kann bei einer zweiten Auflage. In dieſer
ernſten Zeit — die Ahnenprobe deutſcher Fürſten und Völker —,
welche mit Vielem ſpielt, aber nicht mit ſich ſpielen läßt, darf kein
Autor ohne Erlaubnis einen Fürſten gleichſam wie bei einem Frie-
densſchluße, öffentlich zum Garanten dedizierter Meinungen machen.5

Dämmerungen Deutschlands einem deutſchen Fürſten widmen,
heißt Hoffnungen zueignen und unter jenen nur die morgendliche
meinen, welche in den Tag verſchmilzt.

Möge für Sie etwas in meinen Werken geweſen ſein, das die
Wahl dieſer Entſchuldigungen wieder entſchuldigt!10

Ihrer herzoglichen Hoheit
unterthänigſter
Jean Paul Fr. Richter

191. An die Erbprinzeſſin Maria Paulowna von
Sachſen-Weimar-Eiſenach.
15
Durchlauchtigſte Großfürſtin und Erbprinzeſſin,
Gnädigſte Großfürſtin und Frau!

Die freundliche Sage, daß Ihre Kaiserliche Hoheit einiges in
meinen Werken mit Zuſtimmung geleſen, gab den Muth zum
Briefe und zur Zueignung der „Daemmerungen“ durch die Hoffnung,20
daß Sie die Nachſicht für das Gedruckte vielleicht auch auf das
Geſchriebne ausdehnen.

Seltſam genug hatte der Verfaſſer einen entgegengeſetzten Traum:
„Er überreichte — ſo kam es ihm darin vor — perſönlich Ihrer
Kaiserlichen Hoheit ſeine Dämmerungen — Sie erſchienen als25
„Göttin Aurora, Licht und Roſe tragend, und er ſagte, indem er
„Aurorens Wagen anhielt und das Buch hinein legen wollte,
„keine Göttin ſei Dämmerungen, zumal langen, ſo unentbehrlich
„als Aurora und er widme Ihr daher ſeine — Darauf drückte er
„ſeine Freude über die Erfüllung eines alten Wunſches mit den30
„Worten aus, jeder andern Gottheit ſtehe Unſichtbarkeit beſſer
„als der Schönheit — Aber Aurora zürnte ſehr darüber und ſagte,
„Ihr Geſchäft ſei eben, Dämmerungen zu verſcheuchen, nicht zu
„verewigen, denn der Lichtgott Apollo ſei Ihr Bruder — Und da

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[71/0080] in gedruckte verwandeln kann bei einer zweiten Auflage. In dieſer ernſten Zeit — die Ahnenprobe deutſcher Fürſten und Völker —, welche mit Vielem ſpielt, aber nicht mit ſich ſpielen läßt, darf kein Autor ohne Erlaubnis einen Fürſten gleichſam wie bei einem Frie- densſchluße, öffentlich zum Garanten dedizierter Meinungen machen. 5 Dämmerungen Deutschlands einem deutſchen Fürſten widmen, heißt Hoffnungen zueignen und unter jenen nur die morgendliche meinen, welche in den Tag verſchmilzt. Möge für Sie etwas in meinen Werken geweſen ſein, das die Wahl dieſer Entſchuldigungen wieder entſchuldigt! 10 Ihrer herzoglichen Hoheit unterthänigſter Jean Paul Fr. RichterBayreuth d. 17. Nov. 1809. 191. An die Erbprinzeſſin Maria Paulowna von Sachſen-Weimar-Eiſenach. 15 Durchlauchtigſte Großfürſtin und Erbprinzeſſin, Gnädigſte Großfürſtin und Frau! Die freundliche Sage, daß Ihre Kaiserliche Hoheit einiges in meinen Werken mit Zuſtimmung geleſen, gab den Muth zum Briefe und zur Zueignung der „Daemmerungen“ durch die Hoffnung, 20 daß Sie die Nachſicht für das Gedruckte vielleicht auch auf das Geſchriebne ausdehnen. Seltſam genug hatte der Verfaſſer einen entgegengeſetzten Traum: „Er überreichte — ſo kam es ihm darin vor — perſönlich Ihrer „Kaiserlichen Hoheit ſeine Dämmerungen — Sie erſchienen als 25 „Göttin Aurora, Licht und Roſe tragend, und er ſagte, indem er „Aurorens Wagen anhielt und das Buch hinein legen wollte, „keine Göttin ſei Dämmerungen, zumal langen, ſo unentbehrlich „als Aurora und er widme Ihr daher ſeine — Darauf drückte er „ſeine Freude über die Erfüllung eines alten Wunſches mit den 30 „Worten aus, jeder andern Gottheit ſtehe Unſichtbarkeit beſſer „als der Schönheit — Aber Aurora zürnte ſehr darüber und ſagte, „Ihr Geſchäft ſei eben, Dämmerungen zu verſcheuchen, nicht zu „verewigen, denn der Lichtgott Apollo ſei Ihr Bruder — Und da

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:17:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:17:09Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/80>, abgerufen am 25.04.2024.