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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952.

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Fürst, der vorige Großherzog von Frankfurt, ihm eine Pension von
1000 fl. bewilligte (und ihn unter den Kriegsjahren des eingesunknen
Buchhandels aufrecht erhielt.)

Nach der für Europa beglückenden verbündeten Besetzung des
Großherzogthums im Herbste wurde das Herbstvierteljahr der Pen-5
sion noch vom Gouvernement bezahlt, aber die Fortbezahlung des
Wintervierteljahrs wurde von demselben verweigert.

Zum Glücke bleibt mir eine größere Hülfe und Freude übrig als
mir entzogen wird; es ist die Hoffnung auf das Herz und auf den
Geist Alexanders zugleich.10

Ich wende mich an dessen Herz, da die wolwollende Vorsehung
gerade im Jahrhundert des Egoismus die Menschenliebe auf den
höchsten europäischen Thron gesetzt. Ich wende mich an dessen Geist,
der Geister beschützt und welcher, da er kein anderes großes Reich
mehr zu vergrößern hat als das größte gränzenlose, das der Wissen-15
schaften, dem Norden auch geistig-längste Tage zu den geogra-
phischen
geben will.

Ich wende mich an den, dessen Zepter dem Magnete ähnlich ist,
welcher zugleich liebend anzieht und lehrend die Gegenden des
Himmels zeigt.20

Empfangen Euere Kaiserliche Majestät gnädigst mein neuestes
im Dezember weißagend geschriebnes Buch, das sich vor meinen
übrigen Werken durch das Verdienst auszeichnet, das kleinste zu
sein. Ein Beherrscher großer Reiche und großer Begebenheiten hat
nur Zeit, der Leser kleiner Bücher zu sein.25

Das Werkchen ist scherzhaft gegen diejenigen geschrieben, welche
von Ihnen besiegt und dann beglückt wurden. Ernste Werke für
deutsche und europäische Freiheit schrieb ich schon zu einer Zeit, wo
die Gefahr drohte, von einem Davoust rezensiert, nämlich ein-
gesperrt zu werden.30

Genießen Euere Majestät lange die einzige dauerhafte Universal-
monarchie, die durch Liebe -- nachdem Sie die hassende und ge-
haßte gestürzt -- und lange weine die Freude vor Ihnen und erst
spät die Trauer nach Ihnen.

[Spaltenumbruch] Euerer Kaiserlichen Majestät35

Fürſt, der vorige Großherzog von Frankfurt, ihm eine Penſion von
1000 fl. bewilligte (und ihn unter den Kriegsjahren des eingeſunknen
Buchhandels aufrecht erhielt.)

Nach der für Europa beglückenden verbündeten Beſetzung des
Großherzogthums im Herbſte wurde das Herbſtvierteljahr der Pen-5
ſion noch vom Gouvernement bezahlt, aber die Fortbezahlung des
Wintervierteljahrs wurde von demſelben verweigert.

Zum Glücke bleibt mir eine größere Hülfe und Freude übrig als
mir entzogen wird; es iſt die Hoffnung auf das Herz und auf den
Geiſt Alexanders zugleich.10

Ich wende mich an deſſen Herz, da die wolwollende Vorſehung
gerade im Jahrhundert des Egoiſmus die Menſchenliebe auf den
höchſten europäiſchen Thron geſetzt. Ich wende mich an deſſen Geiſt,
der Geiſter beſchützt und welcher, da er kein anderes großes Reich
mehr zu vergrößern hat als das größte gränzenloſe, das der Wiſſen-15
ſchaften, dem Norden auch geiſtig-längſte Tage zu den geogra-
phiſchen
geben will.

Ich wende mich an den, deſſen Zepter dem Magnete ähnlich iſt,
welcher zugleich liebend anzieht und lehrend die Gegenden des
Himmels zeigt.20

Empfangen Euere Kaiserliche Majestät gnädigſt mein neueſtes
im Dezember weißagend geſchriebnes Buch, das ſich vor meinen
übrigen Werken durch das Verdienſt auszeichnet, das kleinſte zu
ſein. Ein Beherrſcher großer Reiche und großer Begebenheiten hat
nur Zeit, der Leſer kleiner Bücher zu ſein.25

Das Werkchen iſt ſcherzhaft gegen diejenigen geſchrieben, welche
von Ihnen beſiegt und dann beglückt wurden. Ernſte Werke für
deutſche und europäiſche Freiheit ſchrieb ich ſchon zu einer Zeit, wo
die Gefahr drohte, von einem Davoust rezenſiert, nämlich ein-
geſperrt zu werden.30

Genießen Euere Majestät lange die einzige dauerhafte Univerſal-
monarchie, die durch Liebe — nachdem Sie die haſſende und ge-
haßte geſtürzt — und lange weine die Freude vor Ihnen und erſt
ſpät die Trauer nach Ihnen.

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[374/0390] Fürſt, der vorige Großherzog von Frankfurt, ihm eine Penſion von 1000 fl. bewilligte (und ihn unter den Kriegsjahren des eingeſunknen Buchhandels aufrecht erhielt.) Nach der für Europa beglückenden verbündeten Beſetzung des Großherzogthums im Herbſte wurde das Herbſtvierteljahr der Pen- 5 ſion noch vom Gouvernement bezahlt, aber die Fortbezahlung des Wintervierteljahrs wurde von demſelben verweigert. Zum Glücke bleibt mir eine größere Hülfe und Freude übrig als mir entzogen wird; es iſt die Hoffnung auf das Herz und auf den Geiſt Alexanders zugleich. 10 Ich wende mich an deſſen Herz, da die wolwollende Vorſehung gerade im Jahrhundert des Egoiſmus die Menſchenliebe auf den höchſten europäiſchen Thron geſetzt. Ich wende mich an deſſen Geiſt, der Geiſter beſchützt und welcher, da er kein anderes großes Reich mehr zu vergrößern hat als das größte gränzenloſe, das der Wiſſen- 15 ſchaften, dem Norden auch geiſtig-längſte Tage zu den geogra- phiſchen geben will. Ich wende mich an den, deſſen Zepter dem Magnete ähnlich iſt, welcher zugleich liebend anzieht und lehrend die Gegenden des Himmels zeigt. 20 Empfangen Euere Kaiserliche Majestät gnädigſt mein neueſtes im Dezember weißagend geſchriebnes Buch, das ſich vor meinen übrigen Werken durch das Verdienſt auszeichnet, das kleinſte zu ſein. Ein Beherrſcher großer Reiche und großer Begebenheiten hat nur Zeit, der Leſer kleiner Bücher zu ſein. 25 Das Werkchen iſt ſcherzhaft gegen diejenigen geſchrieben, welche von Ihnen beſiegt und dann beglückt wurden. Ernſte Werke für deutſche und europäiſche Freiheit ſchrieb ich ſchon zu einer Zeit, wo die Gefahr drohte, von einem Davoust rezenſiert, nämlich ein- geſperrt zu werden. 30 Genießen Euere Majestät lange die einzige dauerhafte Univerſal- monarchie, die durch Liebe — nachdem Sie die haſſende und ge- haßte geſtürzt — und lange weine die Freude vor Ihnen und erſt ſpät die Trauer nach Ihnen. Euerer Kaiserlichen Majestät 35 Baireuth d. 22. April 1814

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:17:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:17:09Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/390>, abgerufen am 19.04.2024.