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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952.

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besonders dieß recht wüßte, daß Sie nicht meine Mäßigkeit zu gütig
unterbrächen. -- Sie haben doch Zeit zum Lesen des Damen-
kalenders gehabt?

R.
819. An Otto.5

Guten Abend, Alter! Beinahe hätt' ich mein verflucht langes
Ding selber gebracht. Es ist weniger Dichtkunst darin als ein Ein-
fall-Vademekum. Aus dem Plane hätte bei einer größern Freiheit
als ein Morgenblatt einräumt, etwas Besseres werden können.10
Kannst du mir es Morgen gegen Abend wieder geben? Ich lege
als Gegengift das Journal de l'Empire bei, das ich las, um mich
zu ärgern. -- Hier ein Brief an die Lochner. -- In meiner Quittung
hab ich doch den Großherzog breit hingeschrieben, aus Dankbar-
keit und weil sonst alles sine die et consule wäre. Dieses Viertel-15
jahr bekomm' ich schon nach der juristischen Regel: dies inceptus etc.,
denn im Oktobermonat war ja alles noch primatisch.

820. An Cotta.

Leider erst heute, mein lieber Cotta, wurde die fast monatlange20
Arbeit zum Abschicken fertig. Allen wahren Deutschen wird
sie recht sein; möge nur der Zensor auch darunter gehören und er-
lauben, gegen die Leute zu schreiben, gegen welche man mir und
ihm zu schießen gebietet.*) Einige Einfälle, durch deren Ausreißung35
nicht das ganze Gewebe auseinander geht, opfere ich gern; aber25
nicht mehr, sondern hebe den Aufsatz lieber für das "Museum"
auf. Lassen Sie es ja nach meiner halbwolkeschen Sprachlehre ab-
drucken; und wo möglich, in Einer Postlieferung. Das Honorar ist
unser gewöhnliches nach dem Format des Schmelzle berechnete.
Nur für die "Traumdichtungen" Anfang dieses Jahres hab ich30
die runde Summe von 6 Ld'or begehrt.

Himmel! wie haben diese "Dichtungen" und die "Daemme-
rungen"
und "Sphinxe" die jetzige Zeit geweißagt und mit einer

*) Auch bitte ich ihn, erst das Ganze zu Ende zu lesen, damit er sich mit ein-
zelnen Theilen versöhne.
23 Jean Paul Briefe. VI.

beſonders dieß recht wüßte, daß Sie nicht meine Mäßigkeit zu gütig
unterbrächen. — Sie haben doch Zeit zum Leſen des Damen-
kalenders gehabt?

R.
819. An Otto.5

Guten Abend, Alter! Beinahe hätt’ ich mein verflucht langes
Ding ſelber gebracht. Es iſt weniger Dichtkunſt darin als ein Ein-
fall-Vademekum. Aus dem Plane hätte bei einer größern Freiheit
als ein Morgenblatt einräumt, etwas Beſſeres werden können.10
Kannſt du mir es Morgen gegen Abend wieder geben? Ich lege
als Gegengift das Journal de l’Empire bei, das ich las, um mich
zu ärgern. — Hier ein Brief an die Lochner. — In meiner Quittung
hab ich doch den Großherzog breit hingeſchrieben, aus Dankbar-
keit und weil ſonſt alles sine die et consule wäre. Dieſes Viertel-15
jahr bekomm’ ich ſchon nach der juriſtiſchen Regel: dies inceptus etc.,
denn im Oktobermonat war ja alles noch primatiſch.

820. An Cotta.

Leider erſt heute, mein lieber Cotta, wurde die faſt monatlange20
Arbeit zum Abſchicken fertig. Allen wahren Deutſchen wird
ſie recht ſein; möge nur der Zenſor auch darunter gehören und er-
lauben, gegen die Leute zu ſchreiben, gegen welche man mir und
ihm zu ſchießen gebietet.*) Einige Einfälle, durch deren Ausreißung35
nicht das ganze Gewebe auseinander geht, opfere ich gern; aber25
nicht mehr, ſondern hebe den Aufſatz lieber für das „Museum“
auf. Laſſen Sie es ja nach meiner halbwolkeſchen Sprachlehre ab-
drucken; und wo möglich, in Einer Poſtlieferung. Das Honorar iſt
unſer gewöhnliches nach dem Format des Schmelzle berechnete.
Nur für die „Traumdichtungen“ Anfang dieſes Jahres hab ich30
die runde Summe von 6 Ld’or begehrt.

Himmel! wie haben dieſe „Dichtungen“ und die „Daemme-
rungen“
und „Sphinxe“ die jetzige Zeit geweißagt und mit einer

*) Auch bitte ich ihn, erſt das Ganze zu Ende zu leſen, damit er ſich mit ein-
zelnen Theilen verſöhne.
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[353/0369] beſonders dieß recht wüßte, daß Sie nicht meine Mäßigkeit zu gütig unterbrächen. — Sie haben doch Zeit zum Leſen des Damen- kalenders gehabt? R. 819. An Otto. 5 [Bayreuth, Ende Dez. 1813] Guten Abend, Alter! Beinahe hätt’ ich mein verflucht langes Ding ſelber gebracht. Es iſt weniger Dichtkunſt darin als ein Ein- fall-Vademekum. Aus dem Plane hätte bei einer größern Freiheit als ein Morgenblatt einräumt, etwas Beſſeres werden können. 10 Kannſt du mir es Morgen gegen Abend wieder geben? Ich lege als Gegengift das Journal de l’Empire bei, das ich las, um mich zu ärgern. — Hier ein Brief an die Lochner. — In meiner Quittung hab ich doch den Großherzog breit hingeſchrieben, aus Dankbar- keit und weil ſonſt alles sine die et consule wäre. Dieſes Viertel- 15 jahr bekomm’ ich ſchon nach der juriſtiſchen Regel: dies inceptus etc., denn im Oktobermonat war ja alles noch primatiſch. 820. An Cotta. Baireuth d. 31 Dec. 1813 Leider erſt heute, mein lieber Cotta, wurde die faſt monatlange 20 Arbeit zum Abſchicken fertig. Allen wahren Deutſchen wird ſie recht ſein; möge nur der Zenſor auch darunter gehören und er- lauben, gegen die Leute zu ſchreiben, gegen welche man mir und ihm zu ſchießen gebietet. *) Einige Einfälle, durch deren Ausreißung 35 nicht das ganze Gewebe auseinander geht, opfere ich gern; aber 25 nicht mehr, ſondern hebe den Aufſatz lieber für das „Museum“ auf. Laſſen Sie es ja nach meiner halbwolkeſchen Sprachlehre ab- drucken; und wo möglich, in Einer Poſtlieferung. Das Honorar iſt unſer gewöhnliches nach dem Format des Schmelzle berechnete. Nur für die „Traumdichtungen“ Anfang dieſes Jahres hab ich 30 die runde Summe von 6 Ld’or begehrt. Himmel! wie haben dieſe „Dichtungen“ und die „Daemme- rungen“ und „Sphinxe“ die jetzige Zeit geweißagt und mit einer *) Auch bitte ich ihn, erſt das Ganze zu Ende zu leſen, damit er ſich mit ein- zelnen Theilen verſöhne. 23 Jean Paul Briefe. VI.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:17:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:17:09Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/369>, abgerufen am 20.04.2024.