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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952.

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806. An Cotta.

Lieber treuer Freund! Das Schicksal will selber, daß ich immer
in Ihrem Warengewölbe meine geistige Kinderstube aufschlage. Ich
hatte im Frühling dem guten, aber zu viel unternehmenden Schrag5
auf sein Bitten ein Werkchen von 20 Druckbogen versprochen, be-
titelt "Museum von Jean Paul"*), welches drei große Abhand-
lungen 1) über den thierischen Magnetismus, 2) über die Ent-
stehung der ersten Pflanzen, Thiere und Menschen, 3) eine neue
Theorie des Traums und dabei mehre kleine, poetische, ernst- und10
scherzhafte Aufsätze enthält. Vollendet ist alles bis auf den letzten
Aufsatz, und abgeschrieben die Hälfte. Vor einigen Tagen bat er
mich, es ihm nicht zu schicken und ihn -- wegen seines noch un-
abgeschickten Osterverlags -- des Vertrages zu entledigen. Ich thu'
es gern; und biete daher Ihnen das nur einbändige Werkchen unter15
allen Schragischen Bedingungen an. Ich lege Ihnen daher sein
Vertrag-Ja selber bei, weil ich unter den schriftstellerischen Lang-
weiligkeiten keine größere kenne, als Vertragbedingungen 2 mal
zu schreiben, da es schon das erste mal nicht sehr erquickt.

Meine Freunde wünschen sehr den Damenkalender, zumal da20
mein Aufsatz in dieser lichtern Zeit, wo der untergegangne deutsche
Abendstern jetzo als Morgenstern aufgeht, vielleicht trösten, stählen
und spornen hälfe.

Muß jetzo noch das Morgenblatt ein Sybillenblatt vor den
Mund nehmen? -- Ich habe wie Sie wissen, an und über mehre25
regierende Planeten Reden gehalten; dieses Jahr läßt die alte
Astrologie und leider die neue Geschichte vom Mars regieren. --
Erlaubt mir hier das Morgenblatt einigen satirischen Spielraum? --

Leben Sie wol und antworten Sie, wenn nicht citissime,
doch cito.30

Ihr
Jean Paul Fr. Richter

Nachschrift. Was weißagen Sie als Kenner und Herrscher des
Buchhandels zugleich von der O[ster] Messe?

*) 35Zum Theil den Titel daher, weil mehre Aufsätze im Museum zu Frankfurt
vorgelesen worden.
806. An Cotta.

Lieber treuer Freund! Das Schickſal will ſelber, daß ich immer
in Ihrem Warengewölbe meine geiſtige Kinderſtube aufſchlage. Ich
hatte im Frühling dem guten, aber zu viel unternehmenden Schrag5
auf ſein Bitten ein Werkchen von 20 Druckbogen verſprochen, be-
titelt „Muſeum von Jean Paul“*), welches drei große Abhand-
lungen 1) über den thieriſchen Magnetiſmus, 2) über die Ent-
ſtehung der erſten Pflanzen, Thiere und Menſchen, 3) eine neue
Theorie des Traums und dabei mehre kleine, poetiſche, ernſt- und10
ſcherzhafte Aufſätze enthält. Vollendet iſt alles bis auf den letzten
Aufſatz, und abgeſchrieben die Hälfte. Vor einigen Tagen bat er
mich, es ihm nicht zu ſchicken und ihn — wegen ſeines noch un-
abgeſchickten Oſterverlags — des Vertrages zu entledigen. Ich thu’
es gern; und biete daher Ihnen das nur einbändige Werkchen unter15
allen Schragischen Bedingungen an. Ich lege Ihnen daher ſein
Vertrag-Ja ſelber bei, weil ich unter den ſchriftſtelleriſchen Lang-
weiligkeiten keine größere kenne, als Vertragbedingungen 2 mal
zu ſchreiben, da es ſchon das erſte mal nicht ſehr erquickt.

Meine Freunde wünſchen ſehr den Damenkalender, zumal da20
mein Aufſatz in dieſer lichtern Zeit, wo der untergegangne deutſche
Abendſtern jetzo als Morgenſtern aufgeht, vielleicht tröſten, ſtählen
und ſpornen hälfe.

Muß jetzo noch das Morgenblatt ein Sybillenblatt vor den
Mund nehmen? — Ich habe wie Sie wiſſen, an und über mehre25
regierende Planeten Reden gehalten; dieſes Jahr läßt die alte
Aſtrologie und leider die neue Geſchichte vom Mars regieren. —
Erlaubt mir hier das Morgenblatt einigen ſatiriſchen Spielraum? —

Leben Sie wol und antworten Sie, wenn nicht citissime,
doch cito.30

Ihr
Jean Paul Fr. Richter

Nachſchrift. Was weißagen Sie als Kenner und Herrſcher des
Buchhandels zugleich von der O[ſter] Meſſe?

*) 35Zum Theil den Titel daher, weil mehre Aufſätze im Muſeum zu Frankfurt
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[349/0365] 806. An Cotta. Baireuth d. 7. Nov. 1813 Lieber treuer Freund! Das Schickſal will ſelber, daß ich immer in Ihrem Warengewölbe meine geiſtige Kinderſtube aufſchlage. Ich hatte im Frühling dem guten, aber zu viel unternehmenden Schrag 5 auf ſein Bitten ein Werkchen von 20 Druckbogen verſprochen, be- titelt „Muſeum von Jean Paul“ *), welches drei große Abhand- lungen 1) über den thieriſchen Magnetiſmus, 2) über die Ent- ſtehung der erſten Pflanzen, Thiere und Menſchen, 3) eine neue Theorie des Traums und dabei mehre kleine, poetiſche, ernſt- und 10 ſcherzhafte Aufſätze enthält. Vollendet iſt alles bis auf den letzten Aufſatz, und abgeſchrieben die Hälfte. Vor einigen Tagen bat er mich, es ihm nicht zu ſchicken und ihn — wegen ſeines noch un- abgeſchickten Oſterverlags — des Vertrages zu entledigen. Ich thu’ es gern; und biete daher Ihnen das nur einbändige Werkchen unter 15 allen Schragischen Bedingungen an. Ich lege Ihnen daher ſein Vertrag-Ja ſelber bei, weil ich unter den ſchriftſtelleriſchen Lang- weiligkeiten keine größere kenne, als Vertragbedingungen 2 mal zu ſchreiben, da es ſchon das erſte mal nicht ſehr erquickt. Meine Freunde wünſchen ſehr den Damenkalender, zumal da 20 mein Aufſatz in dieſer lichtern Zeit, wo der untergegangne deutſche Abendſtern jetzo als Morgenſtern aufgeht, vielleicht tröſten, ſtählen und ſpornen hälfe. Muß jetzo noch das Morgenblatt ein Sybillenblatt vor den Mund nehmen? — Ich habe wie Sie wiſſen, an und über mehre 25 regierende Planeten Reden gehalten; dieſes Jahr läßt die alte Aſtrologie und leider die neue Geſchichte vom Mars regieren. — Erlaubt mir hier das Morgenblatt einigen ſatiriſchen Spielraum? — Leben Sie wol und antworten Sie, wenn nicht citissime, doch cito. 30 Ihr Jean Paul Fr. Richter Nachſchrift. Was weißagen Sie als Kenner und Herrſcher des Buchhandels zugleich von der O[ſter] Meſſe? *) Zum Theil den Titel daher, weil mehre Aufſätze im Muſeum zu Frankfurt vorgeleſen worden.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:17:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:17:09Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/365>, abgerufen am 28.03.2024.