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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952.

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Warum glauben Sie mich betrübt? Die Wissenschaften sind meine
Himmel -- ich werde von meinen Kindern und meiner Caroline
beglückt -- und von diesen so herzlich geliebt als diese von mir:
warum soll ich betrübt sein? -- Allerdings über etwas, über die
Zeit, an welcher jetzo fast alle Völker Europens bluten.5

Ihre Offenherzigkeit gibt mir keine Schmerzen -- sobald nur Sie
keine dabei fühlen -- sondern Freude.

Sie vergöttern mich, anstatt mich zu befolgen; ich gebe Ihnen
daher keinen einzigen Rath mehr, da ich sowol das weibliche Ge-
schlecht kenne als jene Feuerseelen, zu welchen Sie gehören. Nach10
Heidelberg kann mich erst ein Blutstrom des Krieges abschiffen.
Mein zufällig unausgeschriebnes Wort hieß nicht "Verehrung"
sondern "Vertrauen". Warum sollt' ich mich denn fürchten, irgend
ein Wort ganz auszuschreiben? Ich wünschte, Sie schrieben Ihre
Briefe ab, um die Antworten leichter zu verstehen, und noch mehr15
wünscht' ich, Sie schickten mir statt der Briefe ganze Tagbücher
Ihres Lebens*). Ein Herr Nebrig aus Frankfurt, ein Verehrer
Ihres Vaters, erzählte mir viel Schönes und Edles aus Ihrer
Familie, ohne meinen bestimmtern Antheil daran zu errathen.

Es gehe dir wol, liebe Tochter, und der Geist des warmen Lichtes20
ohne Feuersturm fülle dein Herz.

Jean Paul Fr. Richter
797. An Emanuel.

Guten Morgen, Geber der guten Morgen! Der aber gerade25
mit dem Besten ein Geizhals ist, mit sich. Noch nie hab' ich Ihre
Erscheinung so lange entbehrt! Ist denn wenigstens keine viertel-
stündige möglich? -- Emma hat den Brief allein gemacht; nur
statt des Schmetterlings hätte sie Biene setzen sollen; denn diese
sucht zwar auch Honig, aber um neuen für Menschen zu machen.30

Otto hatte diese Briefe noch nicht.

798. An Cotta.

Lieber Musenfreund! Ich habe eine kleine Verzeihung von
Ihnen nöthig. Ich hatte nämlich dem Bruder des Hofpredigers35

*) Ihrer Familie, Ihrer kleinern Ereignisse etc. etc.

Warum glauben Sie mich betrübt? Die Wiſſenſchaften ſind meine
Himmel — ich werde von meinen Kindern und meiner Caroline
beglückt — und von dieſen ſo herzlich geliebt als dieſe von mir:
warum ſoll ich betrübt ſein? — Allerdings über etwas, über die
Zeit, an welcher jetzo faſt alle Völker Europens bluten.5

Ihre Offenherzigkeit gibt mir keine Schmerzen — ſobald nur Sie
keine dabei fühlen — ſondern Freude.

Sie vergöttern mich, anſtatt mich zu befolgen; ich gebe Ihnen
daher keinen einzigen Rath mehr, da ich ſowol das weibliche Ge-
ſchlecht kenne als jene Feuerſeelen, zu welchen Sie gehören. Nach10
Heidelberg kann mich erſt ein Blutſtrom des Krieges abſchiffen.
Mein zufällig unausgeſchriebnes Wort hieß nicht „Verehrung“
ſondern „Vertrauen“. Warum ſollt’ ich mich denn fürchten, irgend
ein Wort ganz auszuſchreiben? Ich wünſchte, Sie ſchrieben Ihre
Briefe ab, um die Antworten leichter zu verſtehen, und noch mehr15
wünſcht’ ich, Sie ſchickten mir ſtatt der Briefe ganze Tagbücher
Ihres Lebens*). Ein Herr Nebrig aus Frankfurt, ein Verehrer
Ihres Vaters, erzählte mir viel Schönes und Edles aus Ihrer
Familie, ohne meinen beſtimmtern Antheil daran zu errathen.

Es gehe dir wol, liebe Tochter, und der Geiſt des warmen Lichtes20
ohne Feuerſturm fülle dein Herz.

Jean Paul Fr. Richter
797. An Emanuel.

Guten Morgen, Geber der guten Morgen! Der aber gerade25
mit dem Beſten ein Geizhals iſt, mit ſich. Noch nie hab’ ich Ihre
Erſcheinung ſo lange entbehrt! Iſt denn wenigſtens keine viertel-
ſtündige möglich? — Emma hat den Brief allein gemacht; nur
ſtatt des Schmetterlings hätte ſie Biene ſetzen ſollen; denn dieſe
ſucht zwar auch Honig, aber um neuen für Menſchen zu machen.30

Otto hatte dieſe Briefe noch nicht.

798. An Cotta.

Lieber Muſenfreund! Ich habe eine kleine Verzeihung von
Ihnen nöthig. Ich hatte nämlich dem Bruder des Hofpredigers35

*) Ihrer Familie, Ihrer kleinern Ereigniſſe ꝛc. ꝛc.
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[345/0361] Warum glauben Sie mich betrübt? Die Wiſſenſchaften ſind meine Himmel — ich werde von meinen Kindern und meiner Caroline beglückt — und von dieſen ſo herzlich geliebt als dieſe von mir: warum ſoll ich betrübt ſein? — Allerdings über etwas, über die Zeit, an welcher jetzo faſt alle Völker Europens bluten. 5 Ihre Offenherzigkeit gibt mir keine Schmerzen — ſobald nur Sie keine dabei fühlen — ſondern Freude. Sie vergöttern mich, anſtatt mich zu befolgen; ich gebe Ihnen daher keinen einzigen Rath mehr, da ich ſowol das weibliche Ge- ſchlecht kenne als jene Feuerſeelen, zu welchen Sie gehören. Nach 10 Heidelberg kann mich erſt ein Blutſtrom des Krieges abſchiffen. Mein zufällig unausgeſchriebnes Wort hieß nicht „Verehrung“ ſondern „Vertrauen“. Warum ſollt’ ich mich denn fürchten, irgend ein Wort ganz auszuſchreiben? Ich wünſchte, Sie ſchrieben Ihre Briefe ab, um die Antworten leichter zu verſtehen, und noch mehr 15 wünſcht’ ich, Sie ſchickten mir ſtatt der Briefe ganze Tagbücher Ihres Lebens *). Ein Herr Nebrig aus Frankfurt, ein Verehrer Ihres Vaters, erzählte mir viel Schönes und Edles aus Ihrer Familie, ohne meinen beſtimmtern Antheil daran zu errathen. Es gehe dir wol, liebe Tochter, und der Geiſt des warmen Lichtes 20 ohne Feuerſturm fülle dein Herz. Jean Paul Fr. Richter 797. An Emanuel. [Bayreuth, 20. Sept. 1813] Guten Morgen, Geber der guten Morgen! Der aber gerade 25 mit dem Beſten ein Geizhals iſt, mit ſich. Noch nie hab’ ich Ihre Erſcheinung ſo lange entbehrt! Iſt denn wenigſtens keine viertel- ſtündige möglich? — Emma hat den Brief allein gemacht; nur ſtatt des Schmetterlings hätte ſie Biene ſetzen ſollen; denn dieſe ſucht zwar auch Honig, aber um neuen für Menſchen zu machen. 30 Otto hatte dieſe Briefe noch nicht. 798. An Cotta. Baireuth d. 27. Sept. 1813 Lieber Muſenfreund! Ich habe eine kleine Verzeihung von Ihnen nöthig. Ich hatte nämlich dem Bruder des Hofpredigers 35 *) Ihrer Familie, Ihrer kleinern Ereigniſſe ꝛc. ꝛc.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:17:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:17:09Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/361>, abgerufen am 25.04.2024.